dbb magazin 7-8/2024

wesentlicher Bestandteil des Arbeitszeitgesetzes bleiben, um Raum für die notwendige Erholung zu lassen. Laut Koalitionsvertrag sollen Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice erhalten. Wann ist mit einer gesetzlichen Regelung zu rechnen und wie könnte sie aussehen? Mobile Arbeit gehört inzwischen bei bis zu einem Viertel der Beschäftigten zu ihrer Arbeitsrealität, obwohl viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus rein faktischen Gründen überhaupt nicht mobil arbeiten können. Die, die es können, dürfen schon jetzt mit einem entsprechenden Wunsch an ihren Arbeitgebenden herantreten. Bisher lässt die angekündigte Regelung weiter auf sich warten. Der Bund ist hier am Zug. Grundsätzlich sollten Unternehmen zeitweises Homeoffice nur aus betrieblichen Gründen ablehnen oder einschränken können. Ein Erörterungsanspruch wäre damit ein erster Schritt, um den Wunsch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer offiziell anmelden und das Unternehmen zu einer Positionierung bewegen zu können. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 14. Mai 2019 und dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 2022 steht übrigens noch ein neues Gesetz zur Arbeitszeiterfassung aus … Die Pflicht zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist inzwischen höchstrichterlich sowohl auf europäischer als auch auf Bundesebene festgestellt. Ich erwarte, dass der Bund diese Pflicht und besonders die Aufzeichnungsmodalitäten zeitnah auch gesetzlich verankert. Die Arbeitgebenden sind angehalten, zur Aufzeichnung ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten. Hierzu und zu weiteren arbeitszeitlichen Regelungen gibt es auf Bundesebene weiterhin Abstimmungsbedarf. Dennoch ist die Rechtsprechung bereits heute verbindlich zu beachten und in den Betrieben umzusetzen. Stichwort Arbeitsschutz: 2019 hatte die ASMK die Einführung einer jährlichen Mindestbesichtigungsquote von fünf Prozent der im jeweiligen Bundesland vorhandenen Betriebe mit Zielkorridor bis 2026 vereinbart. Die Vorgaben wurden im Arbeitsschutzkontrollgesetz fixiert. Gibt es überhaupt genug Personal für mehr Kontrollen? Wie viele Branchen ist auch der öffentliche Dienst von einem Fach- und Arbeitskräftemangel betroffen. Hinzu kommt, dass nun alle Länder zusätzliches Personal benötigen. Die Leistungsfähigkeit des deutschen Arbeitsschutzsystems hängt neben der anforderungsgerechten Umsetzung der Arbeitsschutzvorgaben durch die Arbeitgebenden maßgeblich von der Beratung und Überwachung der Betriebe durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden ab. Das hat die Coronapandemie eindrucksvoll gezeigt. Aus diesem Grund ist die Stärkung der staatlichen Arbeitsschutzaufsicht ein wichtiges Ziel und spiegelt sich im Arbeitsschutzkontrollgesetz wider. Hinzu kommt, dass es nicht nur um zusätzliches Personal, sondern auch um die Optimierung der Prozesse der Arbeitsschutzaufsicht geht. Die Anzahl der Betriebsbesichtigungen sinkt seit Jahren. Hier kann durch Aufgabenkritik und Digitalisierung vieler Prozesse der Anteil der Betriebsbesichtigungen bei gleichbleibendem Personal erhöht werden. Das Elterngeld ist seit seiner Einführung nie erhöht worden. Wird es seiner Intention, Eltern nach der Geburt ihres Kindes finanziell abzusichern, überhaupt noch gerecht? Die Elterngeldhöhe ist sowohl in der niedrigsten als auch in der höchsten Einkommensstufe nicht mehr angemessen, um entsprechend der vom Gesetzgeber ursprünglich intendierten Lohnersatzfunktion zu wirken. Hierzu müssen die Mindest- und Höchstbeträge grundsätzlich auch in regelmäßigen Abständen angepasst werden. Hamburg hat in Anlehnung an die Weiterentwicklung anderer Lohnersatz- und Sozialleistungen eine Überprüfung der Mindest- und Höchstsätze in einem zweijährigen Abstand vorgeschlagen. Der Vorschlag wurde im Rahmen der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene bereits im Jahr 2021 eingebracht und fand Berücksichtigung im Koalitionsvertrag. Eine Umsetzung konnte allerdings aufgrund der Beanspruchungen des Bundeshaushaltes bisher nicht erfolgen. Im Gegenteil: Es wurden beim Elterngeld sogar Einsparungen für die Bezieherinnen und Bezieher hoher Einkommen vorgenommen. Die Spielräume sind daher leider sehr eng. Wir werden das Thema weiterhin im Blick behalten und wieder aufgreifen, sobald realistische Umsetzungsoptionen bestehen. Bitte werfen Sie zum Schluss einen Blick in die Glaskugel: Wie werden Digitalisierung und KI Arbeitswelt und Verwaltung verändern? Die Transformation der Arbeitswelt durch die Digitalisierung ist eine der aktuellen Megatrends am Arbeitsmarkt. Wir sind bereits mittendrin in der fortschreitenden Digitalisierung. Bei KI stehen wir noch am Anfang, sodass Umbrüche durch Software wie ChatGPT, aber auch durch Erfindungen wie den Pflegeroboter zeitnah noch viel stärker in das Bewusstsein aller Menschen rücken werden. Darin besteht auch die Chance auf den Ersatz beziehungsweise die teilweise Abnahme einfacherer und anstrengender Tätigkeiten durch Digitalisierung und KI. Und es könnte auch ein kleiner Teil der Antwort auf den bereits bestehenden Fachkräftemangel in vielen Branchen sein. Ich kann aber auch nachvollziehen, dass es in diesem Zusammenhang Vorbehalte und Ängste gibt. Hier werden eine konsequente Weiterbildung und Qualifizierung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unerlässlich sein, um sie fit für die Arbeitswelt von heute und morgen zu machen. _ „Arbeitszeitrecht ist immer und zuallererst Gesundheitsschutz.“ „Die Elterngeldhöhe ist sowohl in der niedrigsten als auch in der höchsten Einkommensstufe nicht mehr angemessen.“ FOKUS 11 dbb magazin | Juli/August 2024

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==