dbb magazin 3/2024

Das Telefon klingelt, Christian Böhm nimmt ab: „Chef, komm mal runter, wir haben hier was Lebendiges im Koffer“, sagt der Kollege. Am Kontrollpunkt angekommen, wirft Böhm einen Blick aufs Röntgenbild. Schnell steht fest: Schlange – kleineres Exemplar, wahrscheinlich Python. Wird verhältnismäßig oft geschmuggelt. Routiniert, aber vorsichtig, öffnet er den Koffer. Sofort geht das Reptil in den Angriffsmodus, bäumt sich auf. Prompt schlägt der Zollbeamte den Deckel wieder zu. Schrecksekunde. So verhält sich kein Python. Professioneller Rat muss her. Christian Böhm, gebürtiger West-Berliner, leitet das Zollamt am Flughafen Berlin Brandenburg (BER). Heute steht er in dem Zimmer, das „seine Sammlung“ beherbergt, wie er sie nennt. Hier schlummern Anekdoten aus 43 Dienstjahren, auf die der 63-Jährige inzwischen zurückblicken kann. Verstaut in Regalen, ausgebreitet auf Tischplatten, drapiert in Vitrinen. Es gibt einen Pokal, der dem FIFA-WM-Pokal auffällig ähnelt, ein Löwenfell an der Wand, mitsamt ausgestopftem Kopf. Metallfiguren von Iron Man, Alien und Predator, bekannt aus Comic und Film. Eine Garderobe mit vermeintlicher Markenkleidung – Sweatshirts, Hoodies, Schuhe – und vieles mehr. Beschlagnahmtes, was nicht hier landet, lagert zunächst in der Asservatenkammer und wird mittelfristig bei extrem hohen Temperaturen verbrannt. „Die Sammlung haben wir angelegt, um der Presse, Schulklassen und anderen Besuchergruppen zu zeigen, was wir so machen und erleben“, erklärt Böhm. Und dann fährt er fort mit der Geschichte über die Begegnung mit der Schlange im Koffer, die sich noch am Flughafen in Berlin Tegel zugetragen hat. Dort war er bis zur Schließung im Jahr 2020 ebenfalls Zollamtsleiter. Kein Gegengift auf Lager Inzwischen ist der Schlangenexperte des Berliner Tierparks eingetroffen. Auch er öffnet den Koffer vorsichtig, wieder schnellt die Schlange hervor, wieder wird der Deckel in Windeseile geschlossen. „Wir machen hier gar nichts mehr“, sagt der Experte. Später, auf der Schlangenfarm, die damals noch zum Tierpark gehörte, öffnen Reptilienpfleger den Koffer, ausgestattet mit Masken, Schutzanzügen und einer speziellen Schlangenzange. „Ach du Scheiße“, rutscht es dem Schlangenexperten heraus. „Herr Böhm, wissen Sie eigentlich, was Sie da haben?“ „Ne, sonst hätte ich Sie ja nicht angerufen“, erwidert der Zollbeamte. An der Zange windet sich eine australische Braunschlange, eine der weltweit giftigsten Schlangen. Die Ausfuhr von Down Under ist verboten, die Einfuhr nach Europa ebenfalls. Offiziell gibt es die Tiere in Deutschland nicht, entsprechend ist auch nirgends ein Gegengift vorrätig. „Wenn sie uns erwischt hätte, wäre es das gewesen. Da haben wir richtig Glück gehabt.“ Auch wenn der Fall schon einige Jahre in der Vergangenheit liegt, er veranschaulicht ein Problem, das bis in die Gegenwart besteht: Der Schmuggel von Tieren, die unter das Washingtoner Artenschutzabkommen fallen, floriert. Dasselbe gilt für Objekte, die aus ihnen hergestellt werden, und geschützte Pflanzen. Laut aktueller Zollstatistik – diese bezieht sich auf das Jahr 2022 – wurden die Zöllnerinnen und Zöllner in der Bundesrepublik knapp 1 100-mal fündig. Sie beschlagnahmten etwa 64 000 Tiere und Pflanzen. Den Großteil mit 57 Prozent im Postverkehr, 38 Prozent an Flughäfen. „Manchmal handelt es sich auch um Touristen, die unwissentlich etwas mitbringen“, sagt Böhm. „Aber oft genug eben auch um skrupellose Schmuggler.“ Der erfahrene Zöllner hatte schon mit kleinen Rhesusaffen zu tun, die in einen Vogelbauer eingesperrt auf dem Gepäckband ihre Runden drehten, bis sie jemand entdeckte. Und mit acht mongolischen Sakerfalken, die mit Drähten in einem Rollkoffer fixiert und mit Medikamenten ruhiggestellt waren. Zwei Vögel haben die Tortur nicht überlebt, einer wurde schwer verletzt. „Das war mit das Grausamste, was ich je gesehen habe.“ Was mit den Tieren passiert? Der Zoll pflegt einen engen Austausch mit Tierparks und Zoos in ganz Deutschland. Trotzdem ist die Unterbringung nicht immer einfach. Die Rhesusäffchen wollte zunächst niemand aufnehmen, weil es sich um Herdentiere handelt, die sich nicht ohne Weiteres in die bestehenden Gruppen Christian Böhm leitet das Zollamt am Flughafen Berlin Brandenburg (BER). Chinesische Medikamente mit Mehl aus Tigerknochen sind in Deutschland verboten. © Jan Brenner (7) FOKUS 13 dbb magazin | März 2024

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