RECHT „Mich schockiert es immer wieder, was Beschäftigte im öffentlichen Dienst über sich ergehen lassen müssen, nur weil sie ihren Job machen.“ Daria Abramov, stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend Die Beleidigung ist der Angriff auf die Ehre eines anderen durch die Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung“ – so lautet zumindest eine Definition aus längst vergangenen Zeiten, die allerdings noch immer verbreitet ist. „Wenn ich das als Grundlage nehme, müsste ich mich ständig beleidigt fühlen“, sagt Kai Naumann, Jurist beim dbb beamtenbund und tarifunion. „Es steckt noch mehr dahinter.“ Das Grundgesetz garantiert die Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 3, schränkt diese jedoch unter anderem in Art. 5 Abs. 2 durch das Recht der persönlichen Ehre ein. Will heißen: „Wenn mir jemand sagt, dass er mich für keinen guten Juristen hält, kann ich mich zwar darüber ärgern, aber rechtlich nichts dagegen unternehmen“, erklärt Naumann. „Anders verhält es sich, wenn jemand herumerzählt, ich sei der dümmste und schlechteste Jurist aller Zeiten“ – denn diese Aussage geht über eine sachliche Kritik hinaus und ist damit von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt. In Hinblick auf den öffentlichen Dienst spielt es eine Rolle, dass das Grundgesetz vom „Recht der persönlichen Ehre“ spricht. „Nicht von der Ehre eines Berufsstandes oder der Ehre des öffentlichen Dienstes“, betont der Jurist. In der Praxis bedeutet das: Ein Gericht muss im Einzelfall prüfen, ob sich eine Beleidigung gegen die Einzelperson richtet – oder allgemein der Staat, der öffentlichen Dienst oder der Berufsstand angegriffen wird. Grundsätzlich gehört die Beleidigung zu den Ehrdelikten. Das gilt auch für die Verleumdung und üble Nachrede. Eine Verleumdung liegt vor, wenn eine Behauptung nachweisbar falsch ist. Und eine üble Nachrede, wenn jemand ehrverletzende Aussagen verbreitet, bei denen nicht eindeutig klar ist, ob sie stimmen oder nicht. Ein Beispiel: „Man darf nicht einfach in der Öffentlichkeit behaupten, dass jemand seine Frau schlägt, nur weil es sein könnte“, sagt Naumann. Anders verhalte es sich, wenn jemand zur Polizei geht, weil er einen konkreten Verdacht hegt – dann bestünde nämlich ein berechtigtes Interesse. Beleidigung als Antragsdelikt Wer strafrechtlich gegen eine Beleidigung vorgehen möchte, muss wissen: Es handelt sich um ein sogenanntes Antragsdelikt. Das bedeutet: Ohne Strafantrag passiert nichts. „Das ist eine sinnvolle Regelung“, sagt Naumann. „Denn wie eine Beleidigung empfunden wird, ist sehr subjektiv“ – theoretisch könnte es auch sein, dass Betroffene gar kein öffentliches Verfahren wollen und ihre Ehre besser geschützt sehen, indem sie direkt Widerworte geben oder den Fall auf sich beruhen lassen. Für andere Delikte greift in Deutschland das Offizialprinzip. Dieses besagt: Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen, sobald der Verdacht einer Straftat besteht. Die Antragsfrist beträgt drei Monate Im öffentlichen Dienst ist es möglich, dass Vorgesetzte den Strafantrag stellvertretend für den Dienstherrn oder Arbeitgeber stellen. „Ich halte das für den sinnvollen Weg, weil dann die Aussicht auf Erfolg größer ist“, unterstreicht der Jurist. Beispiel: Wahrscheinlich würde die Staatsanwaltschaft dem Strafantrag eines Behördenleiters, der sich vor seine Beschäftigten stellt, Im Dienst beleidigt So handeln Sie richtig Bei der Polizei, im Justizvollzug, in Behörden: Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind mit Beleidigungen konfrontiert. Ein Rechtsanwalt beantwortet die wichtigsten Fragen. Model Foto: Koldunov/Colourbox.de 30 INTERN dbb magazin | September 2024
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