dbb magazin 7-8/2024

der E-Akte arbeiten können. Das Bundesarbeitsgericht, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und das ITZBund selbst waren die ersten Behörden, die vollständig auf die E-Akte umgestellt haben. Die Reihenfolge des „Roll-outs“ erfolgte nach Größe der Baustelle: Zuerst wurden die Behörden, die noch komplett analog liefen, mit der E-Akte ausgerüstet. Als Nächstes wurden Behörden mit analog-digitalen Hybridsystemen vollständig digitalisiert. In der dritten Phase werden Behörden, die bereits ein eigenes E-AktenSystem haben, auf die Software von Fabasoft umgestellt. Nach Angaben des ITZBund werden zum Jahreswechsel 2024/2025 mehr als 90 Behörden die E-Akte nutzen. Das klingt erst mal nach einer großen Zahl; allerdings sollen alle knapp 200 Bundesbehörden aufgerüstet werden. Ein Drama in zu vielen Akten Auf die Einführung der E-Akte Bund folgten in den Jahren darauf ähnliche Projekte der einzelnen Bundesländer und der Kommunen. Sie nutzen nicht nur die Software von Fabasoft, sondern auch Alternativen von anderen Entwicklern. Die Erfolgsgrade sind dabei höchst unterschiedlich. Während der Umstieg in vielen Kommunen geräuschlos erfolgte oder erfolgt, knirschte es anderswo gewaltig. Besonders spektakulär waren die Vorfälle in Berlin: Die Scansoftware zur Digitalisierung funktionierte so schlecht, dass der Bezirk Mitte elf Beschäftigte allein zum Scannen und Weiterleiten gebraucht hätte, weshalb deren Nutzung kurzzeitig ausgesetzt wurde. Die vollständige Implementierung wurde von 2023 erst auf 2024, und dann auf 2025 verschoben. Die Berliner FDP betitelte das Projekt als „BER der Berliner Verwaltung“. Auch andere Gemeinden klagen über Probleme: Die Software sei umständlich, unübersichtlich, langsam, zeige häufig Fehlermeldungen oder stürze ganz ab. Die schiere Menge an Akten, die die Behörden digitalisieren müssen, bedeutet eine enorme Herausforderung. So muss die Stuttgarter Ausländerbehörde über 100 000 laufende Akten digitalisieren. Das kostet Zeit, Personal und Geld – also das, was die E-Akte langfristig einsparen soll. In vielen Gemeinden oder Behörden funktioniert die E-Akte dagegen tadellos – beispielsweise im Jobcenter von Berlin-Mitte, das nur 20 Minuten vom Problemamt entfernt liegt. Aufbauend auf das EGovG beschloss der Bundestag 2017 das „Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs“. Dieses sieht die vollständige Umstellung des Justizapparats auf die E-Akte vor. Hier fällt die Bilanz deutlich positiver aus. So stattete Baden-Württemberg beispielsweise all seine Gerichte innerhalb von zwei Jahren mit der E-Akte aus. Auch in den anderen Bundesländern schreitet die Digitalisierung gut voran. eJustice, wie die baden-württembergische Akte heißt, ist übrigens mit den Programmen von Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie mit mehreren Bundesgerichten kompatibel. Das erleichtert die Kooperation auf Länderebene, was gerade in der Strafverfolgung unerlässlich ist. Doch auch die Justizakten sind nicht vor den allgemeinen Problemen der E-Akte sicher: In Hessen sind die Kosten explodiert. In Schleswig-Holstein gaben bei einer Umfrage der Neuen Richtervereinigung 43 Prozent der Befragten an, dass die Bearbeitung jetzt noch länger dauere. Und auch beim Positivbeispiel Baden-Württemberg gibt es bei der Einbindung der Polizei ins System technische und finanzielle Probleme. Um der Justiz ein wenig Puffer bei der Umstellung zu gewähren, erließ das Bundesjustizministerium Anfang 2024 das „Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“. Das Gesetz erlaubt nun den Einsatz von Hybridakten. Das bedeutet, dass an analogen Dokumenten digital weitergearbeitet werden kann. Zuvor mussten analoge Akten vor ihrer Bearbeitung zuerst vollständig digitalisiert werden. Auf den „andigitalisierten“ Akten sind allerdings weiterhin analoge Unterschriften notwendig – obwohl die digitale Signatur eine der Kernideen des neuen Onlinezugangsgesetzes ist. Wenn sich die Krankenakte ansteckt Leider werden die Fortschritte und Erfolge der E-Akte in der Justiz von einem anderen Digitalisierungsprojekt überschattet. Die Rede ist von der elektronischen Patientenakte (ePA). Die Idee ist simpel: Ärztinnen, Ärzte und medizinische Einrichtungen können die Gesundheitsdaten der Patienten elektronisch eintragen und auslesen. Dadurch können sie mögliche Komplikationen bei der Medikation erkennen und Doppeluntersuchungen vermeiden. Bei Umzügen und Arztwechseln bleiben die Akten bestehen. Damit sollen nach Berechnungen des Bundesgesundheitsministeriums eine halbe Million Krankenhausaufenthalte eingespart werden. Das bedeutet weniger Stress und Risiko für die Patientinnen und Patienten, mehr Kapazitäten für Praxen und medizinische Einrichtungen, weniger Belastung für die Ärztinnen und Ärzte und weniger Kosten für die Krankenkassen. Leider scheint sich die ePA mit derselben Malaise wie ihre Pendants aus Verwaltung und Justiz infiziert zu haben: Praxen und Krankenhäuser bemängeln, dass die Akte häufig nur sehr langsam funktioniere oder abstürze. Viele sehen die IT-Infrastruktur ihrer Einrichtung für den bundesweiten Launch der ePA zu Beginn des Jahres 2025 nicht ausreichend gerüstet. Das Bundesministerium für Gesundheit gibt sich dennoch zuversichtlich. Gerade in Sachen Cybersicherheit haben die Hersteller noch einmal nachgelegt. Und das ist gut so: Zuletzt hatten Cyberangriffe gegen Kliniken stark zugenommen. dsc dbb magazin | Juli/August 2024 FOKUS 27

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