dbb magazin 12/2023

dbb magazin Verwaltungsmodernisierung | Der Staat im Offline-Modus Interview | Dr. Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik Barometer Digitale Verwaltung | So fit ist Deutschland für die Transformation 12 | 2023 Zeitschrift für den öffentlichen Dienst

STARTER 12 4 TOPTHEMA Verwaltungsmodernisierung AKTUELL EINKOMMENSPOLITIK Einkommensrunde 2023 TV-L: Beschäftigte streiten für die Zukunfts- fähigkeit des öffentlichen Dienstes 4 Beamtinnen und Beamte der Länder und Kommunen: Besoldung und Versorgung müssen zukunftssicher sein 8 Einkommensrunde für den öffentlichen Dienst: Hessen kann es besser machen 10 FOKUS INTERVIEW Dr. Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik: Der öffentliche Dienst muss noch stärker als attraktiver Arbeitgeber bekannt gemacht werden 12 BRENNPUNKT Barometer Digitale Verwaltung: So fit ist Deutschland für die Transformation 14 STANDPUNKT Verwaltungsdigitalisierung: Bahn frei für Digital Natives 18 BLICKPUNKT Personal und Moderne Verwaltung: Plädoyer für eine zeitgemäße Organisationskultur 20 ifo Bildungsbarometer Qualität der Schulen im Sinkflug 22 ONLINE Gigabit-Ausbau: IT-Branche fordert bessere Rahmenbedingungen 23 Cybersicherheit: Klick und weg 25 INTERN EUROPA Nachgefragt bei Gaby Bischof, Vizepräsidentin des konstitutionellen Ausschusses im Europäischen Parlament: Die EU muss handlungsfähiger werden 29 FRAUEN Gleichstellung: Frauen machen Bund 32 SENIOREN Vorschläge der Wirtschaftsweisen: Der Rentenanspruch ist nicht verhandelbar 34 JUGEND Aktionstag der dbb jugend: „Fünf nach zwölf“ für die Nachwuchsgewinnung 36 SERVICE Impressum 41 KOMPAKT Gewerkschaften 42 20 Da steckt mehr dahinter Die Digitalisierung im öffentlichen Sektor lahmt. Bürgerinnen und Bürger erleben die Folgen täglich in Form mangelhafter oder nicht vorhandener digitaler Bürgerdienste. Verwaltungsbeschäftigte leiden unter antiquierten analogen Verfahren, die viel Zeit kosten und Abläufe verlangsamen. Die Beschäftigten sehnen intelligente und vor allem bruchlos funktionierende IT-Unterstützung geradezu herbei. Das hat das „Barometer Digitale Verwaltung“ von Next:Public ergeben, an dem der dbb beteiligt war. Für Arbeit- und Dienstgebende sollte das ein Weckruf sein, denn noch haben sie die Chance, die digitale Transformation zusammen mit den Belegschaften anzugehen. Die Kolleginnen und Kollegen wollen Digitalisierung nicht übergestülpt bekommen. Sie wollen den öffentlichen Dienst und seine Arbeitsumfelder aktiv gestalten. Dazu müssen sich Strukturen verändern. Dazu benötigt die öffentliche Hand neben der Erfahrung der vorhandenen Beschäftigten viele neue, gut qualifizierte Fachkräfte. Die werden leichter zu gewinnen sein, wenn die Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst modern ausgestattet und attraktiv in ihren Rahmenbedingungen sind. Deshalb geht es in der laufenden Einkommensrunde für die Beschäftigten der Länder nicht nur um mehr Einkommen. Den Gewerkschaften geht es auch um die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Und der hat seine Beschäftigten zuweilen lieber stiefmütterlich behandelt, statt sie konsequent zu fördern – auch das zeigt die Next:Public-Studie. Es ist Zeit für einen echten Aufbruch ins Digitalzeitalter. Dass die Kolleginnen und Kollegen dazu bereit sind und sich für ihren öffentlichen Dienst verantwortlich fühlen, haben sie in den vergangenen Wochen auch mit ihrem Engagement bei zahlreichen Demonstrationen und Aktionen im Rahmen der Einkommensrunde gezeigt. br Model Foto: Colourbox.de 25 AKTUELL 3 dbb magazin | Dezember 2023

EINKOMMENSPOLITIK Einkommensrunde 2023 TV-L Beschäftigte streiten für die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes Nachdem die ersten beiden Verhandlungsrunden im Tarifkonflikt mit den Arbeitgebenden der Länder ohne Angebot vertagt worden waren, haben die Beschäftigten ihren Unmut auf die Straßen der Bundesrepublik getragen und Druck aufgebaut. Bereits nach der ersten Verhandlungsrunde am 26. Oktober 2023 hatten die Kolleginnen und Kollegen bundesweit demonstriert und ihre Forderungen nach 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro, mit zahlreichen Aktionen und Warnstreiks untermauert. dbb Chef Ulrich Silberbach, der die Verhandlungen für den dbb führt, umriss die Erwartungen an die Arbeitgeberseite nach der ersten Verhandlungsrunde: „Niemand erwartet von einer Auftaktrunde Wunderdinge. Aber Hinweise darauf, dass auch die Arbeitgebenden der Länder endlich erkannt haben, wie groß ihre Personalprobleme sind, wären hilfreich gewesen. Alle Gewerkschaftsargumente immer nur als ‚unbezahlbar‘ abzuqualifizieren, ist auf jeden Fall zu wenig.“ Wenn schon nicht aus Respekt und Gerechtigkeit für die eigenen Beschäftigten, müssten die Länder in der zweiten Runde aus schierem Eigeninteresse ein konsensfähiges Angebot vorlegen, damit sie auf dem Arbeitsmarkt bei Bezahlung und Wettbewerbsfähigkeit nicht in einen ruinösen Rückstand geraten. Silberbach: „Wir müssen in den nächsten zehn Jahren altersbedingt im öffentlichen Dienst über ein Viertel der Beschäftigten ersetzen. Warum sollten junge Leute denn zum Land gehen, wenn sie bei Hannover, 23. November Hamburg, 23. November © Kerstin Seipt © Michael Wallmüller © Friedhelm Windmüller 4 AKTUELL dbb magazin | Dezember 2023

