dbb magazin 5/2023

Schieneninfrastruktur Wie ein milliardenschwerer Investitionsstau die Verkehrswende bedroht Nur jeder dritte Fernzug im deutschen Bahnverkehr kam 2023 pünktlich ans Ziel. Der Grund? Nicht Streiks, sondern Baustellen. Über Jahrzehnte kaputtgespart, ist das Schienennetz der Deutschen Bahn so marode, dass die Verkehrswende ernsthaft gefährdet ist. Was tun? Bis 2030 muss Deutschland seine CO₂-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent senken. Das verlangt das deutsche Klimaschutzgesetz. Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr: Dies sind die größten CO₂-Emittenten. Energiewirtschaft und Industrie erreichen ihre Zwischenziele, der Gebäudesektor verfehlt sie 2023 nur noch knapp. Anders im Bereich Verkehr: Trotz leichter Senkung der Emissionen gegenüber dem Vorjahr wird der für 2023 angepeilte Wert um 13 Millionen Tonnen überschritten. Über 22 Millionen Tonnen CO₂ sollten hier bis 2030 eingespart werden. Bis zu 800 Passagiere befördert ein einziger ICE, bis zu 2 000 Tonnen Fracht ein einziger Güterzug. Im besten Falle angetrieben mit Ökostrom. Im Güterverkehr lassen sich damit die Treibhausgasemissionen pro Tonnenkilometer um das Siebenfache im Vergleich zur Beförderung auf der Straße senken, im Personenfernverkehr pro Personenkilometer um das Vierfache, im Personennahverkehr um das Siebenfache. Der leichte Rückgang des CO₂-Ausstoßes im Verkehrssektor 2023 geht laut den Daten des Umweltbundesamtes primär auf eines zurück: die abnehmende Fahrleistung im Straßengüterverkehr. Damit Deutschland seine Klimaschutzziele, zu denen es sich national wie international verpflichtet hat, einhalten kann, muss es seinen – derzeitigen wie zukünftigen – Personen- und Frachtverkehr, wie diese Zahlen nahelegen, weitgehend auf die Schiene verlegen. Verkehrs- und Mobilitätsexperten, Umweltverbände, Gewerkschaften, Interessenverbände wie die Allianz pro Schiene oder der Fahrgastverband Pro Bahn, auch die Deutsche Bahn, weisen seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten darauf hin. Mit wachsender Dringlichkeit. Doch die Grundvoraussetzung für einen funktionstüchtigen Schienenverkehr ist: ein funktionstüchtiges Schienennetz. „Das System läuft nicht mehr“ Dass es daran hapert, ist mittlerweile unübersehbar geworden: Zugausfälle, Verspätungen, Umleitungen, der kurzfristige Ausfall eigentlich vorgesehener Halte auf der Strecke, temporäre oder dauerhafte Streckenstilllegungen sind für Bahnreisende und -beschäftigte keine Ausnahmen mehr, sondern Alltag. Das liegt nicht nur, aber ganz wesentlich an dem maroden Zustand der Infrastruktur. „Seit der Bahnreform 1994, eigentlich schon seit den 1970er-Jahren“ sei in Deutschland zu wenig in die Schiene investiert worden, äußerte sich DB-Fernverkehrsvorstand Michael Peterson im März 2023 gegenüber der „Zeit“. Ganz anders in unseren Nachbarländern: „Die Schweiz investiert das Fünf- bis © Stefan Wildhirt/Deutsche Bahn AG 18 FOKUS dbb magazin | Mai 2024

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