dbb magazin 6/2024

den, erzählt Seeger über den Zustand etwa seines eigenen Büros. Auch die Dämmung der Betonaußenhülle des Gebäudes ist nicht so ausgeführt, wie in den Bauunterlagen von 1984 angegeben. Eine klimagerechte Sanierung sei daher dringend erforderlich, aber enorm aufwendig, zumal alle Leitungen, mit denen das Opernhaus versorgt wird, über das Funktionsgebäude verlaufen. Die Funktionsbauten stehen hinter dem Hauptgebäude und sind mit diesem durch verglaste Brücken verbunden. So bewegen sich Tänzer und Sängerinnen in Maske und Kostüm stets innerhalb des Gebäudekomplexes, wenn sie zwischen Bühne und Garderoben hin- und herwechseln. Da dies auch während der Bauphase so bleiben soll, müsse, so Seeger, zunächst ein Interimsbau her. Er rechnet mit acht Jahren Bauzeit; allein für die Baufeldfreimachung veranschlagt er wegen der Leitungen im Boden und der im Dresdner Stadtzentrum stets notwendigen Kampfmittelräumung anderthalb Jahre. Nach der Zwischennutzung während der Generalsanierung des Funktionsgebäudes wird der zu errichtende Neubau in einen ersten Teil des Probebühnenzentrums umgewandelt. Hinter der Bühne Jens Kühn bewegt sich gelassen durch die Bühnendekorationen der MozartVorstellung vom Vorabend. Bereits nach der Aufführung und am frühen Morgen hatten sie die Bühne umgebaut: von der „Zauberflöte“ zu „Kabanová“. Ganz am Rande stehen schon die meterlangen rollbaren Transportkisten mit Bühnenteilen für den Abend. Wenn die Probe gegen 13 Uhr beendet sein wird, geht die Bühnentruppe an den zweiten Umbau des Tages. Sie bauen dann „Kabanová“ ab und „Romeo und Julia“ auf. Die Arbeit ist trotz Fahrstühlen und Bühnentechnik körperlich mitunter hart. „Irgendwann im Laufe des Auf- wie des Abbaus muss jedes Bühnenteil auch mal mit Muskelkraft bewegt werden“, weiß Kühn aus jahrzehntelanger Erfahrung. Als Dekorateur kümmert sich Kühn auf der Bühne insbesondere um Bodenbeläge, Vorhänge, Möbel, hilft aber selbstverständlich auch den Bühnentechnikern mit den größeren Bühnenteilen. Immer mal sei er auch sichtbar in die Vorstellung eingebunden: Er würde dann kostümiert auf offener Bühne arbeiten. Und die Zuschauer nähmen die Veränderungen durchaus wahr. Kühn erzählt von einem Umbau während eines Orchesterzwischenspiels in Richard Wagners „Meistersinger“: Wenn sich der Vorhang nach nur 70 Sekunden wieder öffnet und die Bühne sich komplett verändert hat, gibt es oft spontanen Applaus. Offensichtlich sind auch die technischen Abläufe ein durchchoreografierter Teil jeder Inszenierung. Und: „Kein Tag ist hier wie der andere.“ Kühn freut das. Der erste vom Architekten Gottfried Semper 1838 bis 1841 gestaltete Bau im Stil der Frührenaissance fiel 1869 einem Feuer zum Opfer. Semper betreute dessen Wiederaufbau – vom Ausland aus, da er wegen seiner Beteiligung an den Maiaufständen 1849 polizeilich verfolgt wurde. Der zweite Bau wurde am 13. Februar 1945 zerstört – und, auf den Tag genau, 40 Jahre später mit dem „Freischütz“ wiedereröffnet. Auch dieser dritte Bau orientierte sich an den Plänen Sempers. Komponisten wie Heinrich Schütz, Richard Wagner und Richard Strauss begründeten den Ruhm des Hauses; „Tannhäuser“, „Rienzi“, „Der fliegende Holländer“, „Salome“, „Elektra“, „Der Rosenkavalier“ und viele andere Meisterwerke erlebten hier ihre Uraufführung. Hier spielt die Sächsische Staatskapelle Dresden, 1548 gegründet und eines der weltweit traditionsreichsten Orchester; der von Carl Maria von Weber gegründete Opernchor feierte 2017 seine ersten zwei Jahrhunderte. In der laufenden Saison 2023/24 hat die Semperoper 23 Opern, vier Ballettinszenierungen und zwei Konzertprogramme im Repertoire, zehn Stücke werden neu inszeniert, davon sind drei Uraufführungen und eine ist eine deutsche Erstaufführung. Das Haus verfügt über 1 300 Plätze; es werden 277 Vorstellungen gespielt, die Sächsische Staatskapelle Dresden gibt zwölf Symphoniekonzerte und geht außerdem mit Orchesterprogrammen auf Tourneen. Im Jahr 2023 kamen 326 800 Besucher und Besucherinnen ins Haus. Die Auslastung lag bei etwa 88 Prozent, da die Normalisierung der Besuchernachfrage nach der Coronapandemie noch etwas Zeit benötigt; 2024 liegt sie bisher bei 94 Prozent. Mit Beginn der Saison 2024/25 im September wird das Haus von der Schweizerin Nora Schmid als neuer Intendantin geleitet werden. Semperoper: Tragödie und Triumph Den Leiter der Schlosserei-Rüstkammer, Ralf Seurich, treiben Nachwuchssorgen um. Die Waffen sind zu einem Teil historischeStücke aus der jeweiligen Zeit. Aus Sicherheitsgründen ist die Waffenkammer verschlossen. Jens Kühn 16 FOKUS dbb magazin | Juni 2024

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