dbb magazin 6/2024

Arbeitszeit Weniger Arbeit für manche wäre gut für alle Jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit. Das liegt vor allem an Männern, die zu viel arbeiten. Es wäre an der Zeit, genau das zu ändern. MEINUNG … David Gutensohn ist stellvertretender Ressortleiter ZEIT ONLINE Arbeit. Der Autor … Es gibt wohl keine Forderung, über die in den vergangenen Monaten so viel gestritten wurde, wie die der Arbeitszeitverkürzung. Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer hat die 35-Stunden-Woche durchgesetzt, andere Gewerkschaften finden Gefallen an der Viertagewoche. Es reicht Gewerkschaften nicht mehr, nur höhere Löhne zu fordern – und das ist gut so. Denn von einer Reduzierung der Arbeitszeit würden nicht nur Unternehmen profitieren, die Fachkräfte suchen. Die Viertagewoche wäre vor allem für Frauen sinnvoll. Es mag zunächst paradox klingen, aber wenn alle weniger arbeiten, können manche mehr tun. Derzeit arbeitet laut neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts jede zweite Frau in Teilzeit, während nur 13 Prozent der Männer so arbeiten. Vor allem Mütter arbeiten überproportional häufig mit weniger Wochenstunden: 67 Prozent von ihnen sind in Teilzeit, aber nur neun Prozent aller Väter. Das liegt hauptsächlich daran, dass Väter weniger Sorgearbeit übernehmen und Frauen häufiger Angehörige pflegen oder sich um den Haushalt kümmern. Denn auch wenn moderne Väter betonen, dass sie die sogenannte Care-Arbeit fair aufteilen wollen, kommt es nur selten dazu. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ermittelt regelmäßig den Gender Care Gap, der besonders dann groß ist, wenn Paare Kinder bekommen. In dieser Zeit leisten Frauen neun Stunden unbezahlte Sorgearbeit am Tag, Männer nur etwa drei. Ja, 43 Prozent der Väter gehen inzwischen in Elternzeit, die allermeisten aber oft nur für zwei Monate. Das ist natürlich zu wenig, wenn man das mit den zehn Monaten vergleich, die Frauen im Schnitt nehmen. Und damit beginnt die Ungleichheit. Bis zur Geburt eines Kindes ist der Gender Pay Gap, der die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen angibt, recht gering. Frauen sind im Schnitt sogar besser ausgebildet und qualifiziert als Männer und schließen ihr Studium oder eine Ausbildung schneller und erfolgreicher ab. Doch einige Jahre später liegt die Lohnlücke zwischen Mann und Frau bei 18 Prozent – vor allem in Deutschland, wo der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen mit knapp 50 Prozent einer der höchsten in Europa ist. Und dies gilt nicht nur für die ersten Erziehungsjahre, auch wenn die Kinder in den Kindergarten und in die Schule gehen. In der Folge werden Frauen abhängig vom Gehalt ihrer Männer, was in vielerlei Hinsicht problematisch ist. Um genau das zu verhindern, wäre es hilfreich, sich mit der Arbeitszeitverkürzung für alle zu beschäftigen. Denn mit einer Viertagewoche würde nicht unbedingt weniger, aber anders gearbeitet. Die Arbeit würde gerechter verteilt. Erstens könnten Frauen dann häufiger ihr Potenzial ausschöpfen und ihre Teilzeitstellen aufstocken. Frauen könnten mehr verdienen, der Gender Pay Gap würde schwin- den. Auch könnten Frauen häufiger Karriere machen und in Führungspositionen kommen, wenn sie an vier Tagen in Vollzeit statt wie heute an drei Tagen in Teilzeit arbeiten. Zumindest wäre es für sie einfacher möglich, im Unternehmen sichtbarer zu sein. Zweitens würde die Viertagewoche dazu führen, dass Männer weniger arbeiten – und damit auch viele Väter. Sie könnten den zusätzlichen Tag nutzen, um sich mehr in die Familie einzubringen, falls sie das noch nicht tun. Sie könnten die Kinder in die Kita und zu Arztterminen bringen, sie vom Sportverein abholen und nachmittags mit ihnen die Hausaufgaben machen. Laut Befragungen wären viele Männer dazu bereit, einige wünschen sich das sogar, nur setzen sie es in der Realität zu selten um. Mit einer Viertagewoche gäbe es auch keine Ausreden mehr, weshalb sich Väter nicht mehr zu Hause einbringen. Der Slogan der Arbeiterbewegung „Samstags gehört Vati mir“ könnte ersetzt werden durch „Freitags gehört Vati mir, montags Mutti“. Dasselbe würde für die restliche Care-Arbeit zu Hause gelten. Frauen hätten mehr Zeit, um fürs Alter vorzusorgen, während ihre Partner zu Hause die Wäsche waschen, den Müll rausbringen und für die Kinder oder Angehörige kochen. Anders zu arbeiten, wünschen sich übrigens sowohl Frauen als auch Männer. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung würden 17 Prozent der Frauen ihre Wochenarbeitszeit erhöhen. Gleichzeitig möchte jeder zweite Mann weniger arbeiten. Mit einer Viertagewoche für beide wäre genau das häufiger möglich. David Gutensohn © Dan Burton/Unsplash.com FOKUS 25 dbb magazin | Juni 2024

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