dbb magazin 9/2024

SENIOREN © Getty Images/Unsplash.com Arbeiten im Alter Deutschland geht in Rente Bis 2036 werden laut Statistischem Bundesamt 12,9 Millionen Erwerbstätige das Rentenalter erreichen. Die besonders geburtenstarken Jahrgänge 1957 bis 1969 gehen dann in Rente. Der Wegfall eines knappen Drittels aller Erwerbsfähigen macht den Mangel an Fachkräften in Deutschland zum zentralen wirtschaftspolitischen Thema. Bietet die Formel „einfach weiterarbeiten“ einen Ausweg? Zwar schwächelt aktuell die Konjunktur, was zu einer geringeren Nachfrage nach Fachkräften führt. Nur noch gut ein Drittel der deutschen Unternehmen (33,8 Prozent) konnten laut einer Umfrage des ifo Instituts im Juli 2024 nicht genug qualifizierte Arbeitskräfte einstellen. Im April waren es noch 34,9 Prozent. „Aufgrund des demografischen Wandels wird das Problem aber dauerhaft sein und sich wieder verschärfen“, so ifo-Experte Dr. Klaus Wohlrabe. Goldener Handschlag Sollte dann nicht möglichst vielen Erwerbstätigen das Weiterarbeiten möglichst schmackhaft gemacht werden? Obwohl der Gesetzgeber die Zuverdienstgrenzen selbst für vorgezogene Altersrenten aufgehoben und für Erwerbsminderungsrenten angepasst hatte, streichen zahlreiche Unternehmen in großem Stil Stellen und versüßen Angestellten einen Aufhebungsvertrag mit einem sogenannten goldenen Handschlag. Besonders die potenziell teuren, vermeintlich unflexiblen und nicht mehr leistungsbereiten älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden so vor der Zeit in den Ruhestand geschickt. Namhafte deutsche Unternehmen gehen so vor, unter ihnen SAP, VW und der BayerKonzern. SAP ist bereit, seinen Beschäftigten über 55 bis zu anderthalb Monatsgehälter pro SAP-Jahr zu zahlen. Bayer zahlt in diesem Jahr an Beschäftigte ab 56 Abfindungen bis zu einer Höhe von 52,5 Monatsgehältern, wenn diese das Unternehmen innerhalb von sechs Monaten verlassen. Viele wollen länger arbeiten Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind laut einer Studie des sozialen Netzwerks Xing durchaus bereit, länger im Unternehmen zu bleiben: Das Marktforschungsunternehmen Appinio hatte im Auftrag von Xing 1 000 Menschen im Alter ab 50 Jahren zu ihren Vorstellungen zu Arbeit im Rentenalter befragt. Mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) möchten und können auch nach dem offiziellen Rentenalter weiterarbeiten. 62 Prozent fühlen sich theoretisch in der Lage, dies zu tun. Als Grund gaben die Befragten Geld (63 Prozent), Kontakt zu Menschen (56 Prozent) und Selbsterfüllung (33 Prozent) an. Und 42 Prozent der Befragten können sich nicht vorstellen, nichts zu tun. Allerdings bevorzugt die überwiegende Mehrheit von ihnen Teilzeitmodelle. Lediglich 12 Prozent gaben an, in Vollzeit weiterarbeiten zu wollen. Arbeitserfahrung bewahren Unternehmen benötigen die Erfahrung der Beschäftigten. So hat etwa Volkswagen laut Frankfurter Allgemeine Zeitung mit Abfindungsprogrammen keine guten Erfahrungen gemacht: Nach einer Krisenintervention im Jahr 2006 hatte der Konzern teils in sechsstelliger Höhe abgefundene Hochqualifizierte wieder einstellen müssen, weil ihre Fähigkeiten gebraucht wurden. Inzwischen denken Unternehmen um: So setzt Continental auf Kompetenzpools älterer Fachkräfte, auf die bei Engpässen oder Projekten zugegriffen werden könne. Das Gefühl, gebraucht zu werden, flexibel gestaltete Arbeitszeitmodelle und ein attraktives Gehaltsangebot dürften die Bereitschaft zu bleiben erhöhen. Im öffentlichen Dienst ist das Weiterarbeiten ebenfalls möglich, wenn Beschäftigte und Arbeitgeber dies wollen. Beamte und Beamtinnen können ihre Dienstzeit auf Antrag verlängern – der Bund zahlt dafür unter besonderen Umständen sogar Zuschläge – oder im tariflichen Arbeitsverhältnis weiterarbeiten. Etliche Bundesländer halten so Lehrkräfte im Schulbetrieb. Angestellte können mit dem Arbeitgeber noch vor dem Renteneintritt individuelle Vereinbarungen treffen und einen neuen, nun befristeten, Arbeitsvertrag schließen, der das Weiterarbeiten ermöglicht. ada 34 INTERN dbb magazin | September 2024

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