Bürgern ist. Vieles wird überreguliert und wir ersticken in Vorschriften und Bürokratie. Das zeigt sich nicht zuletzt in der Flut an Nachweispflichten bei Fördergeldern oder der immer weiter steigenden Zahl an Bauvorschriften. Ich wünsche mir das Vertrauen von Bund und Ländern, dass die Kommunen mit mehr Freiheiten viele Vorhaben schneller und effektiver umsetzen können und so auf mehr Akzeptanz bei den Menschen stoßen. Über Verwaltungsdigitalisierung wird viel gesprochen, konkrete Ergebnisse – etwa in Form funktionierender digitaler Bürgerdienste – bleiben trotzdem rar. Wer hat da den Fuß auf der Bremse? Im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung zeigt sich exemplarisch, wie komplex unsere föderalistischen Verflechtungen geworden sind und wie wenig es gelingt, sich auf ein einheitliches Vorgehen zu verständigen. Der gute Wille, Dinge voranzubringen, ist niemandem abzusprechen. Wir erleben aber zu viel Besitzstandswahrung, starke Beharrungskräfte und den Wunsch, alle digitalen Leistungen ganz genau an die bestehenden analogen Prozesse anzupassen. Das kann nicht funktionieren. Digitalisierung wird erst dann zur Entlastung der Menschen, der Wirtschaft und auch der Verwaltungen beitragen, wenn wir bereit sind, ein gewisses Maß an Vereinheitlichung zu akzeptieren. Das kann auch bedeuten, alte Zöpfe abzuschneiden und die rechtlichen Bedingungen an die Erfordernisse der Digitalisierung anzupassen. Fachpersonal wird nicht nur für die Digitalisierung gebraucht. Wie schlagen sich die Kommunen im Wettbewerb mit Bund und Ländern? Gibt es genug Nachwuchs? Wir sind bereits jetzt im Wettbewerb um die besten Köpfe und es wird für den öffentlichen Sektor immer schwieriger, junge Menschen zu gewinnen. Wir konkurrieren ja nicht nur mit Bund und Ländern, sondern in vielen Bereichen auch mit der Wirtschaft. Hier muss es uns gelingen, die unbestrittenen Stärken des öffentlichen Dienstes besser zu kommunizieren. Gleichzeitig werden wir uns aber auch auf die Erwartungen der jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen müssen. Wir müssen ein attraktives Arbeitsumfeld bieten, flexibler werden und beispielsweise auch die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten anbieten. Klar ist, dass wir nicht mehr viel Zeit zu verlieren haben, denn in den nächsten zehn Jahren wird ein Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen in den Ruhestand gehen. Diese Lücke müssen wir so gut es geht schließen. _ … (DStGB) vertritt die Interessen der deutschen Städte und Gemeinden auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Durch 17 Mitgliedsverbände sind 11 000 große, mittlere und kleinere Kommunen vernetzt. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund arbeitet parteiunabhängig und ohne staatliche Zuschüsse. Die Besetzung der Organe orientiert sich an dem Votum der Wähler bei den Kommunalwahlen. Als kommunale Interessenvertretung sorgt der DStGB mit kontinuierlicher Kontaktpflege zu politischen Entscheidungsträgern auf Bundesebene und in der Europäischen Union für die gezielte Einbindung kommunalrelevanter Themen und Positionen in politische Entscheidungsprozesse und sensibilisiert Politik und Öffentlichkeit für kommunalpolitische Interessen. Uwe Brandl, 1. Bürgermeister von Abensberg, ist seit 1. Januar 2023 Präsident des DStGB. Der deutsche Städte- und Gemeindebund … Bürokratieabbau Die überforderte Verwaltung Bürokratie erschafft sich weder selbst noch ist sie ein negativ besetzter Begriff. Bürokratie entsteht aus den Anforderungen von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Aus ausufernden Anforderungen erwächst überbordende Bürokratie, die es zu bekämpfen gilt. Wie das gelingen kann, diskutierten Prof. Paul Kirchhof, Steffen Kampeter und Dorothea Störr-Ritter auf der Frühjahrssitzung des dbb Bundesvorstandes am 19. März 2024 in Berlin. Verfassungsrichter a. D. Prof. Dr. Paul Kirchhof skizzierte das Wesen der Bürokratie in einem Impulsvortrag und konstatierte einen Vertrauensverlust in den Staat, der aus einem ganzen Strauß an Missverständnissen darüber resultiere, was Verwaltung und Bürokratie leisten müssen und was nicht. Je lauter Bürger, Wirtschaft und Politik nach Detailregelungen in allen Bereichen riefen und Risiken auf das Verwaltungshandeln abwälzten, desto mehr Bürokratie entstehe. Hinzu komme eine perfektionistische Veranlagung der Verwaltung, alle Vorgaben so detailliert wie möglich umzusetzen. Bürokratie an sich sei eine gerechte „Herrschaft der Verwaltung“, ein positiver Begriff, da sie Entscheidungen nicht aus Eigeninteresse, sondern regelbasiert treffe – und je höher die Regelungsdichte, desto mehr Bürokratie sei erforderlich, um die Regelungen umzusetzen. Daher gelte es nicht, Bürokratie abzubauen, sondern deren Übermaß. Kirchhof gab zu bedenken, dass unsere Gesellschaft auf gegenseitigem Vertrauen fuße. Im Vertrauensverlust in den öffentlichen Dienst manifestiere sich in diesem Sinne ein Versagen des Staates, nicht des Berufsbeamtentums, das bestrebt ist, alle Vorgaben rechtssicher umzusetzen. In diesem Zusammenhang sei Unfehlbarkeit kein Prinzip: „Ganz praktisch organisieren wir ein System der Fehlerhaftigkeit unter Vermeidung von Fehlerquellen. Unfehlbarkeit ist darin nicht möglich.“ Als Beispiel nannte Kirchhof das bürokratielastige Informationsfreiheitsgesetz oder den überbordenden, politisch motivierten Verkauf von Rechten, etwa beim Emissionshandel: Durch den Rechtehandel entstünden AKTUELL 9 dbb magazin | April 2024
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