Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ist das größte Wirtschaftsforschungsinstitut. Es hat untersucht, wie sich das Gesamtvolumen der Arbeit und die Wochenarbeitszeit seit der Wiedervereinigung entwickelt haben. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im April 2024. Die Datenbasis lieferten die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) und das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), das derzeit jährlich etwa 30 000 Menschen in knapp 22 000 Haushalten befragt. Das SOEP ist nicht nur Name der Panelstudie, sondern auch eine Abteilung innerhalb des DIW. DIW: höheres Gesamtvolumen, geringere Wochenarbeitszeit Ein zentrales Ergebnis der Studie: Noch nie haben die Beschäftigten so viel gearbeitet wie im Jahr 2023. Insgesamt kommen sie auf rund 55 Milliarden Stunden. Zum Vergleich: 1991 waren es 52 Milliarden, im Jahr 2005 mit 47 Milliarden deutlich weniger. Der Trend zur Mehrarbeit besteht seit 2005. Weiterhin kommt die Studie zu dem Schluss, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit trotz Mehrarbeit gesunken ist. Wie das zusammenpasst? Ursache, so die Autoren, sei die erhöhte Erwerbsbeteiligung von Frauen. Sie sei zwischen 1991 und 2022 um 16 Prozentpunkte auf 73 Prozent gestiegen. Im Durchschnitt arbeiten Frauen etwa 33 Stunden, bei den Männern sind es 40. Insgesamt ist fast die Hälfte der Frauen in Deutschland teilzeitbeschäftigt. Bemerkenswert: Laut aktueller Ausgabe des Monitors öffentlicher Dienst, den der dbb jährlich herausgibt, waren 83,74 der Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst im Jahr 2023 Frauen. Aus der DIWAnalyse geht hervor, dass Frauen noch immer deutlich mehr Zeit für Kinderbetreuung und Hausarbeit aufwenden als Männer. Die Studie ist – ausgehend von diesen Erkenntnissen – der Frage nachgegangen, ob bei den Beschäftigten der Wunsch besteht, die Erwerbsarbeit zu erhöhen. Mit anderen Worten: ob sie unterbeschäftigt sind. Hier sprechen die SOEP-Daten laut DIW eine eindeutige Sprache: Der Anteil der Frauen, die ihre Arbeitszeit aufstocken möchten, ist demnach höher als der Anteil der Männer. Das treffe besonders auf Frauen in Westdeutschland zu. Und vor allem treffe es auf Mütter zu, die als Fachkräfte beschäftigt sind – also auf dem Arbeitsmarkt dringend benötigt werden. Im Jahr 2021 lag der Anteil der weiblichen, unterbeschäftigten Fachkräfte bei 19 Prozent. Von dieser Ausnahme abgesehen sei es grundsätzlich so, dass die Unterbeschäftigung mit abnehmendem Qualifikationsniveau steigt, konstatiert das Forschungsteam. Von den Frauen und Männern, die etwa einen Minijob haben, würden jeweils 37 Prozent mehr arbeiten wollen. Was folgt aus alldem? Zum einen, dass ungenutztes Potenzial an Fachkräften auf der Strecke bleibt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen konkrete Vorschläge, wie sich die weiblichen Fachkräfte, die gerne mehr arbeiten möchten, mobilisieren lassen: Investitionen in Kitaplätze und Ganztagsschulen sowie großzügigere Elternzeitregelungen für Väter. Denn für Mütter ist es immer noch schwierig, Familie und Beruf zu vereinbaren. Zum anderen zeigt die Tatsache, dass mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt sind: Der Trend in Deutschland geht vom Einverdiener- zum Zweiverdienerhaushalt. Eine Reform der Lohnsteuerklassen und des Ehegattensplittings könnte dazu beitragen, dass es sich für Zweitverdienende mehr lohnt, die Arbeitszeit auszuweiten, so das DIW. Bestrebungen, steuerfreie Überstunden als Instrument für die Mobilisierung einzusetzen, sieht es kritisch. Dies würde die bestehende Rollenverteilung weiter zementieren, da mutmaßlich die Männer mit dem höheren Einkommen ihre Arbeitszeit ausweiten und Überstunden machen würden, heißt es. IW: Alle wollen weniger arbeiten Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln gilt als arbeitgebernahes Forschungsinstitut. In einer Studie, die im Mai 2024 veröffentlicht wurde, haben die Forschenden ermittelt, dass nicht Aktuelle Studienlage Wie halten Sie es mit der Arbeitszeit? Manche wollen mehr arbeiten, andere weniger – Letzteres gilt vor allem für die Generation Z. So lautet zumindest eine verbreitete Annahme. Doch aktuelle Studien zeichnen ein anderes Bild und liefern auch darüber hinaus bemerkenswerte Erkenntnisse. © Timon Studler/Unsplash.com 20 FOKUS dbb magazin | Juli/August 2024
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