dbb magazin 12/2023

Verwaltungsdigitalisierung Bahn frei für Digital Natives Die Digitalisierung im öffentlichen Dienst läuft schleppend. Um neue Potenziale zu heben, sollten Verwaltungen verstärkt auf die Erfahrungen junger Kolleginnen und Kollegen setzen, die mit der Digitalen Revolution aufgewachsen sind. Wer Beschäftigte im öffentlichen Dienst fragt, wie digital ihr Arbeitsumfeld ist, bekommt oft sehr frustrierende Antworten: Nahezu alle kennen überflüssige Zettelwirtschaft, viele Prozesse ließen sich schon längst digital abwickeln. Vollständig digitalisierte, smarte Arbeitsplätze? Die gibt’s im öffentlichen Dienst kaum. Zu diesem Ergebnis kommen auch zahlreiche Studien: In internationalen Rankings, wie dem E-Government Benchmark der Europäischen Kommission, schneidet Deutschland unterdurchschnittlich ab. Auch der nationale Normenkontrollrat, das Beratungsgremium der Bundesregierung für Entbürokratisierung, kritisiert regelmäßig den schlechten Digitalisierungsstand. Nicht zuletzt verdeutlichte auch die enttäuschende Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, wie viel noch zu tun ist: Eigentlich sollten Bund, Länder und Kommunen alle Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch online anbieten. Von den circa 575 Leistungen waren bis Fristablauf gerade einmal 33 verfügbar. Dieser Stand ist besonders bedauerlich, weil digitale Verwaltungsprozesse nutzerfreundlicher und effizienter sind – in der Digitalisierung schlummert enormes Potenzial. Bereits Online-Anträge mit vorgegebenen Eingabefeldern reduzieren Fehlerquellen in Anträgen. Managementsysteme, automatisierte Prozessschritte und künstliche Intelligenz können noch viel weitreichendere Verbesserungen erzielen. In der Privatwirtschaft ist die Technik längst erprobt, auch im öffentlichen Dienst gibt es einige positive Beispiele: Vorreiter sind unter anderem die Steuerverwaltung, die Bundesagentur für Arbeit und die Polizei. Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck und keine Spielerei. Sie hat das vorrangige Ziel, den Arbeitsaufwand zu reduzieren. Das ist dringend erforderlich, da aufgrund des demografischen Wandels und Fachkräftemangels im öffentlichen Dienst bereits jetzt zahlreiche Beschäftigte fehlen oder in den nächsten Jahren altersbedingt in den Ruhestand gehen werden. Mangelnde Digitalisierung gefährdet die Leistungsfähigkeit des Staates, was negative Auswirkungen mit sich bringt: einerseits im Hinblick auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, andererseits im Hinblick auf die wirtschaftliche Schlagkraft. Aber wie Digitalisierung erfolgreich umsetzen? Dies erfolgt in der Regel über Digitalisierungsprojekte. Dabei arbeiten die zuständigen Fachabteilungen mit IT-Dienstleistern zusammen. Im öffentlichen Dienst fehlt das technische Know-how, um digitale Systeme und Prozesse selbstständig aufzubauen und zu betreiben. Eine Schlüsselrolle fällt Projektmanagerinnen und -managern zu, die erforderliche Transformationsprozesse gestalten und als Schnittstelle zwischen Verwaltung und IT vermitteln. Die übergeordnete Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sowie die Standardisierung in der Verwaltungsdigitalisierung steuert der sogenannte IT-Planungsrat. Dieser entwickelt gemeinsame IT-Komponenten, wie ein zentrales Unternehmenskonto, definiert technische Standards wie Datenaustauschformate und koordiniert umfangreiche Vorhaben, darun- ter die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Wer die Digitalisierung im öffentlichen Dienst mitgestalten und in einem digitalen Arbeitsumfeld effizient arbeiten möchte, benötigt bestimmte Kompetenzen. Diese hat der IT-Planungsrat mit dem Projekt Qualifica Digitalis erarbeitet. Teils lassen sich die Kompetenzen im Selbststudium aneignen – eine Option ist der sogenannte eGovCampus, eine kostenlose Bildungsplattform. Empfehlenswerte Netzwerke, um niedrigschwellig Informationen auszutauschen, sind das Nationale E-Government-Zentrum (NEGZ) und der Verein Next. Egal ob im eigenen Team, in Digitalisierungseinheiten oder auf gewerkschaftlicher Ebene – es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich bei der Digitalisierung der Verwaltung einzubringen. Gerade junge Menschen, die als Digital Natives mit digitalen Systemen aufgewachsen sind, haben hier einen Vorteil gegenüber älteren Kolleginnen und Kollegen. Mitgestaltung lohnt sich – denn wer heute die digitalen Strukturen mitgestaltet, gestaltet seinen Arbeitsplatz von morgen. Außer einer hohen Wirksamkeit bietet die Digitalisierung auch berufliche Entwicklungsperspektiven. Deshalb rufen wir, die AG Moderner Staat, dazu auf: „Digital Natives, bringt euch ein!“ Janna Melzer STANDPUNKT Janna Melzer ist Referentin in der Hessischen Staatskanzlei und bei der Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung. Außerdem ist sie Mitglied der AG Moderner Staat der dbb jugend bund. Die Autorin Model Foto: Oleksandr Latkun/Colourbox.de 18 FOKUS dbb magazin | Dezember 2023

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