STANDPUNKT Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des dbb „Unsere Demokratie ist stark. Für sie kämpfen müssen wir trotzdem.“ © Andreas Pein Viele Menschen sind hinsichtlich der Erosion demokratischer Normen besorgt. dbb Chef Ulrich Silberbach ruft alle demokratischen Kräfte auf, den Dialog zu suchen und Kompromisse zu finden. Der dbb Bundesvorstand hat jüngst das Positionspapier „Demokratie stärken – Zusammenhalt fördern“ beschlossen. Was ist der Hintergrund? Der Zusammenhalt in der Gesellschaft bröckelt. Populismus und Extremismus sind auf dem Vormarsch, das spüren wir alle jeden Tag. Das gilt nicht nur für die politischen Ränder, sondern für praktisch alle Teile der Gesellschaft. Ob zwischen Regierung und Opposition, Stadt und Land oder Arbeitgebern und Gewerkschaften; ob bei Politikfeldern wie Klimaschutz, Wirtschaft oder Verkehr. Überall gilt: Unterschiedliche Positionen und ein Ringen um die beste Position gab es schon immer. Aber heute werden Konflikte immer unversöhnlicher ausgetragen. Der Kompromiss scheint in Verruf geraten zu sein, auch medial wird fast nur noch nach „Gewinnern“ und „Verlierern“ gefragt. Diese Sicht auf die Welt ist brandgefährlich, denn – wie es in der Politikwissenschaft heißt: Demokratien sterben in der Mitte. Was bedeutet das konkret? Wenn der Staat und seine Institutionen an Akzeptanz verlieren, ist das Wasser auf die Mühlen von Extremisten. Wir sehen ja aktuell in den Umfragen, dass die Menschen zunehmend bereit sind, den einfachen und damit verlockenden Parolen der Scharfmacher zu folgen. Schon bei der anstehenden Europawahl könnte das verheerende Folgen haben, denn echte Lösungen haben diese Leute ganz sicher nicht. Aber auch im Alltag spüren wir die Konsequenzen dieser Entwicklung. Rücksichtslosigkeit und Gewalt nehmen zu. Beleidigungen und „Hatespeech“ sind längst nicht mehr nur auf den digitalen Raum beschränkt. Auch körperliche Übergriffe werden mehr – gerade auf Repräsentanten des Staates, darauf weisen wir schon lange hin. Dem will sich der dbb entgegenstellen? Ich bin fest überzeugt: Unsere Demokratie ist stark. Für sie kämpfen müssen wir trotzdem. Immer wieder aufs Neue. Alle demokratischen Kräfte sind deshalb gut beraten, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen. Den dbb und seine Mitglieder sehe ich dabei sogar in einer tragenden Rolle. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung und das Bekenntnis zu ihr stellen schließlich die Handlungsgrundlage für unsere gewerkschaftspolitische Arbeit und ebenso für die Arbeit der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dar. Wir stehen gemeinsam für Pluralismus, Solidarität sowie einen respektvollen Umgang ein. Jegliche Formen von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – wie Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus oder Antifeminismus – sowie Hass, Hetze und Gewalt haben bei uns keinen Platz. Das haben Sie aber schon früher gesagt. Brauchte es dafür ein neues Positionspapier? Es stimmt, ich habe das ähnlich schon zuvor gesagt. Aber dieser neuerliche Beschluss des dbb Bundesvorstands ist trotzdem rich4 AKTUELL dbb magazin | Mai 2024
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