Bund, Kommunen oder gar der Privatwirtschaft im gleichen Job mehr verdienen können? Wir fordern einen Gleichklang in der Bezahlung über alle Gebietskörperschaften hinweg.“ dbb Tarifchef Volker Geyer unterstrich auf einer Kundgebung vor einer Untersuchungshaftanstalt in Hamburg am 30. Oktober 2023: „Wir müssen unseren Forderungen Nachdruck verleihen, und der heutige Warnstreik sendet ein unmissverständliches Signal an die Arbeitgebenden. Ein Signal für Einkommenserhöhungen, ein Signal für Wertschätzung.“ Mit großer Deutlichkeit hätten die Arbeitgeber der Länder den Gewerkschaften und den Beschäftigten bislang vermittelt, dass sie eine Konkurrenzfähigkeit des Tarifvertrages der Länder nicht nur für schwer erreichbar „Wir fordern einen Gleichklang in der Bezahlung über alle Gebietskörperschaften hinweg.“ Ulrich Silberbach Osnabrück, 11. November Schwerin, 16. November Bremen, 3. November Schwerin, 16. November Bonn, 27. Oktober Hamburg, 30. Oktober Bonn, 27. Oktober Hamburg, 23. November Kiel, 24. November © Kerstin Seipt © Friedhelm Windmüller © Friedhelm Windmüller © Björn Hake © Kerstin Seipt © Anne Oschatz © Roberto Pfeil © Roberto Pfeil © Holger Bulk AKTUELL 5 dbb magazin | Dezember 2023

hielten, sondern Konkurrenzfähigkeit erst gar nicht anstrebten. „Wer im Zweifel der billigen Lösung den Vorrang gibt, verspielt das Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen und setzt die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Daseinsvorsorge aufs Spiel.“ Nach der ergebnislosen zweiten Verhandlungsrunde verschärften die Beschäftigten die Gangart und reagierten bundesweit mit Arbeitsniederlegungen. Silberbach kritisierte die Arbeitgebenden deutlich: „Die Länder suchen gar nicht nach Lösungen, um den öffentlichen Dienst attraktiv und konkurrenzfähig zu gestalten. Im Zweifel wollen sie scheinbar einfach billig sein.“ Für so eine kurzsichtige und destruktive Politik stünden die Gewerkschaften nicht zur Verfügung. „Wir werden in den nächsten Wochen also die Warnstreiks und Protestaktionen massiv ausweiten müssen.“ Ausführliche Berichte und Bilderstrecken zu allen Veranstaltungen im Rahmen der Einkommensrunde 2023 TV-L online unter dbb.de/einkommensrunde Warnstreiks, Demos, Protestaktionen © Roberto Pfeil „Wer der billigen Lösung den Vorrang gibt, verspielt das Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen und setzt die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Daseinsvorsorge aufs Spiel.“ Volker Geyer Schon jetzt sei klar, dass sich die Verweigerungshaltung bei der Übertragung des Tarifabschlusses auf die Besoldung und Versorgung fortsetzen werde. Deshalb waren auch die Landes- und Kommunalbeamten sowie die betroffenen Pensionärinnen und Pensionäre aufgerufen, sich an den Demos zu beteiligen. Bis zum Redaktionsschluss am 24. November 2023 haben bundesweit mehr als 60 Warnstreiks, Mahnwachen, Demonstrationen und Aktionen der Mitglieder der dbb Landesbünde und Fachgewerkschaften stattgefunden. ■ Berlin, 10. November Dortmund, 6. November Chemnitz, 21. November Berlin, 15. November © Jan Brenner/dbb © Oliver Schaper © Juergen Loesel/dbb © Jan Brenner/dbb 6 AKTUELL dbb magazin | Dezember 2023

Beamtinnen und Beamte der Länder und Kommunen Besoldung und Versorgung müssen zukunftssicher sein In den vergangenen Jahren haben sämtliche Dienstgebenden in Ländern und Kommunen ihre Beamtinnen und Beamten nicht amtsangemessen besoldet. Verschlimmert wurde dies durch steigende Lebenshaltungskosten und hohe Inflationsraten. Dadurch hat sich ein Einkommensgefälle entwickelt, das jetzt ausgeglichen werden muss, wenn die Beamtinnen und Beamten das Vertrauen in die Dienstgebenden nicht gänzlich verlieren sollen. Die laufende Einkommensrunde muss dazu genutzt werden, dem Personal wieder Wertschätzung in Form einer angemessenen Besoldung entgegenzubringen. Dabei dürfen die Haushaltslagen der Länder nicht die ausschlaggebende Rolle spielen. Die Besoldung „auf Kante“ zu nähen, um die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien zur amtsangemessenen Alimentation „gerade so“ zu erfüllen, genügt nicht: Sie muss langfristig verfassungsgemäß sein. Es darf nicht bei jeder Änderung des Grundsicherungsniveaus die Gefahr bestehen, dass sie erneut zu gering ist und die Beamtinnen und Beamten dies gegenüber ihren Dienstgebenden geltend machen müssen. Einheitliches Besoldungsrecht Mehrere Jahrzehnte lang erhielten alle Beamtinnen und Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden eine bundeseinheitliche Besoldung. Sie wurde im Bundesbesoldungsgesetz geregelt, entsprechend den wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen regelmäßig angepasst und bei Bedarf neu justiert. Besonderheiten wurden von den Dienstgebenden durch Öffnungsklauseln berücksichtigt. Infolgedessen erhielten alle Beamtinnen und Beamten bei gleichem statusrechtlichen Amt in Bund, Ländern und Gemeinden im Wesentlichen die gleiche Besoldung und nahmen zur gleichen Zeit und in gleicher Höhe an Besoldungsanpassungen teil. Diese orientierten sich überwiegend an den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes. Damit konnten alle Dienstgebenden nicht nur qualifizierte und leistungsorientierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten, sondern auch dringend benötigten Nachwuchs gewinnen. Ein Wechsel und Austausch zwischen den Dienstgebenden war für Beamtinnen und Beamte finanziell unproblematisch, nachvollziehbar und planbar. Besoldungsgesetzgebung seit der Föderalismusreform I Durch die im Jahr 2006 auf Wunsch der Länder verabschiedete Föderalismusreform I wurde das einheitliche Besoldungsrecht aufgegeben und die Gesetzgebungskompetenz auf die Gebietskörperschaften von Bund und Ländern übertragen. In der Folge erließen diese ab 2006 jeweils eigenständige Besoldungs- und Anpassungsgesetze. Es entstanden 17 Besoldungsgesetze mit eigenständigen, kaum noch vergleichbaren Regelungen, während sich die Lebenshaltungskosten in den Bundesländern annähernd gleich entwickelten. Die dabei entstandenen unterschiedlichen Besoldungsstrukturen resultieren daraus, dass Bund und Länder bei der Bemessung des Grundgehaltes zum Teil neue Wege gingen und neue Strukturen entwickelten, die ursprüngliche Tabelle fortführten oder diese in Teilen veränderten. Zugleich wurden Zulagen und Zuschläge fortentwickelt oder neue eingeführt. 8 AKTUELL dbb magazin | Dezember 2023

