dbb magazin 9/2024

REPORTAGE Gesundheitskioske Bürgernahe Versorgung to go in Gefahr Cagla Kurtcu leitet die Gesundheitskioske in Hamburg und kümmert sich als Advanced Practice Nurse um die Patienten. Süßigkeiten und Tabak – typische Waren, die man in einem Kiosk kaufen kann. Im Gesundheitskiosk gibt es die sicher nicht. Einblicke in ein Konzept, das aktuell politisch auf der Kippe steht, obwohl es laut Träger sehr erfolgreich ist und seine Kosten mittelfristig einspielt. Eigentlich sollte es um die Mutter gehen, die einen Schlaganfall hatte: Sie schafft es einfach nicht, ungesunde Lebensgewohnheiten abzulegen, zu groß der Stress. In der Beratung stellt sich heraus: Ihr Sohn leidet unter Autismus. Bisher hat niemand eine entsprechende Diagnose gestellt. Das medizinische Personal vermittelt den Kontakt zu einer sozialen Einrichtung, welche die Mutter entlastet, damit sie sich fortan auch um ihre eigene Gesundheit kümmern kann. Heute geht es ihr besser. „Das ist ein Beispiel für eine Erfolgsstory, wir spüren die Dankbarkeit und Erleichterung, wenn wir den Menschen helfen können“, sagt Cagla Kurtcu, die Leiterin des Gesundheitskiosks. Die Idee hinter dem Konzept: eine niedrigschwellige Beratung schaffen und die Prävention verbessern, und das vor allem in sozioökonomisch benachteiligten Bezirken. Gesundheitskioske arbeiten an der Schnittstelle zwischen Medizin und Sozialarbeit, vermitteln bei Bedarf zu Fachärzten oder zur Suchtberatung. Beratungsgespräche mit medizinisch geschultem Personal, mal den Blutdruck messen, medizinische Nachsorge – all das gehört zu den Dienstleistungen. Die Mitarbeitenden sprechen mehrere Sprachen und haben interkulturelle Kompetenzen. Sie überwinden Sprachbarrieren, wenn etwa Menschen mit Migrationshintergrund die Diagnose ihres Arztes nicht richtig verstanden haben. Oder unterstützen, wie im Falle eines blinden Mannes, der aufgrund seiner Sehbehinderung nicht in der Lage war, die Nachsorge einer Operation alleine zu bewerkstelligen. Zu finden sind die Gesundheitskioske dort, wo viel Publikumsverkehr herrscht. „So können wir unsere Zielgruppe am besten erreichen“, erklärt Kurtcu. „Die Leute können spontan vorbeikommen.“ Dass es funktioniert, lässt sich an der hohen Frequenz ablesen, mit der Ratsuchende den Kiosk betreten. Direkt und ohne Hemmschwelle Ein Montagvormittag, das Einkaufszentrum im Hamburger Stadtteil Bramfeld: Die Rolltreppe hinunter, vorbei am Supermarkt, rechts befindet sich ein Bäcker. Viel ist nicht los, eine ältere Dame war gerade einkaufen, die Tüten vorne im Korb ihres Rollators. Gegenüber vom Bäcker verharrt sie vor einem Bildschirm, liest aufmerksam: „Treppensteigen, Fenster putzen oder ein Spaziergang: Kommen Sie dabei schnell außer Atem? Dahinter kann eine (chronische) Erkrankung der Lunge stecken. Sind Sie betroffen?“ Prompt wechselt die Anzeige, weiter geht es im Text: „Nichtraucher sein lohnt sich! …“ Der Bildschirm gehört zum Gesundheitskiosk, der in einem Häuschen untergebracht ist, mitten im Einkaufszentrum. Wer durch die Schiebetüren geht, steht an einem großen Tresen, wie man ihn aus Arztpraxen kennt. Dahinter, im Zimmer mit den großen Scheiben, teils mit milchigem Sichtschutz beklebt, findet gerade eine Beratung statt. Ganz hinten eine Wand, zahlreiche Broschüren in der Halterung, zu diversen gesundheitlichen Themen: Ernährung, Herz-Kreislauf, Sucht. FOKUS 13 dbb magazin | September 2024

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