dbb magazin 4/2024

ARBEITSWELT Mentale Gesundheit In der Komfortzone erlangt niemand Resilienz Krisen gehören zum Leben dazu, daran lässt sich nichts ändern. Eine Expertin erklärt, wie es am besten gelingt, sich ihnen zu stellen. Corinna Slawitschka lebt bewusst und achtsam: Sie freut sich, wenn sie morgens in bester Gesundheit aufstehen darf. Abends ist sie dankbar, wenn sie einen schönen Tag hatte und es allen gut geht. Und in einem Job zu arbeiten, der sie erfüllt und glücklich macht, darin sieht sie „eine große Ehre“, sagt sie. Slawitschka arbeitet als Coach. Sie unterstützt Menschen, ihre Potenziale zu entfalten, und steht ihnen in schwierigen Situationen bei – egal ob Transformationsprozesse in Unternehmen oder private Herausforderungen. 2018 gründete die 35-Jährige „Rethink work“, eine Beratung mit Sitz in Bonn. Wichtig ist ihr, dass sich alle Konzepte auf den Alltag übertragen lassen. Denn den Wunsch nach Veränderung umzusetzen, sozusagen aus der Theorie in die Praxis zu kommen, ist oft gar nicht einfach. Ein wesentlicher Schlüsselbegriff dabei: Resilienz. Resilienz – der Begriff hat viele Facetten. Im Kern handele es sich um die innere Widerstandskraft, erklärt die studierte Betriebswirtin, sie spricht auch vom „seelischen Immunsystem“. Menschen mit einer starken Resilienz begegnen Krisen mit einer gewissen Gelassenheit, lassen sich nicht so schnell unterkriegen und stehen schneller wieder auf. Sie begeben sich nicht in die Opferrolle, sondern nehmen das Zepter in die Hand und gestalten ihr Leben. Resilienz sorgt bei Alltagsirritationen für Stresskompetenz, bei Lebenskrisen wird sie zur Überlebenskompetenz. „Und sie ist eng mit Lebensmut und Lebensbejahung verbunden, das Gegenteil von Verhärtung und Verbitterung“, ergänzt Slawitschka. Die gute Nachricht für alle, die sich schnell von Krisen aus der Bahn werfen lassen: Resilienz ist trainierbar. Ständiger medialer Druck bedeutet Stress Ob sich eine Beschäftigung mit dem Thema auch lohnt, wenn jemand glücklich ist und alles gut läuft? „Auf jeden Fall“, bekräftigt Slawitschka. Bestenfalls fange die Beschäftigung mit Resilienz sogar im gesunden, krisenfreien Zustand an. Das sei eine Möglichkeit, sich selbst besser kennenzulernen. „Zu verstehen, was potenziell Stress auslösen könnte und warum. Lernen, was einen im Krisenfall stärkt und welche Ressourcen sich aktivieren lassen. So bekommt man eine wunderbare Innenschau und wappnet sich für spätere Krisen – und die bleiben im Leben sicher nicht aus.“ Mit Blick auf die aktuelle Trendstudie „Jugend in Deutschland“, nach der 46 Prozent der 14- bis 29-Jährigen unter Stress leiden, sieht die Trainerin viele Ebenen zusammenspielen, etwa den Stressfaktor Umgang mit digitaler Kommunikation und Smartphones: „Der Druck, ständig erreichbar zu sein, macht etwas mit uns Menschen. Smartphones sind eine permanente Einladung zum Multitasking. Wir sitzen im Restaurant oder im Café, fotografieren unser Essen und laden die Bilder ins Internet. Dabei verlassen wir ständig die Gegenwart, leben nicht mehr im Hier und Jetzt, genießen nicht mehr den Moment.“ Soziale Netzwerke führen ihrer Auffassung nach dazu, dass Menschen sich ständig vergleichen. „Bin ich klug genug? Bin ich schön genug? Bin ich erfolgreich genug? Das alles raubt Zeit und vor allem Energie, was vielen Menschen gar nicht bewusst ist. Primär die junge Generation ist stark mit dem Smartphone vernetzt und deshalb besonders gestresst.“ Aber es gebe unter Jugendlichen auch andere Stressfaktoren, etwa Orientierungslosigkeit. Die junge Generation blicke, nachdem sie die Schule verlassen hat, auf die schier unendlichen Möglichkeiten der globalisierten Welt, die viel umfassender seien als früher. „Das Elternhaus und die Schule haben immer die nächsten Schritte vorgegeben und plötzlich sollen alle selbst wissen, wie ihr weiterer Weg aussehen soll. Es ist extrem herausfordernd, gute Entscheidungen zu treffen. Die vielen Möglichkeiten hemmen die Entscheidungsfreude. Das ewige Aufschieben, nicht zu wissen, wohin die Reise gehen soll, das ist ein riesiger Energieräuber. Wer die Wahl hat, hat die Qual.“ Hinzu kämen die subtil im Hintergrund lauernden multiplen Krisen unserer Zeit, die jede und jeder stets mit dem Smartphone herumtrügen. „Pandemie, Klimawandel, eine weltweit politisch angespannte Situation, Model Foto: Colourbox.de 40 SERVICE dbb magazin | April 2024

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