TARIFPOLITIK Europäische Betriebsräte Betriebsratsrichtlinie wird reformiert Das Europäische Parlament fordert mehr Rechte für europäische Betriebsräte. Die Europäische Kommission hat Anfang 2024 einen ersten Reformvorschlag der Europäischen Betriebsratsrichtlinie vorgelegt. Für den Entwurf (EBR-Richtlinie 94/45 EG und 2009/38 EG) hat die EU-Kommission 2023 die europäischen Sozialpartner konsultiert. Auf Basis der so entstandenen Vereinbarung folgte Anfang 2024 der erste Legislativvorschlag der Kommission. Zu den bisherigen Kernaufgaben des Europäischen Betriebsrats gehören die Unterrichtung und Anhörung in grenzüberschreitenden Unternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten. Der Europäische Betriebsrat ist kein Betriebsrat im Sinne der deutschen Betriebsverfassung, sondern mehr mit einem Wirtschaftsausschuss vergleichbar. Er verfügt nicht über Mitbestimmungsrechte. Zu den wichtigsten Änderungen gehören unter anderem, dass alle Arbeitnehmen- den multinationaler Unternehmen in der Europäischen Union beziehungsweise im Europäischen Wirtschaftsraum ausnahmslos die Einrichtung des Europäischen Betriebsrats beantragen können. Zudem erfuhr der in der Richtlinie enthaltene Begriff „länderübergreifende Angelegenheiten“ eine Konkretisierung, die sicherstellen soll, dass der Europäische Betriebsrat die Arbeit der nationalen Anhörungs- und Unterrichtungsgremien lediglich ergänzt. Hierbei sind Überschneidungen unerwünscht, da die nationalstaatliche Souveränität stets gewahrt bleiben soll. Zusätzlich wurde das Informationsrecht des Europäischen Betriebsrats gestärkt, indem Unternehmungsleitungen jetzt begründen müssen, warum sie die Weitergabe von Informationen einschränken. Der Reformvorschlag sieht ferner ausgewogene Geschlechterverhältnisse in Verhandlungsgremien vor. Ebenso sind Verbesserungen beim Rechtsschutz geplant. Die Europäische Union der unabhängigen Gewerkschaften (CESI) betont, dass ein starker, integrativer sozialer Dialog und Tarifverhandlungen der Schlüssel für die Aufrechterhaltung und den weiteren Ausbau eines Ausgleichs zwischen wettbewerbsfähigen Unternehmen und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind. Unzulänglichkeiten in den bisherigen Regelungen führen dazu, dass die Europäischen Betriebsräte mit Mängeln und Hindernissen in ihrem Einrichtungsverfahren sowie ihrer effektiven und sinnvollen Arbeit konfrontiert sind. Die CESI begrüßt daher die Initiative der Europäischen Kommission, die derzeitige Richtlinie zu überarbeiten, um die Rolle und die Kapazität des Europäischen Betriebsrats zu stärken. Die CESI nennt als Prioritäten für eine Überarbeitung unter anderem die Definition des Begriffs „länderübergreifende Angelegenheit“. Dieser müsse geschärft werden. Auch müsse die Definition des Begriffs „Anhörung“ geschärft werden. Zudem müsse der Umfang und die Art der „Vertraulichkeitsbeschränkungen“ geklärt werden. Die CESI fordert darüber hinaus, dass das Verfahren und die Bedingungen zur Gründung vereinfacht werden müssten, um eine schnellere Einrichtung zu ermöglichen. Bei Nichteinhaltung der Richtlinie sollten den Mitgliedstaaten schärfere Sanktionen drohen. Außerdem müsse eine angemessene finanzielle, materielle und rechtliche Unterstützung für den Europäischen Betriebsrat sichergestellt werden. Bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie richtet sich die Geltung des jeweiligen Umsetzungsgesetzes nach dem Sitz der zentralen Leitung des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe. Es ist das Recht des Landes anwendbar, in dem die zentrale Leitung ihren Sitz hat. In Deutschland ist die Europäische Betriebsratsrichtlinie durch das Europäische-Betriebsräte-Gesetz umgesetzt. Der Entwurf zur EBR-Richtlinie wird zunächst im Trilog, einer Art Vermittlungsausschuss zwischen den drei gesetzgebenden Institutionen, der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat, diskutiert. Dabei kann es noch zu Änderungen am Gesetzestext kommen. Die Verabschiedung wird vermutlich erst nach der Europawahl im Juni 2024 erfolgen. Ab diesem Zeitpunkt greift die zweijährige Frist für alle Vereinbarungen des Europäischen Betriebsrats, die nachverhandelt werden müssen. _ Model Foto: Colourbox.de 6 AKTUELL dbb magazin | Juni 2024
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