Dadurch sind kaum noch vergleichbare Regelungen entstanden, die zudem erhebliche Besoldungsdifferenzen zwischen den Ländern zur Folge haben, selbst wenn Beamtinnen und Beamte das gleiche Amt innehaben. Von Transparenz oder Nachvollziehbarkeit ist damit keine Rede mehr. Verfassungsrechtlicher Anspruch Einziger und von allen Dienstgebenden zu beachtender Maßstab im Bereich der Besoldung ist der in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz verankerte Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation. Zwar steht den Dienstgebenden die Ausgestaltung offen, da sie nicht im Grundgesetz definiert ist. Jedoch müssen die Landesgesetzgeber die zuletzt in den wegweisenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2015 und 2020 aufgestellten Kriterien erfüllen. Dazu zählen unter anderem die Einhaltung eines 15-prozentigen Mindestabstands der untersten Besoldungsgruppen im Eingangsamt zum Grundsicherungsniveau sowie der einzuhaltende Abstand der Besoldungsgruppen untereinander – das sogenannte Abstandsgebot. Dass es überhaupt zu dieser Rechtsprechung gekommen ist, ist wiederholten und einseitigen Sparmaßnahmen der Landesgesetzgeber geschuldet, die zur Haushaltsentlastung immer wieder auf Besoldungsbestandteile wie das Weihnachts- und Urlaubsgeld zurückgriffen. Parallel dazu wurden ab dem Jahr 2008 unterschiedliche Besoldungsanpassungen vorgenommen, die nur vereinzelt eine echte zeit- und systemgerechte Übertragung der Tarifabschlüsse beinhalteten. Erst ab dem Jahr 2015 war eine leichte Trendwende zu erkennen. Sie mündete ab 2017, wahrscheinlich aufgrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation, wieder in die zeit- und wirkungsgleichen Übertragungen der Tarifabschlüsse auf die Beamtinnen und Beamten der Länder und Kommunen. Teilhabe und Wertschätzung Die Landesbesoldungsgesetzgeber sind im Rahmen der Einkommensrunde gut beraten, wenn sie frühzeitig und unzweifelhaft anerkennen, dass sie ihre Beamtinnen und Beamten an der finanziellen und wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben lassen und die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten durch zeit- und systemgerechte Übertragung des Volumens des Tarifabschlusses ausgleichen werden. Sie sollten den öffentlichen Dienst in allen Bereichen finanziell so aufstellen, dass er in allen Ländern und Kommunen gleichermaßen als attraktiver „Arbeitgeber“ für gut ausgebildetes Personal einschließlich der zu gewinnenden Nachwuchskräfte wahrgenommen wird. Nur dann kann es gelingen, die schon bestehenden und sich absehbar vergrößernden Personallücken wieder zu schließen und damit auch für die vorhandenen Mitarbeitenden für die dringend notwendige Entlastung und Perspektiven zu sorgen. Beamtinnen und Beamte dürfen nicht mehr – wie in der Vergangenheit – als Haushaltsbelastung oder Einsparpotenzial betrachtet, sondern sollten als Garant für einen funktionierenden öffentlichen Dienst angesehen und wertgeschätzt werden. Dies kann nur gelingen, wenn die Gewährung einer verfassungsmäßigen Alimentation für alle wieder eine Selbstverständlichkeit ist, die es gilt, in jedem Haushaltsjahr unzweifelhaft und nicht nur auf Kante genäht einzuhalten. te Einziger und von allen Dienstgebenden zu beachtender Maßstab im Bereich der Besoldung ist der in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz verankerte Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation. Model Foto: Colourbox.de (2) AKTUELL 9 dbb magazin | Dezember 2023

Einkommensrunde für den öffentlichen Dienst Hessen kann es besser machen In Hessen finden Anfang 2024 eigenständige Tarifverhandlungen statt, weil es als einziges Bundesland nicht Mitglied in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ist. Die Hauptforderung des dbb ist identisch mit der Forderung an die TdL: 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr für den öffentlichen Dienst. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags soll zwölf Monate betragen. Weiterhin soll – neben strukturellen Verbesserungen, etwa bei der Jahressonderzahlung – insbesondere die Nachwuchsgewinnung verbessert werden, beispielsweise durch höhere Ausbildungsentgelte und zukunftsgerechte Übernahmeregelungen. dbb Tarifchef Volker Geyer, der die Verhandlungen mit dem Hessischen Innenministerium führen wird, erklärte am 8. November 2023: „Hessen hat die Möglichkeit, es besser zu machen als die TdL in den aktuellen Verhandlungsrunden. Statt Ergebnisse hinauszuzögern, muss die Politik schnellstmöglich handeln. Denn die Arbeitsbelastung im öffentlichen Dienst wird immer größer, gleichzeitig frisst die Inflation die Kaufkraft der Beschäftigten auf. Unter diesen Umständen wird es immer schwieriger, neues Personal zu gewinnen und das vorhandene zu halten. Uns fehlen deutschlandweit bereits über 500 000 Beschäftigte und diese Zahl wird sich aufgrund des demografischen Wandels noch verschlimmern.“ Für die hessischen Landes- und Kommunalbeamten stellte Heini Schmitt, dbb Landesbundchef in Hessen, klar: „Für uns wird diese hessische Einkommensrunde erst zu Ende sein, wenn die künftige Landesregierung klipp und klar erklärt hat, dass sie das Tarifergebnis zeitgleich und systemgerecht auf die Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfängerinnen und -empfänger überträgt, und nicht den Versuch unternimmt, die Statusgruppen gegeneinander auszuspielen. Außerdem wird die Übertragung auf Beamtinnen und Beamte sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger dazu führen, dass wir dem Ziel einer verfassungskonformen Alimentation einen Schritt näher kommen. Es wäre ein wichtiger Vertrauensbeweis, wenn die Übertragung gleich zur Auftaktrunde zugesagt würde.“ In Hessen sind zwei Verhandlungsrunden für den 14. Februar und den 13. bis 16. März 2024 vereinbart. Mehr: dbb.de/einkommensrunde ■ dbb Tarifchef Volker Geyer wird die Tarifverhandlungen in Hessen für den dbb führen. © Waldemar Wotschel Bundestag beschließt Anpassung Beamtinnen und Beamte des Bundes bekommen mehr Geld. Verfassungskonform seien Besoldung und Versorgung damit aber noch nicht, mahnt der dbb. Der Deutsche Bundestag hat am 16. November 2023 in zweiter und dritter Lesung das „Gesetz zur Anpassung der Bundesbesoldung und -versorgung für 2023 und 2024 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (BBVAnpÄndG 2023/2024)“ beschlossen. Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach unterstrich, dass damit die Forderungen des dbb, Besoldung und Versorgung an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen und den Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst des Bundes vom April 2023 zeit- und wirkungsgleich auf Bundesbeamte und Versorgungsempfänger zu übertragen, erfüllt sei. „Der dbb begrüßt ausdrücklich, dass mit der Verabschiedung des Gesetzes alle Beschäftigten des Bundes in gleicher Weise einen Ausgleich für die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten erhalten und damit die von ihnen erbrachte Arbeit anerkannt wird“, erklärte Silberbach. Darüber hinaus erfüllt das Gesetz eine weitere dbb Forderung: Wesentliche berufsprägende Stellenzulagen, deren Ruhegehaltsfähigkeit durch das Versorgungsreformgesetz 1998 schrittweise abgeschafft worden war, werden wieder ruhegehaltsfähig. Das betrifft die Stellenzulage für Beamtinnen und Beamte mit vollzugspolizeilichen Aufgaben sowie die Stellenzulagen im Einsatzdienst der Feuerwehr und bei den Nachrichtendiensten. Silberbach: „Wir begrüßen diese Maßnahmen als überfällige Anerkennung des Umstandes, dass besondere berufliche Belastungen und Erschwernisse auch in den Ruhestand fortwirken und berücksichtigt werden müssen.“ Silberbach erinnerte jedoch daran, dass es trotz der jetzt erfolgten Anpassung noch große Herausforderungen für die Bundesregierung im Bereich der Besoldung und Versorgung gebe. „Es muss dringend ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation aus den Jahren 2015 und 2020 endlich auch auf Bundesebene umzusetzen. Der Bund ist die einzige Gebietskörperschaft, die die dort aufgestellten Kriterien noch nicht durch Verabschiedung entsprechender Gesetze umgesetzt hat, um damit – auch für die vergangenen Jahre – einen Abstand der niedrigsten Besoldung zum Grundsicherungsniveau von 15 Prozent zu garantieren.“ Besoldung und Versorgung 10 AKTUELL dbb magazin | Dezember 2023

