dbb magazin 1-2/2024

fahr. Entbürokratisierung, Digitalisierung und Automatisierung sieht der NKR deshalb als aktive Beiträge zur Sicherung von Wohlstand und politischer Stabilität. Das erfordere auch eine Debatte über strukturelle Veränderungen: „Der im Koalitionsvertrag angedachte Föderalismusdialog muss ernsthaft geführt werden und in eine mutige Verwaltungsreform zur klügeren Aufgabenverteilung im Föderalstaat münden“, so der NKR. Bessere Gesetze erlassen Ebenso wichtig ist es nach Auffassung des NKR, den Vollzug bereits bei der Entwicklung der rechtlichen Grundlagen mitzudenken. Die bessere Verzahnung von Rechtsetzung und Vollzugsexpertise hat ein riesiges Potenzial, qualitativ bessere Gesetze zu produzieren. Deshalb kommt neu eingeführten Instrumenten wie dem Digitalcheck und dem Praxischeck eine herausgehobene Bedeutung zu. Während der Praxischeck bisher nur im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit sichtbarem Erfolg angewendet wird, sei der Digitalcheck zwar verpflichtend von allen Ressorts umzusetzen, in seiner Wirksamkeit bisher aber noch sehr begrenzt, kritisiert der NKR und fordert dessen flächendeckende Umsetzung, „noch bevor der erste Paragraf geschrieben ist“. Darüber hinaus gewähre die Politik der Legislative nicht genug Zeit, um gute Gesetze zu schreiben. Mehr Qualität in der Gesetzgebung würde aufwendige Korrekturen und Verzögerungen im Vollzug ersparen. „Doch die Bundesregierung ignoriert mit wachsender Regelmäßigkeit ihre eigene Geschäftsordnung und die darin enthaltenen Bestimmungen zur Einbindung der Ressorts, des NKR sowie betroffener Länder, Verbände und interessierter Kreise.“ Nur 25 Prozent der Gesetzgebungsvorhaben beachteten zum Beispiel die Mindestfristen. Der NKR fordert die Bundesregierung deshalb auf, der fachlichen Ausarbeitung und qualitätssichernden Überprüfung von Gesetzentwürfen mehr Zeit einzuräumen. Erforderlich ist eine verbindliche Frist von vier Wochen zur Beteiligung von Verbänden und Betroffenen. Das Bundeskanzleramt muss die Einhaltung der Geschäftsordnung gewährleisten. Fristabweichungen müssen dokumentiert und transparent gemacht werden. Politik muss strikter handeln Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärte bei der Übergabe des Jahresberichts in Berlin: „Der Befund im Berichtszeitraum von Juli 2022 bis Juni 2023 ist ein Alarmsignal: Denn die Belastungen sind in dieser Zeit weiter gestiegen. Die gute Nachricht aber ist: Wir haben die Trendwende bereits im Spätsommer eingeleitet. Mit dem Wachstumschancengesetz haben wir den Bürokratiekostenindex schon im September auf ein historisches Tief gedrückt. Und mit dem Bürokratieentlastungsgesetz werden wir diesen Trend weiter fortsetzen, um gegen das Bürokratie-Burn-out unserer Unternehmen vorzugehen. Dazu werden wir einen Referentenentwurf noch in diesem Jahr vorlegen. Darüber hinaus werden wir uns gemeinsam mit Frankreich für eine Entbürokratisierungsinitiative auf EUEbene starkmachen.“ Der größte Teil des bürokratischen Erfüllungsaufwandes folge aus der Umsetzung von EU-Richtlinien. Auch dazu hätten Deutschland und Frankreich bereits gemeinsame Beschlüsse gefasst. Nach Auffassung des NKR-Vorsitzenden Lutz Goebel zeigen die steigenden Zahlen beim Erfüllungsaufwand den wachsenden Anspruch der Politik, gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse regulatorisch zu verändern. Gleichzeitig verdeutlichten sie, was viele Unternehmen und Behörden täglich erlebten: „Immer mehr Regelungen müssen in immer kürzerer Zeit beachtet und umgesetzt werden. Der mögliche Nutzen fällt da weniger ins Gewicht. Was aus Sicht der Betroffenen zählt, ist der Aufwand, der unmittelbar entsteht. Viele sehen eine Belastungsgrenze überschritten.“ Das spiegele sich auch in dem Umstand, dass die Brandbriefe der Kommunen und die Warnungen der Wirtschaft vor Überlastung besorgniserregende Ausmaße annehmen. Hinzu komme: „Überall fehlt das Personal. Gleichzeitig hängt Deutschland bei der Digitalisierung seiner Verwaltung gnadenlos zurück. Hätten wir leistungsfähigere Strukturen, würde ein Mehr an Regulierung vielleicht weniger ins Gewicht fallen. Ein effizientes System haben wir aber nicht. Deshalb müssen wir uns bei Vermeidung und Abbau überbordender Regulierung und unnötiger Bürokratie doppelt anstrengen. Am Ende geht es um die Leistungsfähigkeit der Verwaltung und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.“ Positiv hob Goebel hervor, dass die Politik die Notwendigkeit, gegenzusteuern, erkannt habe. Das geplante Bürokratieentlastungsgesetz und weitere Einzelmaßnahmen der Regierung würden einen Entlastungsbeitrag in Milliardenhöhe leisten. Der Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung habe erhebliches Potenzial, müsse aber noch mit Leben gefüllt werden. Und auch die Initiativen von Justiz- und Wirtschaftsminister, den Bürokratieabbau auf europäischer Ebene zu forcieren, könne Verbesserungen auslösen, wenn eine intensive Begleitung durch die Bundesregierung erfolge. „Was auf Regierungsseite derzeit in Ansätzen erkennbar ist, muss in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode vertieft und in eine nachvollziehbare Strategie eingebettet werden, die über die Einzelmaßnahmen hinausgeht. Wir brauchen weniger belastende und klarere Regeln, einfachere Strukturen und digitale Verfahren“, resümierte Goebel. ■ ... des Nationalen Normenkontrollrates ist online als PDF verfügbar: t1p.de/ NKR-Jahresbericht. Der Jahresbericht ... FOKUS 21 dbb magazin | Januar/Februar 2024

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