STUDIE Häusliche Pflege Hohe Belastung führt zu Erwerbsminderung Eine aktuelle Befragung des AOK-Bundesverbandes zeigt: Häusliche Pflege hat für viele Erwerbstätige direkte Auswirkungen auf das Arbeitsleben. Fast jede vierte Hauptpflegeperson im Alter zwischen 18 und 65 Jahren hat die Erwerbstätigkeit aufgrund der Übernahme von häuslicher Pflege reduziert oder ganz aufgegeben. Paradox ist, dass nur wenige Pflegende Entlastungsleistungen beantragen, obwohl sie sich mehr Unterstützung wünschen. Pflegende Angehörige wenden für die Versorgung zu Hause nach wie vor viel Zeit auf: Im Jahr 2013 gaben die Befragten 43 Wochenstunden an, 2023 lag diese Zahl bei 49 Stunden pro Woche für pflegende Tätigkeiten wie Körperpflege, Ernährung, Medikamentenstellung und Hilfe in der Nacht. Diese hohe zeitliche Belastung ist auch mit Blick auf die Erwerbstätigkeit relevant: Lediglich 46 Prozent der Hauptpflegepersonen im erwerbsfähigen Alter üben eine Tätigkeit in Vollzeit aus. Von denen in Teilzeit gibt rund die Hälfte an, die Arbeit aufgrund der Pflegeverpflichtungen reduziert zu haben, 28 Prozent haben ihre Erwerbstätigkeit aus diesem Grund sogar ganz aufgegeben. Das sind zentrale Ergebnisse einer nach Pflegegraden repräsentativen Umfrage des Instituts Forsa für den Monitor 2024 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Für die Studie befragte das WIdO im August und September 2023 rund 1 000 Hauptpflegepersonen im häuslichen Setting. Da eine Vorgängerbefragung des WIdO aus dem Jahr 2019 vorliegt, sind Aussagen zur Entwicklung der Situation von pflegenden Angehörigen im Zeitverlauf möglich. Mit einem Versichertenanteil von etwa 50 Prozent unter den Pflegebedürftigen ist die AOK nach eigenen Angaben die größte Pflegekasse Deutschlands. Der Druck steigt „Die Belastungen, die aus der Pflege- und Betreuungsarbeit entstehen, waren und bleiben hoch“, sagt Dr. Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege im WIdO. „Abzulesen ist dies am wöchentlichen Stundenvolumen sowie am Belastungsscore. Jeder vierte Befragte gab und gibt an, hoch belastet zu sein und die Pflegesituation ‚eigentlich gar nicht mehr‘ oder ‚nur unter Schwierigkeiten‘ bewältigen zu können.“ Als Maß zur Ermittlung der Belastung wird die sogenannte „Häusliche-Pflege-Skala“ (HPS) zugrunde gelegt, die anhand von zehn Fragen unter anderem zur körperlichen Erschöpfung, Lebenszufriedenheit und psychischen Belastung vergleichbare Werte liefert. Sowohl für 2019 als auch für 2023 ergab die HPS-Skala für knapp 26 Prozent der befragten Pflegepersonen eine hohe Belastung. Am stärksten betroffen sind Haushalte, in denen Menschen mit Demenzerkrankung oder einem Pflegegrad ab drei betreut werden. „Die Umfrage legt nahe, dass der hohe zeitliche Aufwand von durchschnittlich 49 Wochenstunden direkte Auswirkungen auch auf die Erwerbsarbeit hat und eine Work-Life-Care-Balance für viele schwer zu erreichen ist“, sagt Schwinger. 52 Prozent derjenigen in Teilzeit sagten, dass sie die Arbeitszeit im Beruf aufgrund der Übernahme von Pflege reduziert hätten, und 28 Prozent der nicht erwerbstätigen pflegenden Angehörigen gaben an, vor der Übernahme der Pflege erwerbstätig gewesen zu sein. Insgesamt waren 46 Prozent der befragten Pflegepersonen im erwerbsfähigen Alter in Vollzeit beschäftigt und 37 Prozent in Teilzeit. 18 Prozent gaben an, nicht erwerbstätig zu sein. Das Vereinbarkeitsproblem trifft dabei überwiegend Frauen, denn sie stellen mit 67 Prozent den Großteil der Hauptpflegepersonen im erwerbstätigen Alter. Der WIdOmonitor 2024 fragte auch nach den vom Gesetzgeber geschaffenen Entlastungsangeboten für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Die Mehrheit der Befragten kennt diese Angebote zwar, hat sie aber bislang kaum in Anspruch genommen. So haben nur drei Prozent von der Möglichkeit Gebrauch © Getty Images/Unsplash.com 16 FOKUS dbb magazin | September 2024
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