dbb magazin 7-8/2024

BEAMTE Polizeipräsidenten als politische Beamte Bundesverfassungsgericht sieht Verstoß gegen Lebenszeitprinzip In der Silvesternacht 2015/2016 war es auf dem Bahnhofsvorplatz vor dem Kölner Dom zu einem Polizeieinsatz gekommen, der bundesweit für Aufsehen sorgte: Viele Personen hatten aus einer Gruppe heraus zahlreiche Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie Raub- und Diebstahlsdelikte begangen. Der damalige Polizeipräsident wurde daraufhin im Januar 2016 mit sofortiger Wirkung von seinen dienstlichen Aufgaben entbunden und in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er klagte beim Verwaltungsgericht, das seine Klage allerdings abwies. In der Berufungsinstanz hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Es sollte die Frage klären, ob die Regelung im Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen, wonach Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten ungeachtet ihres Status als Beamte auf Lebenszeit von der Landesregierung jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, mit dem Grundgesetz vereinbar ist (so geregelt in § 37 Abs. 1 Nr. 5 Landesbeamtengesetz NRW). Die Urteilsbegründung Das Bundesverfassungsgericht hat diese Vorschrift für verfassungswidrig erklärt und argumentiert wie folgt: Die Möglichkeit, politische Beamte jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu können, ist als Durchbrechung des Lebenszeitprinzips (Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz) grundsätzlich verfassungsrechtlich anerkannt, muss jedoch auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Ihre sachliche Rechtfertigung findet die Ausnahmekategorie der politischen Beamten darin, dass diese nach der Art ihrer Aufgaben in besonderer Weise des politischen Vertrauens der Staatsführung bedürfen und in fortwährender Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen (das gilt etwa für Regierungssprecherinnen und Regierungssprecher, Anmerkung der Redaktion). Wann die Einstufung eines Amtes als „politisch“ in diesem Sinne anzunehmen ist, hängt von Faktoren ab, die in jedem Einzelfall im Rahmen einer Gesamtbetrachtung Anhaltspunkte dafür bieten müssen, dass eine fortdauernde Übereinstimmung des Amtsträgers mit den politischen Zielen der Regierung für die wirksame Aufgabenerfüllung unerlässlich ist. Die Einstufung der Polizeipräsidenten in Nordrhein-Westfalen als politische Beamte stellt einen Eingriff in das Lebenszeitprinzip dar, der nicht durch besondere Sacherfordernisse des betroffenen Amtes gerechtfertigt ist. Weder ihr Aufgabenbereich oder der ihnen zugemessene Entscheidungsspielraum noch ihre organisatorische Stellung, der Umfang der ihnen auferlegten Beratungspflichten gegenüber der Landesregierung oder andere Gesichtspunkte weisen ihr Amt als ein „politisches“ im oben genannten Sinne aus. dbb Auffassung bestätigt Diese Rechtsauffassung hatte der dbb, der in diesem Verfahren im Vorfeld der Entscheidung einbezogen worden war, in seiner Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vertreten. Die Fachjuristen des dbb hatten insbesondere darauf hingewiesen, dass sich die konkrete Ausgestaltung des Aufgabenkreises von Polizeipräsidenten nicht von der anderer Leiter unterer Landesbehörden unterscheidet. Eine besondere Nähe zu den politischen Entscheidungsträgern sei weder normativ vorgesehen noch sei eine derartige Praxis festzustellen. Da Polizeipräsidenten immer wieder mit Sachverhalten und Gegenständen von besonderem öffentlichen Interesse befasst seien, erschöpfe sich deren Arbeit weitgehend in einer administrativ-gesetzesvollziehenden Tätigkeit. Das Institut des politischen Amtes sei ein Fremdkörper im Beamtenrecht und müsse in seinem Anwendungsbereich eng gefasst werden. ka Bisher konnten Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten in Nordrhein-Westfalen ungeachtet ihres Status als Beamte auf Lebenszeit jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht mit einem Beschluss vom 9. April 2024 (Az.: 2 BvL 2/22) gekippt. © CC BY-SA 3.0/Guido Radig FOKUS 25 dbb magazin | Juli/August 2024

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