dbb magazin 5/2023

Drei Fragen an Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes Klimaschutz ist nicht automatisch Naturschutz Die Energiewende gleicht der Quadratur des Kreises: Energie soll grüner werden, der Energiebedarf wird dadurch aber kontinuierlich steigen. Das immense Investitionsaufkommen wird Energie zudem verteuern. Zumindest mittelfristig werden alle mehr für Energie bezahlen müssen. Kommuniziert die Bundesregierung das nicht klar genug? Die Umsetzung der Energiewende stellt eine enorme Herausforderung dar, auch in finanzieller Hinsicht. Bei der Stromversorgung bieten die erneuerbaren Energien den Vorteil niedriger Stromentstehungskosten. Diese gewährleisten aber keineswegs zwingend eine preisgünstige Stromversorgung. Vielmehr entstehen beim Umbau des Stromsystems weitere Kosten, sogenannte Systemkosten, beispielsweise durch den Netzausbau. So betragen die Ausbaukosten für die Übertragungsnetze an Land und auf See bis zum Jahr 2045 mindestens 313,7 Milliarden Euro. Für den Ausbau der Verteilernetze nennt die Bundesnetzagentur bislang eine Größenordnung von 150 Milliarden Euro. Das Management von Netzengpässen kostet absehbar mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Die von Stromkunden zu zahlenden Entgelte und Umlagen dürften daher künftig erheblich steigen. Die Übertragungsnetzentgelte haben sich bereits im Jahr 2024 verdoppelt. Bisher hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz diese Systemkosten in der Öffentlichkeit jedoch nicht transparent dargestellt. Die Energiewende erfordert moderne und belastbare Stromnetze. Neben dem Ausbau erwägt Deutschland auch den Erwerb bislang privatwirtschaftlich betriebener Übertragungsnetze. Trägt das zur Versorgungsstabilität bei? Leistungsfähige Stromnetze sind notwendig für die sichere Stromversorgung. Die Energiewende erfordert einen massiven Ausbau sowohl der Übertragungs- als auch der Verteilernetze. Der Ausbau der Übertragungsnetze liegt aber sieben Jahre und 6 000 Kilometer hinter dem Plan zurück. Und der Netzausbaubedarf steigt weiter. Der Bund erwägt, sich an den Übertragungsnetzbetreibern zu beteiligen beziehungsweise hat dies bereits getan. Wie sich dies auf die Versorgungssicherheit auswirkt, hängt insbesondere davon ab, ob eine Beteiligung die Ursachen des Ausbauverzugs adressiert: Sofern der Netzausbau beispielsweise an der Finanzierung scheitert, könnte sich eine Beteiligung – mit den guten Finanzierungsbedingungen des Bundes – positiv auf den Netzausbau auswirken. Zugleich stellt sich die Frage, ob der Bund diesen Zweck nicht mindestens ebenso gut ohne Beteiligung erreichen könnte, beispielsweise in Form von Gewährleistungen oder Garantien. Auch muss der Bund bei seinen Beteiligungen dafür sorgen, dass er angemessenen Einfluss auf die Unternehmen hat. Nur dann kann er gewährleisten, dass diese das wichtige Bundesinteresse verfolgen. Ob eine Beteiligung des Bundes an den Netzbetreibern zur Versorgungsstabilität und auch zur Bezahlbarkeit beiträgt, bleibt also abzuwarten. Mit Blick auf die nachhaltige und umweltverträgliche Umsetzung der Energiewende empfiehlt der Bundesrechnungshof der Bundesregierung, ein wirksames Ziel- und Monitoringsystem zu etablieren. Welche Aspekte sind Ihnen dabei besonders wichtig? Die Energiewende ist wesentlich für das Erreichen der Klimaschutzziele. Klimaschutz ist jedoch nicht automatisch Naturschutz. So besteht eine Herausforderung darin, den Naturraum und die Ökosysteme nicht mehr als nötig zu beeinträchtigen. Der Bundesregierung liegen zahlreiche Erkenntnisse zu negativen Umweltwirkungen erneuerbarer Energien vor. Diese muss sie systematisch dazu nutzen, um diese unerwünschten Umweltwirkungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die Bundesregierung muss positive wie negative Wirkungen der Energiewende – jenseits des Klimaschutzes – auf die einzelnen Schutzgüter der Umweltverträglichkeit erfassen. Das betrifft die Inanspruchnahme von knappen Flächen und Ressourcen ebenso wie die Beeinträchtigung der Biodiversität. Dabei braucht sie klare Ziele, an denen sie die tatsächliche Entwicklung messen kann. Nur dann kann sie Zielabweichungen frühzeitig erkennen und nachsteuern. Denn es gilt, die Energiewende im Konkreten so auszugestalten, dass sie die Umwelt möglichst wenig belastet. _ Kay Scheller © Bundesrechnungshof FOKUS 17 dbb magazin | Mai 2024

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