INTERVIEW Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik Der öffentliche Dienst muss noch stärker als attraktiver Arbeitgeber bekannt gemacht werden Beim Bürgerservice ist die Bundesrepublik immer noch eine digitale Dienstleistungswüste, jede Bank ist in Sachen Online-Service besser als der Bund. Warum dauert das alles so lange? Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass die Verwaltung in vielen Bereichen schon digitaler ist, als es der Ruf vermuten lässt. Wir haben eine funktionierende digitale Infrastruktur aufgebaut und bieten mit dem Online-Ausweis sowie der BundID sichere Authentifizierungsmöglichkeiten im digitalen Raum. Viele Verwaltungsleistungen sind bereits bundesweit online verfügbar, zum Beispiel das Elterngeld, die Anmeldung zu Integrationskursen, der Antrag auf BAföG oder das Bürgergeld. Im Falle der Energiepreispauschale haben wir es Anfang des Jahres sogar geschafft, innerhalb weniger Wochen eine Online-Plattform bereitzustellen, mit der das Antragsverfahren vollständig digital abgewickelt wurde und dank der es vom Antrag bis zur Auszahlung der „Einmalzahlung“ oft nur wenige Tage gedauert hat. Darüber hinaus ist heute schon fast jede andere Verwaltungsleistung, vom Bauantrag bis zur Ummeldung, ebenfalls digitalisiert – aber eben noch nicht flächendeckend verfügbar. Das liegt an unserer föderalen Struktur und dezentralen Zuständigkeiten. Wir arbeiten aber unter Hochdruck daran, dass sich alle Bundesländer an die bereits verfügbaren digitalen Angebote anschließen, sodass diese bald überall online verfügbar sind. Das nennt sich „Einer für alle“-Prinzip: Ein Land entwickelt eine Lösung und alle anderen nutzen diese nach. Das spart Zeit, Kosten und Ressourcen. Aber im Föderalismus kommt man hier eben nur Schritt für Schritt voran. Trotzdem haben Sie natürlich recht: Wir werden aktuell den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger an eine digitale Verwaltung nicht gerecht und vieles dauert länger, als auch wir es uns wünschen. Dass die digitale Transformation der Verwaltung länger dauert als bei einer Bank oder einem Unternehmen, liegt an den viel komplexeren Strukturen, die wir als föderal organisierter Staat haben. Es gibt ein komplexes Geflecht an Zuständigkeiten und kein „Top-down-Prinzip“. Dazu kommen unterschiedliche Digitalisierungsstände in den Bundesländern, eine stark heterogene IT-Landschaft – und gerade zu Beginn der OZG-Umsetzung anfänglich fehlende Strukturen zur Verwaltungsdigitalisierung, die zunächst einmal aufgebaut werden mussten. Das kostet alles Zeit. Weitere Gründe sind fehlende personelle und fachliche Ressourcen und eine zum Teil recht unterschiedliche Priorisierung des Ressourceneinsatzes auf Fachseite. „Die BundID ist eine wesentliche Voraussetzung für die deutschlandweite bürgernahe und moderne digitale Verwaltung.“ © Henning Schacht 12 FOKUS dbb magazin | Dezember 2023

Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass viele IT-Systeme zwischen Bund, Ländern und Kommunen nicht kompatibel sind. Verfahren, Prozesse und Authentifizierungen müssen ebenso vereinheitlicht werden wie Hard- und Software. Wie stemmen Sie diese Herkulesaufgabe? Das BMI hat im Rahmen der OZG-Umsetzung über Jahre eine nachhaltige Arbeitsstruktur für die interföderale Zusammenarbeit etabliert. Nun soll die Erarbeitung eines strategischen Zielbilds die Grundlage für einen Prozess zur Gestaltung einer ganzheitlichen IT-Architektur schaffen, eine sogenannte „OZGRahmenarchitektur“. Diese OZG-Rahmenarchitektur bildet mittels verbindlicher Standards, einheitlicher Schnittstellen und zentraler Basisdienste und -komponenten die Grundlage für eine effiziente, vertrauenswürdige und digital souveräne digitale Verwaltung. Durch die gezielte Weiterentwicklung von Infrastrukturkomponenten und Diensten sowie die Wiederverwendung zentraler IT-Lösungen entsteht eine ganzheitliche Digitalisierung. Diese schafft eine klare Ausrichtung für alle beteiligten Akteure. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der BundID zu. Sie ist mit rund drei Millionen Nutzern aber noch nicht in der Bevölkerung angekommen, zumal ihr praktischer Nutzen für Bürgerinnen und Bürger noch sehr überschaubar ist. Ein Henne-EiProblem, oder? Die BundID ist eine wesentliche Voraussetzung für die deutschlandweite bürgernahe und moderne digitale Verwaltung. Sie ist in über 110 Online-Dienste und Portale eingebunden, darunter „BAföG Digital“, „Elterngeld Digital“, „i-KFZ“ und „Mein Justizpostfach“ (MJP). Weitere Online-Dienste werden vorbereitet, so zum Beispiel circa 70 Dienste der Bundesagentur für Arbeit. Hessen, Berlin und Brandenburg sind in diesem Jahr auf die BundID umgestiegen; weitere sieben haben diesen Schritt angekündigt. Das ist auch ein Ergebnis der guten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Die BundID, die derzeit von über 3,4 Millionen Bürgerinnen und Bürgern genutzt wird, bekommt durch das immer größer werdende Angebot stetig mehr Sichtbarkeit und praktischen Nutzen. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat Eckpunkte für eine moderne und zukunftsgerichtete Verwaltung vorgelegt. Der Bundeskanzler hat Anfang September den Deutschland-Pakt vorgestellt, der ebenfalls eine schnellere Digitalisierung zum Ziel hat. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes kommen in diesen Eckpunkten allerdings nicht vor. Wo holen Sie sie ab? Um die Zukunftsfähigkeit der Behörden sicherzustellen, ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der digitalen Kompetenzen des Personals in der Bundesverwaltung von entscheidender Bedeutung. Daher wurde im Jahr 2021 die „Digitale Kompetenzinitiative Bund“ ins Leben gerufen. Die Initiative ist ein integrativer und systemischer Ansatz, um die Beschäftigten in der Bundesverwaltung zum einen zu qualifizieren und zum anderen zu vernetzen. In der Digitalstrategie der Bundesregierung wird der Auftrag der „Digitalakademie Bund“ beschrieben, daraus leiten sich zwei konkrete Maßnahmen ab: erstens die Transformationspaten für Digitalisierung. Mit Transformationspaten werden Mitarbeitende befähigt, digitale Transformationsprojekte zu leiten und gleichzeitig als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu agieren. Und zweitens die #digitaljourney. Sie bringt oberste Führungskräfte aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung an drei unterschiedlichen Lernorten in Deutschland zusammen. Ziel ist es, die behördenübergreifende Vernetzung zu fördern und für das Thema digitale Transformation und Kompetenzen zu sensibilisieren. Aber auch in den begleitenden Eckunkten zur OZG-Novellierung benennen wir die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung als Erfolgsfaktor für eine moderne Verwaltung. Wie bereits gesagt: Im Fokus stehen Qualifizierung und Vernetzung. Mit der fachneutralen und ressortübergreifenden Zusammenarbeitsplattform der Bundesregierung, GovLabDE, wird daher die Kooperation zwischen den Ressorts und mit Ländern, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft mit neuen Methoden in moderner Arbeitsumgebung und neuer Geschwindigkeit unterstützt. Werden europäische Vorgaben Deutschland bei der Digitalisierung auf die Sprünge helfen? Zum Beispiel sollen die Systeme der sozialen Sicherheit digital so vernetzt werden, dass Freizügigkeit besser funktioniert. Voraussetzung dafür ist ein einheitlicher Digital Gateway für alle EU-Bürger. Dessen Grundlage ist in Deutschland wiederum das Onlinezugangsgesetz, das seine Ziele bisher weit verfehlt hat. Ja, europäische Vorgaben können Deutschlands Digitalisierungsbestrebungen unterstützen. Ein Beispiel ist die Entscheidung, das nationale Once-Only-Techniksystem (NOOTS) mit den Vorgaben des Single Digital Gateway (SDG) der EU zu verknüpfen. Dies stärkt die Umsetzung des Once-Only-Prinzips in Deutschland. Für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger wird es einfacher, von Land zu Land zu wechseln, ohne bei jeder Behörde persönlich vorstellig zu werden. Für die Sozialversicherung existiert bereits ein EUweites Datenaustauschsystem, das künftig noch erweitert werden könnte. Natürlich immer unter Beachtung der bestehenden Datenschutzbestimmungen. Der Fachkräftemangel trifft den IT-Bereich im öffentlichen Dienst besonders hart. Vielen Fachkräften sind die Konditionen einfach nicht attraktiv genug. Wie kommt der Staat trotzdem an die dringend benötigten Spezialistinnen und Spezialisten? Die Konditionen und Rahmenbedingungen im öffentlichen Dienst werden zunehmend attraktiver, auch für Fachkräfte im IT-Bereich. Das Dienst- und das Tarifrecht bieten hier bereits attraktive Instrumentarien. Die Bundesverwaltung und der öffentliche Dienst als Ganzes können jedoch zusätzlich mit weiteren Stärken punkten: Arbeitsplätze, an denen man zum Gemeinwohl beiträgt, vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten und eine hohe Jobsicherheit sind hier nur einige Beispiele. Trotzdem muss der öffentliche Dienst noch stärker als attraktiver Arbeitgeber bekannt gemacht werden. Die Bundesverwaltung ist hier beispielsweise seit diesem Jahr mit der neuen Arbeitgeber-Dachmarke „Deutschland. Läuft nur mit dir.“ an den Start gegangen. Auf der dazugehörigen Karrierewebsite www.karriere.bund.de informieren wir über das Arbeiten in der Bundesverwaltung, gewähren Einblicke und werben für eine Tätigkeit in unseren Behörden. ■ FOKUS 13 dbb magazin | Dezember 2023

Barometer Digitale Verwaltung So fit ist Deutschland für die Transformation Der öffentliche Dienst steht im Spannungsfeld zwischen demografischer Entwicklung und Fachkräftemangel. Bis 2033 werden rund 1,3 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig wächst der Personalbedarf in wichtigen Handlungsfeldern. Allein zur Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung fehlen derzeit mindestens 33 000 IT-Fachkräfte in den Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen. Für die Studie „Barometer Digitale Verwaltung“ der Next:Public GmbH wurden bundesweit Beschäftigte aus der Verwaltung befragt. Sie geben Einblicke in ihren Arbeitsalltag, aus denen sich Handlungsempfehlungen für die Personalgewinnung ableiten lassen. Bisherige Studien und Umfragen haben gezeigt, dass bei der Digitalisierung der Verwaltung und insbesondere der Fachverfahren viel Luft nach oben ist: Der Staat und seine Einrichtungen müssen schleunigst digital funktionsfähig und verlässlich erreichbar sein. Denn Deutschland rangiert in Sachen digitale Prozesse der öffentlichen Verwaltung auf den hinteren Rängen im europäischen Vergleich und hat dringenden Nachholbedarf“, kommentiert dbb Chef Ulrich Silberbach die Ergebnisse der Studie, an der der dbb beteiligt war. Das erfordere eine zeitgemäße Anpassung von Arbeitsweisen und Arbeitsorganisation: „Kurzum, eine Arbeitskultur, die auf digitale Arbeitsprozesse ausgerichtet ist.“ Die Studie zeige wie ihre Vorgängerstudien, dass die Verwaltung in Deutschland noch Nachholbedarf in der Nutzung moderner digitaler Arbeitsmethoden hat. „Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung neuen Technologien und innovativen Arbeitsformen aufgeschlossen gegenüberstehen. Das muss für die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung Ansporn sein, medienbruchfreie Prozesse zu verbessern und auszubauen“, so Silberbach. „Die rasante Entwicklung in Sachen künstlicher Intelligenz zeigt, dass wir die Transformation nicht verschlafen dürfen, sondern gestalten müssen. Richtig genutzt, kann der Einsatz von KI eine Riesenchance für die Zukunft sein.“ Zufriedene Beschäftigte, antiquierte Arbeitsumfelder Einen ersten positiven Impuls gibt die Studie im Hinblick auf Zufriedenheit der Beschäftigten mit ihrer derzeitigen Tätigkeit und Position in der Verwaltung: 48 Prozent sind zufrieden, 15 Prozent sogar sehr zufrieden. In der Konsequenz sehen 71 Prozent ihre berufliche Zukunft beim aktuellen Arbeitgeber. Je jünger die Befragten allerdings sind, desto weniger sehen sie ihre berufliche Zukunft bei dem derzeitigen Arbeitgeber. Der Unterschied zwischen der jüngsten und ältesten Kohorte beträgt beachtliche 24 Prozentpunkte. Um diesen Vertrauensvorschuss einzulösen, müssen die Arbeitgeber allerdings dringend aktiv werden, denn gleichzeitig ist nur ein Viertel der Verwaltungsbeschäftigten der Meinung, dass ihr © Alex Shuper/Unsplash.com BRENNPUNKT 14 FOKUS dbb magazin | Dezember 2023

