dbb magazin 5/2023

benennen. „Darüber hinaus sollte sie endlich bestimmen, was sie unter einer bezahlbaren Stromversorgung versteht. Die von ihr geregelten Strompreisbestandteile muss sie konsequent auf ihre energiepolitischen Ziele ausrichten“, heißt es in dem Bericht. Umweltverträglichkeit berücksichtigen Zwar gestehen auch die Experten des Bundesrechnungshofes dem Ausbau erneuerbarer Energien für eine treibhausgasneutrale Energieversorgung überragende Bedeutung zu. Zugleich seien damit jedoch auch negative Auswirkungen auf die Umwelt verbunden: Knappe Flächen und Ressourcen würden in Anspruch genommen, die Biodiversität beeinträchtigt. Umweltschutzrechtliche Verfahrensstandards habe die Bundesregierung einerseits im Zuge der Energiekrise abgesenkt, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Andererseits habe sie es aber bis heute versäumt, ein wirksames Ziel- und Monitoring-System für eine umweltverträgliche Energiewende einzuführen. Das sei jedoch notwendig, um unerwünschte Wirkungen der Energiewende auf einzelne Schutzgüter frühzeitig zu erkennen und angemessen nachsteuern zu können. Grundlage der Entscheidungen müsse ein wirksames Monitoring sein. Scheller geht hart mit der Bundesregierung ins Gericht: „Unser Bericht zeigt: Die bisherigen Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende sind ungenügend und bergen deshalb gravierende Risiken für die energiepolitischen Ziele“, warnt Scheller. „Die Bundesregierung ist im Verzug beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze sowie beim Aufbau von Back-up-Kapazitäten. Hinzu kommen Wissenslücken über die Umweltwirkungen der Transformation und kein Konzept gegen hohe Strompreise. Zugleich fehlt ihr ein integriertes Monitoring der Energiewende, das alle energiepolitischen Ziele in den Blick nimmt. So läuft die Bundesregierung Gefahr, dass mögliche Konflikte zwischen den energiepolitischen Zielen ungelöst bleiben. Sie sollte schnellstmöglich Kurskorrekturen vornehmen. Die Risiken für die Energiewende und damit für unseren Wohlstand sind groß. Die Bundesregierung sollte unsere Prüfungsfeststellungen nutzen, um die aufgezeigten Defizite abzustellen.“ Kritik und Zustimmung Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wies die Kritik als überzogen zurück. Er warf dem Bundesrechnungshof eine „erstaunliche Wahrnehmung“ vor, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun habe, zitierte der Deutschlandfunk den Minister am 11. März 2024. Man könne nicht sagen, die Bundesregierung tue nicht genug, um die Energieversorgung zu sichern, die Preise herunterzubringen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Habeck verwies in diesem Zusammenhang auf Fortschritte beim Netzausbau und auf sinkende Strompreise. Der Ausbau der erneuerbaren Energien habe zudem Fahrt aufgenommen. Die Bundesregierung setze gerade das um, was jahrzehntelang von den früheren Bundesregierungen verstolpert worden sei. Rückendeckung erhielt Habeck vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt des DIW, sagte im Deutschlandfunk, die Bundesregierung habe sehr viele Dinge auf den Weg gebracht. An der einen oder anderen Stelle hapere es noch, doch insgesamt gehe es in die richtige Richtung. Das von der Bundesregierung angepeilte Ziel, bis 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energien von 80 Prozent zu erreichen, sei möglich. Kemfert kritisierte darüber hinaus die Forderung des Bundesrechnungshofes, vermehrt Gaskraftwerke zu bauen, als zu teuer und negativ für den Strompreis. Durch den vermehrten Bau von Wind- und Solarkraftwerken würde die Energieerzeugung dagegen effizienter, was sich langfristig in einem sinkenden Strompreis niederschlagen würde. Aktuell habe sie den Eindruck, die Kritiker würden Investitionen mit Kosten verwechseln. Bei der politischen Opposition fiel die Kritik des Bundesrechnungshofes hingegen auf fruchtbaren Boden: „Deutschland hat ein Stromproblem“, sagte CDU-Fraktionsvize Jens Spahn auf Tagesspiegel Online am 7. März 2024 und forderte „einen Sparplan für die Energiewende und eine Pragmatismuswende“. Konkret müsse es mehr oberirdische Leitungen geben, Kernkraftwerke müssten reaktiviert und alle Technologien effizient genutzt werden. „Der Solarausbau allein kostet mehr als er bringt, weil der Netzausbau nicht Schritt halten kann“, so Spahn. Statt erhöhter Netzentgelte brauche es niedrigere Stromsteuern für alle. Aus der Ampelkoalition äußerte sich der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, auf Tagesspiegel Online: „Der Rechnungshofbericht verdeutlicht eindringlich, dass Robert Habeck seinen einseitigen Erneuerbarenausbau dringend korrigieren muss.“ Versorgungssicherheit und günstiger Strom müssten gewährleistet werden, die Gesetzesvorhaben gehörten auf den Prüfstand: „Das Solarpaket muss neu ausgerichtet werden, um den Ausbau günstiger und stärker am Bedarf zu orientieren.“ Der komplette Bericht des Bundesrechnungshofes: t1p.de/sonderbericht br Foto: Oleksandr Zozulinskyi/Colurbox.de 16 FOKUS dbb magazin | Mai 2024

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