dbb magazin 4/2024

INTERVIEW Dr. Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Wir ersticken in Vorschriften und Bürokratie Den Substanzverlust bei Straßen, Schulen, Sportstätten und öffentlichen Gebäuden in den Gemeinden beziffert der DStGB auf derzeit rund 13 Millionen Euro pro Tag. Das sind mehr als 4,7 Milliarden pro Jahr, die zum ebenfalls von Ihrem Verband errechneten Investitionsstau von rund 166 Milliarden hinzukommen. Wie schätzen Sie den Finanzbedarf in den kommenden zehn Jahren ein und wie können die Finanzierungslücken geschlossen werden? Der Finanzierungsbedarf in den Kommunen in den kommenden Jahren ist immens. Bei den von Ihnen genannten Zahlen handelt es sich um Geld, das uns fehlt, um überhaupt den Status quo zu halten. Das bedeutet, dass wir es jetzt schon nicht schaffen, die Schulen, Straßen oder Sportstätten in einem guten Zustand zu erhalten. In den kommenden Jahren stehen aber noch große Investitionsbedarfe an, etwa bei Klimaschutz und Klimaanpassung, beim Umbau der Energieversorgung, im Mobilitätsbereich oder für die Digitalisierung. Um diese Lücken zu schließen, brauchen wir eine deutlich bessere Finanzausstattung der Kommunen und mehr Unterstützung durch Bund und Länder. Wichtig ist zudem, dass die Politik nicht immer neue, teure Leistungsversprechen abgibt, die wir dann nicht umsetzen können. Neben hohen Aufwendungen für die Daseinsvorsorge haben viele Kommunen mit Altschulden zu kämpfen. Was bedeutet das für die Handlungsspielräume der betroffenen Gebietskörperschaften? Die Kommunen, die von hohen Altschulden betroffen sind, haben kaum noch Handlungsspielräume. Vielfach steht vor Ort kein Geld für die kommunale Selbstverwaltung oder die sogenannten freiwilligen Leistungen mehr zur Verfügung. Das bedeutet, dass keine Unterstützung für Vereine, den Sport oder Kultur mehr möglich ist. Fehlende Handlungsspielräume sind eine Gefahr für die lokale Demokratie. Wo nichts mehr zu gestalten ist, fehlt auch die Motivation, sich ehrenamtlich in den Stadt- oder Gemeinderäten zu engagieren. Der Länderfinanzausgleich ist ein Schlüsselinstrument für die Finanzierung von Ländern und Kommunen. Besonders bei den Geberländern sorgt die Verteilung der Mittel immer wieder für Unmut. Sehen Sie Reformbedarf? Der Länderfinanzausgleich ist ein Instrument, das zwischen den Ländern verhandelt und austariert werden muss. Für die Kommunen ist es aber sehr wichtig, dass die Finanzausstattung vor Ort verbessert wird. Da erwarten wir – unabhängig von der Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs –, dass mehr Geld für Investitionen zur Verfügung steht. Das gemeinsame Ziel von Bund, Ländern und Kommunen sollte es sein, Investitionen Vorrang vor konsumtiven Ausgaben einzuräumen. Sie haben Bund und Länder jüngst aufgefordert, mehr Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung zu setzen. Was meinen Sie damit? Viele Dinge, die auf der Ebene von Bund und Ländern diskutiert und festgelegt werden, könnten vor Ort besser entschieden werden. Städte und Gemeinden sind die Ebene, die über Umsetzungserfahrung verfügt und nah bei den Bürgerinnen und Ich wünsche mir das Vertrauen von Bund und Ländern, dass die Kommunen mit mehr Freiheiten viele Vorhaben schneller und effektiver umsetzen können und so auf mehr Akzeptanz bei den Menschen stoßen. © Sebastain Pieknik 8 AKTUELL dbb magazin | April 2024

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