Arbeitgeber Rahmenbedingungen schafft, unter denen sie ihr volles Potenzial abrufen können. Nur 38 Prozent haben das Gefühl, durch ihr Arbeitsumfeld inspiriert zu werden und viel lernen zu können. Je jünger die Befragten, desto weniger haben sie das Gefühl, durch ihr Arbeitsumfeld inspiriert zu werden und zu lernen. Der Unterschied zwischen den U-30- und Ü-51-Jährigen beträgt 13 Prozentpunkte. Das ist insofern ein schockierendes Ergebnis, als dass gerade die jüngeren Generationen, die noch am Beginn ihres Erwerbslebens stehen, das Gefühl haben sollten, bei ihrem Arbeitgeber etwas lernen zu können. So ist auch nur jede und jeder Zweite der Meinung, dass im eigenen Team neue Ideen ausprobiert oder sich neue Fähigkeiten angeeignet werden. Ebenso bemängeln fast 40 Prozent der Befragten das Fehlen agiler Methoden und Arbeitsweisen. Das spiegelt sich auch in der Einschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bezug auf Fortbildung und individuelle Förderung wider: Nur vier von zehn Beschäftigten erhalten von ihren Arbeitgebern passende, auf ihre persönlichen Bedürfnisse und Interessen abgestimmte Lernangebote. Betrachtet man die unterschiedlichen Verwaltungsebenen, zeigt sich, dass knapp die Hälfte der Beschäftigten auf Bundes- und Kommunalebene entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten bekommt, während nur ein Drittel der Beschäftigten der Landesebene individuell gefördert wird. Die fehlende individuelle Betrachtung der Verwaltungsbeschäftigten zeigt sich auch in der mittel- und langfristigen Perspektive. Rund die Hälfte gibt an, dass ihre Führungskraft ihnen keine individuellen Entwicklungsmöglichkeiten für die weitere Karriere aufzeigt. In der Folge hat nur jede und jeder Zweite das Gefühl, mit der täglichen Arbeit in der eigenen Behörde etwas bewirken zu können. In den Missstand der ungenutzten Potenziale der Beschäftigten reihen sich die ungenutzten Chancen der Digitalisierung ein: Nur jede und jeder Dritte ist überzeugt, dass die eigene Verwaltung die Chancen der Digitalisierung nutzt, während dies knapp die Hälfte der Verwaltungsmitarbeitenden bezweifelt. Mobiles Arbeiten wird ausgebremst Die Wünsche vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach ortsflexibler Arbeit erfüllen die Arbeitgeber in der öffentlichen Verwaltung nur bedingt. Zwar hat sich mobiles Arbeiten oder „Homeoffice“ nach der Coronapandemie fest in den Arbeitsalltag der Verwaltung integriert. Dennoch liefert die Detailbetrachtung eine schockierende Feststellung: Ein nicht unwesentlicher Teil der Beschäftigten kann oder darf nicht aus dem Homeoffice arbeiten. Im Rahmen der Next:Public-Studien „Verwaltung in Krisenzeiten 1+2“ wurde ersichtlich, dass 92 Prozent der Beschäftigten auch zukünftig aus dem Homeoffice arbeiten möchten. Im Abgleich mit der Realität zeigt sich jedoch, dass 28 Prozent im Jahr 2023 nicht aus dem Homeoffice arbeiten. Aus Sicht der Arbeitgeberattraktivität lässt sich zudem eine wichtige Erkenntnis für die Verwaltungen ableiten: Je jünger die Befragten sind, desto mehr wollen sie von zu Hause aus arbeiten. Als Gründe führt rund ein Drittel an, dass fehlende durchgängig digitale Prozesse, der Widerstand von Vorgesetzten und fehlende technische Endgeräte dafür verantwortlich sind, dass sie gar nicht oder nur selten aus dem Homeoffice arbeiten können. Auf lange Sicht bedeutet das für die Verwaltungen, dass sie sich stärker als bisher auf die Arbeitsgewohnheiten der nachfolgenden Generationen einstellen müssen, um sie für sich zu gewinnen. Behörden arbeiten noch nicht digital genug Auf dem Weg zur digitalen Behörde gilt es für die Verwaltungen, sämtliche Anwendungen zu digitalisieren. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass der Digitalisierungsgrad der in den Behörden genutzten Anwendungen hohen Schwankungen unterliegt. Ein digitales Intranet sowie eine digitalisierte Zeiterfassung liegen in über 80 Prozent der Behörden vor. Auch Urlaubsanträge können immerhin 75 Prozent der Befragten digital einreichen. Knapp 70 Prozent der Beschäftigten können zudem mit digitalen Fachverfahren arbeiten. Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings auch, dass knapp ein Drittel der Beschäftigten Vorgänge physisch bearbeitet und ablegt. Im Mittelfeld liegen die Reisekostenabrechnung (61 Prozent) sowie die Buchungs- und ReservieWie zufrieden sind Sie mit Ihrer derzeitigen Tätigkeit und Position in der Verwaltung? An wie vielen Tagen pro Woche arbeiten Sie durchschnittlich im Homeoffice? Inwiefern stimmen Sie der folgenden Aussage zu: „Mein Arbeitgeber schafft Rahmenbedingungen, unter denen ich mein volles Potenzial abrufen kann.“ Grafiken: Next:Public (7) FOKUS 15 dbb magazin | Dezember 2023

