bloß die junge Generation weniger arbeiten möchte, sondern auch die ältere. Darin sieht das IW eine Bedrohung für den Wohlstand. Die Studie basiert ebenfalls auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels, die sich auf den Zeitraum von 2007 bis 2021 beziehen. Gegenstand der Analyse sind abhängig Beschäftigte, Minijobs eingeschlossen. Nicht mitberücksichtigt sind Schülerinnen und Schüler, Studierende sowie Auszubildende. Das IW konstatiert für den betrachteten Zeitraum einen Rückgang der im Durchschnitt gewünschten Arbeitszeit um gut drei Wochenstunden – und zwar nicht ausschließlich für die Altersgruppe bis 25 Jahre. Im Fall der 26- bis 40-Jährigen hat sich die gewünschte Arbeitszeit um rund zwei Stunden reduziert, im Fall der über 40-Jährigen sind es knapp drei. Die Analyse nach Geschlechtern ergibt für das Jahr 2021 folgendes Bild: Frauen möchten im Durchschnitt 29,5 Wochenstunden arbeiten, bei den Männern sind es 35,4 Stunden, also rund sechs Stunden mehr. Die Forschenden heben hervor, dass sich die Werte angenähert haben. Demnach wollten Männer Anfang der Zweitausenderjahre noch neun Wochenstunden mehr arbeiten als Frauen. Die Schlussfolgerungen: Aus Sicht des IW ist der Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten problematisch. Insbesondere, weil er in die Zeit des demografischen Wandels fällt, in der das Angebot an Arbeitskräften knapp ist. Die Ausweitung der Arbeitszeit sei eine wichtige Stellschraube, unterstreicht das Forschungsinstitut. Die Politik müsse Bedingungen schaffen, die es für Arbeitnehmende attraktiv macht, die Zahl der Wochenstunden zu erhöhen. Denn es sei fraglich, ob es gelingen kann, den Austritt der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Arbeitsmarkt auszugleichen, etwa durch Zuwanderung. IAB: Gewünschte Arbeitszeiten sind stabil geblieben Weniger alarmierend als das IW bewertet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) – das ist die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit – die Situation. Es stellt fest, dass bei den Vollzeitbeschäftigten zwar der Wunsch besteht, etwas weniger zu arbeiten, die gewünschten Arbeitszeiten über die Jahrzehnte jedoch bemerkenswert stabil geblieben seien. Auch für diese Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Daten des SOEP zurückgegriffen. Die Forschungsergebnisse wurden im November 2023 veröffentlicht. Auffällig ist, dass das IAB ebenfalls die gewünschte Arbeitszeit für das Jahr 2021 analysiert hat, aber zu anderen Ergebnissen kommt als das Institut der deutschen Wirtschaft: Diese habe im Fall der Frauen durchschnittlich bei 34,7 Wochenstunden gelegen, bei den Männern bei 36,8. (Laut IW wünschten sich die Frauen 29,5 Wochenstunden, die Männer 35,4.) Während die Frauen ihre Arbeitszeit gerne um 6,2 Stunden reduzieren wollten, seien es bei den Männern 5,5 Stunden gewesen. Wie es im Fall der Teilzeitbeschäftigten um die gewünschte Arbeitszeit steht, hat das Team vom IAB gesondert betrachtet: Demnach wollen Frauen durchschnittlich 25,3 Wochenstunden arbeiten, Männer 28,1. Diese Zahlen seien im Zeitverlauf relativ stabil geblieben. Insgesamt hält es das IAB nicht für gesichert, dass der Trend bei den Vollzeitbeschäftigten, weniger arbeiten zu wollen, anhält. Dafür spräche aus Sicht der Forschenden, dass der Großteil der Vollzeitbeschäftigten der Einführung einer VierTage-Woche nicht abgeneigt gegenübersteht – allerdings nur, wenn damit keine Einkommenseinbußen verbunden sind. „Das passt in ein Bild, aus dem sich kein starker Rückgang der Arbeitszeitwünsche ableiten lässt, sondern vielmehr eine moderate Verkürzung“, heißt es im Forschungsbericht. Ein weiteres Fazit: Nicht allein die Debatte um die Länge der Arbeitszeit sei entscheidend. Auch auf mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit komme es aus Sicht der Beschäftigten an. Das IAB resümiert: „Arbeitszeitwünsche ändern sich im Lebensverlauf immer wieder, beispielsweise aufgrund von Pflegearbeit und der beruflichen Autonomie; deshalb sollten Arbeitszeiten individuell und je nach Lebensphase angepasst werden können.“ Und welches Fazit lässt sich aus allen drei Studien ziehen? Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung haben die Menschen in Deutschland noch nie so viel gearbeitet wie im Jahr 2023. Laut Institut der deutschen Wirtschaft ist das perspektivisch immer noch zu wenig, zumal alle Beschäftigten über alle Altersgruppen hinweg weniger arbeiten möchten – nicht bloß die Generation Z. Und laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist die Lage im Hinblick auf die gewünschten Arbeitszeiten nicht dramatisch, weil diese als moderat zu bewerten sind. Die drei Institute bringen ausgehend von ihren Studienergebnissen im Kern folgende Maßnahmen in die politische Debatte ein: den Ausbau der Kinderbetreuung, um Mütter unter den Fachkräften zu mobilisieren, steuerliche Anreize für Mehrarbeit sowie eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit. cdi DIW-Studie: t1p.de/DIW_Arbeitszeit IW-Studie: t1p.de/IW_Arbeitszeit IAB-Studie: t1p.de/IAB_Arbeitszeit Die Studien im Netz FOKUS 21 dbb magazin | Juli/August 2024
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