Projekt an, weil sie für die Vorbereitungen mehr Zeit brauchten. Und: Die ursprünglich angedachte Umsetzung nach der Formel 100-80-100 – 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Arbeitszeit bei 100 Prozent Bezahlung – ließ sich nicht aufrechterhalten. Knapp die Hälfte der Unternehmen (48 Prozent) reduzierte die Arbeitszeit um maximal zehn Prozent. Das eine Modell für alle gibt es nicht. Die beteiligten Unternehmen testen die unterschiedlichsten Varianten: vom Zehn-Stunden-Tag (mit verlängerten Pausenzeiten) bis hin zur Reduzierung der Arbeitszeit auf 32 Stunden. Je nach Branche, spezifischer Tätigkeit, Auftragslage und Kapazitäten. Die meisten Firmen kommen aus dem Mittelstand, aber auch einige Großunternehmen sind dabei. Wie viele nach Abschluss der Testphase (der Abschlussbericht ist für Oktober geplant) an den jeweils gefundenen Modellen festhalten wollen, ist noch offen. Andreas Mayr von der Schreinerei Mayr, in der nun in bestimmten Arbeitsbereichen an vier Tagen im Zehn-Stunden-Tag gearbeitet werden kann, wird das Modell auf jeden Fall weiter anbieten. Obwohl sich wirtschaftlich die Vor- und Nachteile „die Waage halten“, konnte er seit der Umstellung bereits drei neue Handwerker einstellen. Die Möglichkeit der Vier-Tage-Woche sei dafür nicht allein ausschlaggebend, aber ein gewichtiges Argument gewesen, so Mayr gegenüber der „Zeit“. Carola Weise, Geschäftsführerin beim Kinderhaus Nürnberg, einem gemeinnützigen Träger mit gut 200 Mitarbeitenden, bestätigt dies gegenüber derselben Zeitung: „Wir haben im ersten Quartal dreimal so viele Bewerbungen bekommen wie im gleichen Zeitraum vor einem Jahr.“ Auch wirtschaftlich und hinsichtlich der betrieblichen Abläufe sei das neue Modell machbar. Sie werde es daher – neben der Fünf-Tage-Woche – auf jeden Fall beibehalten. Effizienz Wenn aber – idealerweise – 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Arbeitszeit erbracht werden müssen, ändert dies die Betriebsabläufe erheblich. „Effizienz“ wird dabei zum Schlüssel. Laut der Initiatoren setzen überraschend viele der teilnehmenden Mittelständler bei der Suche nach entsprechenden Strategien auf Digitalisierung und KI – obwohl gerade dem Mittelstand „oft vorgeworfen wird, bei solchen Themen langsam zu sein“, so Intreprenör-Geschäftsführer Carsten Meier gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Das Experimentieren mit neuen Arbeitsmodellen könnte also in Bereichen einen Schub auslösen, in denen Deutschland Aufholbedarf hat. Und Mitarbeitende motivieren, sich diesen oft angstbesetzten Themen aufgeschlossener als bisher zu nähern. Dass Vollzeit nicht unbedingt mit Effizienz identisch ist, darauf verweist auch die Münchner Professorin Yasmin Weiß. Die Spezialistin für „Future of Work“ und Personalmanagerin hält die Fokussierung auf die geleisteten Arbeitsstunden für irreführend. Entscheidender sei die Frage: „Wie effizient arbeiten wir?“ Gerade daran aber hapere es häufig noch. Erst wenn Effizienzgewinne tatsächlich realisiert werden können, seien Forderungen nach Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich angebracht, so Weiß gegenüber dem „Focus“. Ansonsten drohe Wohlstandsverlust. Arbeit nach Maß 4 200 deutsche Arbeitgeber warben im April 2024 bereits mit der Vier-Tage-Woche, 1 100 mehr als im Jahr zuvor. Gerade Arbeitskräfte in umkämpften Branchen – Bau, Handwerk, Gesundheit und Pflege – können mittlerweile häufiger auf dieses Modell zurückgreifen. Ohnehin sind gerade diese besonders hart vom Arbeitskräftemangel betroffenen Wirtschaftszweige bei der Gestaltung der Arbeitszeit besonders kreativ. Dabei ist die VierTage-Woche nur ein Modell unter vielen. Was sie eint: Arbeit nach Maß statt starrer Arbeitszeiten. Da kann auch ein Blick ins Ausland lohnen. In Schweden beispielsweise haben einige Pflegeeinrichtungen das „3+3“-Modell eingeführt. Auf drei Tage Arbeit folgen drei Tage frei. Mitarbeitende des Stockholmer Karolinska-Krankenhauses etwa kommen so auf 85 Prozent einer Vollzeitstelle, bei vollem Gehalt. Das rechnet sich, weil Wochenend- und Feiertagszuschläge entfallen, Überstunden um 50 Prozent und Krankheitstage um 40 Prozent zurückgingen sowie die Recruiting-Kosten erheblich sanken. Denn es gab auch signifikant weniger Kündigungen. Größere Zufriedenheit im Job, weniger Fehlzeiten durch Stress und Krankheiten, einfacheres Recruiting – diese Hoffnungen verbinden sich mit den verschiedenen Arbeitszeitmodellen. Zumal sich mit steigender Lebenserwartung auch die Lebensarbeitszeit verlängern wird. Alle zehn Jahre um sechs Monate, prognostizieren die Wirtschaftsweisen. Längst nicht jede und jeder will weniger arbeiten – aber so, dass sich diese Lebensarbeitszeit auch möglichst gesund und familienfreundlich erfüllen lässt. Der Faktor Zeit, und zwar solche zur freien Verfügung, ist dafür ein wesentlicher Baustein. Denn die ist „Reichtum an sich“. Andrea Böltken Model Foto: Angel Cortijo Nieto/Colourbox.de 18 FOKUS dbb magazin | Juli/August 2024
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