rungssysteme (50 Prozent). Schlusslichter bilden das Personalwesen (37 Prozent) und das Rechnungswesen (35 Prozent). Zwei wichtige Kriterien, um die Benutzerfreundlichkeit von digitalen Prozessen zu gewährleisten, sind medienbruch- und barrierefreie Anwendungen. Ganz allgemein schätzen die Befragten, dass 39 Prozent der in ihrer Verwaltung vorhandenen digitalen Prozesse medienbruchfrei verfügbar sind. Auf der Bundesebene liegt der Wert bei 46 Prozent, auf Landesebene bei 37 Prozent und auf Kommunalebene bei 31 Prozent. eAkte und KI: Beschäftigte wollen mehr Eine der Grundlagen für vollständig digitalisierte Prozesse in Verwaltung ist die eAkte. Die Mehrheit kann vollständig (42 Prozent) oder zumindest teilweise (27 Prozent) auf eine eAkte zur Bearbeitung der Vorgänge zugreifen. Gleichzeitig steht knapp einem Drittel der Befragten keine eAkte zur Verfügung. Im Ebenenvergleich steht die eAkte auf Bundesebene für 59 Prozent der Verwaltungsmitarbeitenden vollständig zur Verfügung, während dies auf Landesebene für 35 Prozent der Beschäftigten und auf Kommunalebene für 30 Prozent der Mitarbeitenden gilt. Ferner bemängelt rund die Hälfte der Befragten die Bedienbarkeit der eAkte als schwierig. Ein Drittel kritisiert mangelnde Schulungsangebote. Dass Verwaltungsmitarbeitende Angst vor der Digitalisierung haben, bestätigt die Studie nicht. Im Gegenteil sind sie der Meinung, dass rund 38 Prozent ihrer täglichen Arbeit automatisiert werden könnten – das sind 9 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2021. Doch nicht nur hinsichtlich der Automatisierung zeigen die Befragten Offenheit. Knapp die Hälfte ist überzeugt, dass künstliche Intelligenz (KI) für die eigene Verwaltung viele Anwendungsmöglichkeiten bietet. Jedoch nutzen erst 7 Prozent diese Möglichkeit. Generell geben 70 Prozent der Befragten an, dass die Digitalisierung die eigene Arbeit erleichtert, während nur 11 Prozent dieser Aussage widersprechen. Wissen um IT-Sicherheit muss verbessert werden Trotz der großen Offenheit der Beschäftigten gegenüber der Digitalisierung müssen Arbeitgeber mehr tun, um das entsprechende Fachwissen zu vermitteln, denn das IT-Wissen der Befragten ist den Studienergebnissen nach eher durchschnittlich. Nur knapp 40 Prozent von ihnen kennen sich laut Selbsteinschätzung eher gut oder sogar sehr gut im Bereich IT-Sicherheit aus. Weniger als die Hälfte wird nach eigenen Angaben regelmäßig über Bedrohungen und Sicherheitsupdates informiert. Weitere 40 Prozent geben an, dass sie nur gelegentlich zu diesem Thema informiert werden. Auch hat nur rund ein Fünftel der Befragten Erfahrungen im Melden von IT-Sicherheitsvorfällen. In dieses Bild reiht sich ebenfalls die Erkenntnis ein, dass die Hälfte der Verwaltungsbeschäftigten nicht weiß, ob es im letzten Jahr eine IT-Sicherheitslücke in ihrer Verwaltung gab. Bezüglich der Frage, ob die eigene Behörde genug macht, um möglichen IT-Sicherheitsbedrohungen vorzubeugen, zeigt sich ein sehr durchwachsenes Bild. Während 46 Prozent der Befragten diese Frage mit Ja beantworten, erklären 40 Prozent, dass sie dies nicht einschätzen können. Weitere 15 Prozent sind überzeugt, dass die eigene Behörde zu wenig im Bereich IT-Sicherheit unternimmt. Eine Fokusbefragung der IT-Sicherheitsbeauftragten erlaubt tiefere Einblicke in ihre Arbeit und eine Einschätzung, wie es um das Thema IT-Sicherheit in den Verwaltungen bestellt ist. Fragt man die Sicherheitsbeauftragten der Behörden, sind sie sich hinsichtlich der generellen Maßnahmen zur Vorbeugung von IT-Sicherheitsbedrohungen uneinig, ob die Verwaltungen ausreichend aufgestellt sind. Etwa die Hälfte der Befragten sieht derzeit noch Verbesserungsbedarf, während die andere Hälfte den aktuellen Aufwand als ausreichend bewertet. Welche der folgenden Anwendungen sind in Ihrer Behörde bereits digital verfügbar? Inwiefern stimmen Sie den folgenden Aussagen zu? Steht Ihnen zur Bearbeitung der Vorgänge eine eAkte zur Verfügung? 16 FOKUS dbb magazin | Dezember 2023

Die Auswirkungen des Fachkräftemangels im öffentlichen Dienst sind auch im Bereich der IT-Sicherheit spürbar. Jede und jeder zweite IT-Sicherheitsbeauftragte gibt an, dass es in ihrer oder seiner Behörde derzeit vakante Stellen im Themengebiet IT-Sicherheit gibt. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass für die vakanten Stellen kaum geeignetes Personal zur Verfügung steht. Weniger als 10 Prozent der Befragten geben an, dass sie auf dem Arbeitsmarkt qualifiziertes Personal für den Themenbereich IT-Sicherheit zur Verstärkung ihres Teams finden. Knapp zwei Drittel der Befragten widersprechen dieser Aussage. Das führt dazu, dass, selbst wenn die Beschäftigten für das Thema IT-Sicherheit verantwortlich sind, es den meisten an zeitlichen Ressourcen fehlt, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Lediglich ein Drittel der Befragten erklärt, ihrer Aufgabe als IT-Sicherheitsbeauftragter in Vollzeit nachkommen zu können. Handlungsempfehlungen Die Autoren der Studie leiten aus den Ergebnissen der Beschäftigtenbefragung konkrete Handlungsempfehlungen ab, die dazu beitragen können, die Digitalisierung der Verwaltung voranzubringen und die Arbeitsplätze attraktiver zu machen. Unter anderem gilt es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter individueller zu fördern, zu schulen und sich ihre Fähigkeiten zunutze zu machen. Verwaltungen könnten etwa ein Fähigkeitenarchiv aufbauen, aus dem ersichtlich ist, welche Fähigkeiten die Beschäftigten ihrer Behörde haben, um diese gezielter einsetzen zu können. So kann bei Projekten schnell auf vorhandenes Wissen zurückgegriffen werden. Ein zusätzlicher Vorteil, Kompetenzen müssen nicht extern eingekauft werden. Künstliche Intelligenz kann und soll zwar nicht ad hoc alle Aufgaben der Verwaltungsmitarbeitenden übernehmen. Dennoch wird sie nach und nach in vielen Einsatzbereichen zur Anwendung kommen. Wenn Beschäftigte, wie die Studie ergeben hat, offen dafür sind, müssen Verwaltungen bereit sein, KI in den Arbeitsalltag zu integrieren und sich nicht in Regulierungsdiskussionen verlieren. Denn wie immer gilt: Diejenigen, die sich die Chancen der Digitalisierung zu eigen machen, werden als Sieger aus dem Veränderungsprozess hervorgehen. Im Wettbewerb um Fachkräfte, so die Autoren, sind auch die Verwaltungen bestrebt, ihren Mitarbeitenden attraktive Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Wer aber grundlegende und in den vergangenen Jahren etablierte Modelle wie Remote Work nicht ermöglichen kann oder möchte, wird es schwer haben, seine Beschäftigten langfristig zu halten oder neues Personal für sich zu gewinnen. Hier gilt es, zügig nachzusteuern, durchgängig digitale Prozesse zu etablieren und Führungskräfte für das Thema Homeoffice noch stärker zu sensibilisieren. Bei der IT-Sicherheit wird es künftig darum gehen, deutlich mehr personelle Ressourcen als bisher einzusetzen. So sollten IT-Sicherheitsbeauftragte ihrer Aufgabe nicht länger in Teilzeit gerecht werden müssen, sondern ein volles Deputat zur Verfügung gestellt bekommen. Zusätzlich gilt es, das Personal besser zu schulen, den Informationsfluss zu verbessern und die IT-Sicherheit in der Behördenlandschaft zu professionalisieren. Eine Möglichkeit dafür wäre eine stärkere Zusammenarbeit mit den öffentlichen IT-Dienstleistern. Damit Verwaltungen stets handlungsfähig sind und ihren Aufgaben gerecht werden, sollen mithilfe eines IT-Sicherheits-Audits potenzielle Schwachstellen aufseiten der IT-Infrastruktur, aber auch aufseiten der Mitarbeitenden identifiziert und verbessert werden. Der Stresstest sollte alle zwei Jahre stattfinden und von den jeweils verantwortlichen Landesämtern durchgeführt werden. Mit einem Digitalcheck für Beschäftigte, wie er seit September beispielsweise in Berlin zur Verfügung steht, kann eine Selbsteinschätzung der digitalen Kompetenzen entlang von Alltags- und Arbeitssituationen und eine Einstufung in verschiedene Niveaustufen erfolgen. Aus den Ergebnissen können individuelle Lernangebote abgeleitet werden. Digitalchecks sollten in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Insbesondere bei Neueinstellungen kann so schnell ein passendes Fortbildungsangebot in die Wege geleitet werden. Letztlich, so die Autoren, braucht der öffentliche Dienst eine Imageoffensive. Er gilt zwar als sicherer Hafen, darf sich aber nicht mit einem „Graue-Maus-Image“ zufriedengeben, sondern muss seine vorhandenen Stärken selbstbewusst vermarkten. Dazu gilt es, die Stellen im Personalmarketing zu stärken und auszubauen. br Inwiefern stimmen Sie der folgenden Aussage zu: „Ich bekomme für meine Aufgabe im Bereich IT-Sicherheit genug personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt.“ Die Broschüre „Barometer Digitale Verwaltung. Zwischen Anforderungen der Gegenwart und Herausforderungen der Zukunft“ kann kostenlos im PDF-Format heruntergeladen werden: nextpublic.de/publikationen/. Die Studie im Web Die Befragung wurde nach gängigen wissenschaftlichen Standards entworfen und getestet. Die Qualitätskontrolle wurde durch Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid, Centre for Digital Governance der Hertie School, durchgeführt. Erhebungsmethode: webgestützte Umfrage via LamaPoll im Erhebungszeitraum 10. Mai 2023 bis 26. Juni 2023. Versendung der Befragung durch den dbb beamtenbund und tarifunion an seine Mitgliedsorganisationen, per E-Mail an Funktionspostfächer auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene durch Next:Public, Aufruf über Social Media und durch die weiteren Partner der Studie. Befragt wurden 3 911 Verwaltungsbeschäftigte ab 21 Jahren, darunter 48 Prozent Männer und 49 Prozent Frauen. Die Datenbasis FOKUS 17 dbb magazin | Dezember 2023

