dbb magazin 6/2024

ÖFFENTLICHE FINANZEN © Unsplash.com/Getty Images 6. Tragfähigkeitsbericht Appell für Strukturreformen Am 20. März 2024 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Sechsten Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen veröffentlicht. Der Bericht informiert einmal pro Legislaturperiode über die langfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen. Im Fokus des Berichts stehen gesamtstaatliche Projektionen der demografieabhängigen Ausgaben in den Bereichen der Alterssicherung, Gesundheit und Pflege, der Arbeit sowie in den Bereichen Bildung und Familie für den Zeitraum bis 2070. Eine große Rolle spielt der demografische Alterungsprozess, der sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter verschärfen wird und von dem unter anderem die Rentenversicherung und die anderen Sozialversicherungszweige betroffen sind. Mit Blick auf die langfristige Entwicklung der öffentlichen Haushalte stellt das BMF fest, dass der demografische Wandel die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen langfristig gefährden wird. Obwohl die jüngste Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts deutlich günstiger ausfällt als vorherige, steht den jüngeren Jahrgängen eine große Anzahl von sogenannten „Babyboomern“ gegenüber, die dem Arbeitsmarkt schrittweise verloren geht. In diesem Zuge wird sich auch der Bezug von Alterssicherungsleistungen erhöhen. Demnach könnten die alterungsbedingten öffentlichen Ausgaben bis zum Jahr 2070 unter ungünstigen Bedingungen von 27,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2022 auf 36,1 Prozent im Jahr 2070 steigen. Unter günstigen Bedingungen erreichen sie bis zum Jahr 2070 „nur“ 30,8 Prozent des BIP. Die steigenden Ausgaben werden dann zu einem Anstieg der gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizite führen. Unter günstigen Annahmen könnte der Schuldenstand nach den Projektionen bis zum Jahr 2070 auf rund 140 Prozent des BIP steigen, unter ungünstigen Annahmen auf etwa 365 Prozent des BIP. Damit hat sich die sogenannte fiskalische Tragfähigkeit im Vergleich zum vorangegangenen Tragfähigkeitsbericht 2020 verschlechtert. Neben den demografischen Faktoren verstärken höhere Ausgaben durch die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg sowie eine wenig dynamische wirtschaftliche Entwicklung den Negativtrend. Zur Verbesserung der Situation schlägt das BMF unter anderem vor, eine konjunkturgerechte Haushaltskonsolidierung zum Aufbau finanzpolitischer Puffer einzuleiten, um Spielräume für Zukunftsinvestitionen und zur Überwindung künftiger Krisen zu schaffen. Eine effiziente, vorausschauende Finanzpolitik und ein effizienter Mitteleinsatz zur Dynamisierung der wirtschaftlichen Entwicklung sollen die Tragfähigkeit stärken. Dafür sind laut Bericht Strukturreformen erforderlich, die der alterungsbedingten Ausgabenentwicklung entgegenwirken und die gesetzlichen Sozialversicherungen zukunftsfest machen: zum einen durch eine stärkere Ausschöpfung des inländischen Erwerbstätigenpotenzials, indem Anreize für einen längeren Verbleib im Arbeitsleben und für eine weiter steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen verbessert werden. Und zum anderen durch eine erleichterte Zuwanderung für qualifizierte Fachkräfte und schnelle Integration in den Arbeitsmarkt. Im Bereich Gesundheit und Pflege soll stärker darauf geachtet werden, den demografisch bedingten Anstieg der Gesundheitsausgaben insbesondere über das Heben von Effizienzpotenzialen zu begrenzen. Hierfür sieht der Bericht die im Grundgesetz verankerte Schuldenregel als Fundament an. „Die Ergebnisse des Sechsten Tragfähigkeitsbericht sind ein Appell an die Politik, Strukturreformen in allen relevanten Politikbereichen anzustoßen“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner zur Veröffentlichung des Berichts. Die aktuelle Ausgestaltung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sei in ihrer jetzigen Form langfristig nicht finanzierbar. „Bei der Rentenversicherung haben wir mit dem Generationenkapital bereits einen ersten Schritt gemacht. Die Renditepotenziale der Kapitalmärkte werden wir für die gesetzliche Rente nutzen und damit einen neuen Baustein einführen, der das System weniger abhängig macht von der demografischen Entwicklung in Deutschland“, so Lindner weiter. Außerdem gelte, dass das Fundament für einen zukunftsfesten Sozialstaat eine starke Wirtschaft sei. „Daher müssen wir den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig stärken, indem wir wichtige Standortfaktoren endlich wieder in den Blick nehmen. Dazu gehören weniger Bürokratie, ein wettbewerbsfähiges Steuersystem und eine moderne Infrastruktur. Wir haben jetzt die Chance, mit den richtigen Stellschrauben die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen langfristig zu sichern.“ rh AKTUELL 7 dbb magazin | Juni 2024

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