dbb magazin 6/2024

werden allerdings nicht von Zendis selbst, sondern von verschiedenen Entwicklerstudios für Zendis entwickelt oder bereitgestellt. Collabora Online liefert Text-, Präsentations- und Tabellenprogramme als Äquivalent zu Word, PowerPoint und Excel; Open-Xchange bietet ein Mailprogramm. Die Dateiverwaltung, welche auch eine Cloud- und Teilenfunktion hat, stammt von Nextcloud. Auch eine Funktion für Videocalls hat openDesk, diese wird von element/jitsi bereitgestellt. Darüber hinaus gibt es Projektmanagement von OpenProject, Wissensmanagement von XWiki, ein Zeichen-/Grafikprogramm von CryptPad und ein virtuelles Whiteboard von Nordeck. Das Ganze ist in einem von univention programmierten Portal eingebettet. Das wichtigste Merkmal des Projekts: Alles ist Open Source. Dies gilt sowohl für die einzelnen Komponenten als auch für openDesk selbst. Da der Quellcode allen frei zur Verfügung steht, müssen keine teuren Lizenzen mehr erworben werden. Die Benutzeroberfläche wurde bei den beteiligten Programmen so angepasst, dass sie visuell aus einem Guss sind. Trotz der unterschiedlichen Entwickler sind die Programme untereinander verknüpft. So lassen sich beispielsweise die mit dem Textprogramm von Collabora erstellten Dokumente im Explorer von Nextcloud speichern und als Mail von Open-Xchange weiterleiten. In einem nächsten Schritt sollen mehr Module hinzukommen, sodass die Nutzerinnen und Nutzer frei wählen können, welche Programme sie auf ihrem openDesk verwenden. Das ist eine der Grundideen von Open Source: Wenn jemand ein besseres Programm entwickelt, soll es für alle nutzbar sein. Alte Probleme für neue Technik Und wie funktionieren die Programme? Die wenigen Testberichte – openDesk ist noch nicht für die Allgemeinheit zugänglich – lassen sich mit „überwiegend gut“ zusammenfassen. Das IT-Magazin Golem.de kam bei einem umfangreichen Test zum Schluss, dass openDesk grundsätzlich zwar schnell und zuverlässig funktioniert, jede Anwendung aber kleinere Macken hat. Auch die oben angesprochene Vernetzung der Programme fällt unterschiedlich gut aus. Golem.de bemängelt auch, dass die Grundausrüstung von openDesk dem neuesten Stand der Technik hinterherhinkt: „Für fast alle der Anwendungen im Verbund gibt es heute bessere Alternativen, die jetzt beweisen können, wie gut sie sich in openDesk integrieren können.“ Die Software ist aktuell bei einzelnen ausgewählten Behörden und Organisationen in der Testphase und soll ab 2025 breiter verfügbar sein. Sofern sie bis dahin fertig ist. Denn im Rahmen des neuen Bundeshaushalts wurde das Budget für Zendis von 45 Millionen Euro auf 19 Millionen gekürzt. Nach Recherchen der ZEIT hat das Zendis dieses Budget zudem noch gar nicht erhalten. Es ist auch nicht das erste Mal, dass sich das Projekt im deutschen Bürokratiedschungel verheddert. Seit dem Start vor eineinhalb Jahren streitet sich das Zendis mit dem BMI über Raumnutzung und Miete. Die Stelle von Zendis-Chef Andreas Reckert-Lodde wurde nie offiziell ausgeschrieben und es ist fraglich, ob er bleibt, wenn die offizielle Stellenausschreibung kommt. Auch der offizielle Arbeitsauftrag für openDesk durch den Bund steht noch aus. Ursprünglich wollte das BMI das Projekt in einem strukturschwachen Raum, am besten in Ostdeutschland ansiedeln, entschied sich dann aufgrund der besseren Verkehrsanbindung und dortigen Universität für Bochum. Phönix aus der digitalen Asche openDesk ist nicht das erste deutsche Open-Source-Projekt für die Verwaltung. Davor hatten sich schon die Stadt München und der norddeutsche IT-Dienstleister Dataport an eigenen MicrosoftAlternativen versucht. LiMux, wie das Verwaltungsprogramm der Stadt München hieß, wurde trotz eines vielversprechenden Starts von der Politik ignoriert. Mittlerweile laufen auf allen Rechnern wieder die MicrosoftProgramme. dPhoenix von Dataport steckt seit einem Jahrzehnt im Entwicklungs-Limbus. Nach Einschätzung der Expertinnen und Experten von Golem.de hat das Zendis allerdings „in zwei Jahren mehr Messbares auf die Beine gestellt als Dataport in zehn Jahren vorher“. Dennoch waren die vorangegangenen Projekte nicht umsonst. Sie zeigen, dass es für digitale Souveränität langfristigen politischen Willen braucht. Im Falle von dPhoenix konnte Zendis dank Open Source Teile des Quellcodes für die Programmierung von openDesk weiterverwenden. In poetischer Weise steht der Phönix aus seiner digitalen Asche wieder auf. Doch es ist fraglich, wie stark der politische Wille dieses Mal ist. Noch ist das BMI alleiniger Gesellschafter des Zendis. Thüringen und Schleswig-Holstein wollen ebenfalls als Gesellschafter einsteigen, vier weitere haben Interesse bekundet, aber das Finanzministerium blockiert den Deal. Schleswig-Holstein will allerdings nicht länger auf eine Open-Source-Lösung warten und hat Anfang April kurzerhand per Kabinettsbeschluss festgelegt, auf allen Behördenrechnern Microsoft Office durch die Open-Source-Anwendungen von LibreOffice zu ersetzen. Gleichzeitig hat das Innenministerium mit dem US-Softwareunternehmen Oracle einen Milliardenvertrag mit einer Laufzeit von sieben Jahren vereinbart. Für die Zendis-Mitarbeitenden, die immer noch auf ihre 19 Millionen Euro warten, sind das gemischte Signale. Wenn die Politik ein gutes Word für das Projekt einlegen würde, wäre das exzellent, denn aktuell zeigt der Outlook aus den Windows nur wenig Power. Point. dsc © opendesk.de FOKUS 29 dbb magazin | Juni 2024

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