Verwaltungsdigitalisierung Bahn frei für Digital Natives Die Digitalisierung im öffentlichen Dienst läuft schleppend. Um neue Potenziale zu heben, sollten Verwaltungen verstärkt auf die Erfahrungen junger Kolleginnen und Kollegen setzen, die mit der Digitalen Revolution aufgewachsen sind. Wer Beschäftigte im öffentlichen Dienst fragt, wie digital ihr Arbeitsumfeld ist, bekommt oft sehr frustrierende Antworten: Nahezu alle kennen überflüssige Zettelwirtschaft, viele Prozesse ließen sich schon längst digital abwickeln. Vollständig digitalisierte, smarte Arbeitsplätze? Die gibt’s im öffentlichen Dienst kaum. Zu diesem Ergebnis kommen auch zahlreiche Studien: In internationalen Rankings, wie dem E-Government Benchmark der Europäischen Kommission, schneidet Deutschland unterdurchschnittlich ab. Auch der nationale Normenkontrollrat, das Beratungsgremium der Bundesregierung für Entbürokratisierung, kritisiert regelmäßig den schlechten Digitalisierungsstand. Nicht zuletzt verdeutlichte auch die enttäuschende Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, wie viel noch zu tun ist: Eigentlich sollten Bund, Länder und Kommunen alle Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch online anbieten. Von den circa 575 Leistungen waren bis Fristablauf gerade einmal 33 verfügbar. Dieser Stand ist besonders bedauerlich, weil digitale Verwaltungsprozesse nutzerfreundlicher und effizienter sind – in der Digitalisierung schlummert enormes Potenzial. Bereits Online-Anträge mit vorgegebenen Eingabefeldern reduzieren Fehlerquellen in Anträgen. Managementsysteme, automatisierte Prozessschritte und künstliche Intelligenz können noch viel weitreichendere Verbesserungen erzielen. In der Privatwirtschaft ist die Technik längst erprobt, auch im öffentlichen Dienst gibt es einige positive Beispiele: Vorreiter sind unter anderem die Steuerverwaltung, die Bundesagentur für Arbeit und die Polizei. Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck und keine Spielerei. Sie hat das vorrangige Ziel, den Arbeitsaufwand zu reduzieren. Das ist dringend erforderlich, da aufgrund des demografischen Wandels und Fachkräftemangels im öffentlichen Dienst bereits jetzt zahlreiche Beschäftigte fehlen oder in den nächsten Jahren altersbedingt in den Ruhestand gehen werden. Mangelnde Digitalisierung gefährdet die Leistungsfähigkeit des Staates, was negative Auswirkungen mit sich bringt: einerseits im Hinblick auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, andererseits im Hinblick auf die wirtschaftliche Schlagkraft. Aber wie Digitalisierung erfolgreich umsetzen? Dies erfolgt in der Regel über Digitalisierungsprojekte. Dabei arbeiten die zuständigen Fachabteilungen mit IT-Dienstleistern zusammen. Im öffentlichen Dienst fehlt das technische Know-how, um digitale Systeme und Prozesse selbstständig aufzubauen und zu betreiben. Eine Schlüsselrolle fällt Projektmanagerinnen und -managern zu, die erforderliche Transformationsprozesse gestalten und als Schnittstelle zwischen Verwaltung und IT vermitteln. Die übergeordnete Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sowie die Standardisierung in der Verwaltungsdigitalisierung steuert der sogenannte IT-Planungsrat. Dieser entwickelt gemeinsame IT-Komponenten, wie ein zentrales Unternehmenskonto, definiert technische Standards wie Datenaustauschformate und koordiniert umfangreiche Vorhaben, darun- ter die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Wer die Digitalisierung im öffentlichen Dienst mitgestalten und in einem digitalen Arbeitsumfeld effizient arbeiten möchte, benötigt bestimmte Kompetenzen. Diese hat der IT-Planungsrat mit dem Projekt Qualifica Digitalis erarbeitet. Teils lassen sich die Kompetenzen im Selbststudium aneignen – eine Option ist der sogenannte eGovCampus, eine kostenlose Bildungsplattform. Empfehlenswerte Netzwerke, um niedrigschwellig Informationen auszutauschen, sind das Nationale E-Government-Zentrum (NEGZ) und der Verein Next. Egal ob im eigenen Team, in Digitalisierungseinheiten oder auf gewerkschaftlicher Ebene – es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich bei der Digitalisierung der Verwaltung einzubringen. Gerade junge Menschen, die als Digital Natives mit digitalen Systemen aufgewachsen sind, haben hier einen Vorteil gegenüber älteren Kolleginnen und Kollegen. Mitgestaltung lohnt sich – denn wer heute die digitalen Strukturen mitgestaltet, gestaltet seinen Arbeitsplatz von morgen. Außer einer hohen Wirksamkeit bietet die Digitalisierung auch berufliche Entwicklungsperspektiven. Deshalb rufen wir, die AG Moderner Staat, dazu auf: „Digital Natives, bringt euch ein!“ Janna Melzer STANDPUNKT Janna Melzer ist Referentin in der Hessischen Staatskanzlei und bei der Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung. Außerdem ist sie Mitglied der AG Moderner Staat der dbb jugend bund. Die Autorin Model Foto: Oleksandr Latkun/Colourbox.de 18 FOKUS dbb magazin | Dezember 2023

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