dbb magazin 10/2024

durchgängig digitalisieren. Es nützt nichts, wenn die Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen einen Antrag online stellen, der aber dann in der Verwaltung ausgedruckt, hin- und hergeschickt, bearbeitet und am Ende wieder eingescannt wird. Aber es geht nicht nur um Gesetze und Zuständigkeiten, es geht auch ums Geld. Die Finanzierung der Maßnahmen zur Verwaltungsdigitalisierung muss über das laufende Jahr hinaus abgesichert werden. Ausgaben für eine digitale Verwaltung sind Zukunftsinvestitionen, die sich schnell amortisieren. Was wirklich alle in Verantwortung verstehen müssen: Eine digitale Verwaltung ist kein Nice-to-have. Es geht nicht um mehr Bequemlichkeit für die Bürgerinnen und Bürger. Eine leistungs- und handlungsfähige digitale Verwaltung ist erstens längst ein entscheidender Standortfaktor für Unternehmen. Sie ist zweitens Voraussetzung für smarte Städte und Regionen. Und sie ist drittens und vor allem auch die Grundlage für einen funktionsfähigen Staat – und damit ebenso die Grundlage für Vertrauen der Menschen in die Politik, vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen. Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass ihre Verwaltung nicht funktioniert, dann führt auch das zu Politikverdrossenheit. Regulierung ist das eine, gutes Personal das andere. Der öffentliche Dienst gilt im Wettbewerb um IT-Fachkräfte – etwa bei der Bezahlung – als kaum konkurrenzfähig. Kann der Staat diesen Wettbewerb überhaupt gewinnen, um genügend eigene Kompetenzen aufzubauen? Oder sind mehr externe Dienstleister und Kooperationen mit Privaten unumgänglich? Zusammenarbeit mit Dienstleistern und Kooperationen mit Unternehmen sind nichts Schlechtes. Auf diese Weise kann die Verwaltung neueste Technologien erproben und in ihre Prozesse integrieren – Unternehmen arbeiten häufig ja nicht anders. Aber man braucht natürlich Know-how im eigenen Haus, um solche Projekte überhaupt anzustoßen, zu begleiten und letztlich auch zu integrieren und zu übernehmen. Wir haben in Deutschland einen seit Jahren wachsenden Mangel an IT-Fachkräften, die Expertinnen und Experten können sich ihre Stelle mehr oder weniger frei aussuchen. Da hat der öffentliche Dienst aufgrund seiner Vergütungsstruktur sicherlich einen Nachteil gegenüber international tätigen Konzernen. Ob das für kleine und mittelständische Unternehmen ebenso gilt, würde ich zumindest in der Breite bezweifeln. Trotzdem müssen wir das Dienst-, Besoldungs- und Tarifvertragsrecht weiterentwickeln, um Leistungsanreize zu schaffen. Mindestens ebenso wichtig ist aber, dass öffentliche Verwaltungen sich zu innovativen und attraktiven Arbeitgebern entwickeln. Da geht es um Dinge wie Fort- und Weiterbildung, Führung, Beurteilungswesen und ganz grundsätzlich um die Kommunikation. Wo sehen Sie die größten Potenziale, aber vielleicht auch mögliche Gefahren beim Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung? Die größte Gefahr sehe ich darin, dass wir zu lange damit warten, die Chancen von KI zu nutzen. Wer schon einmal eines der aktuellen KI-Sprachmodelle ausprobiert hat, hat einen Eindruck davon bekommen, was künstliche Intelligenz bereits heute leisten kann. Die der öffentlichen Verwaltung beschäftigt sich häufig mit standardisierten Anfragen und Anträgen. Hier können zum Beispiel KI-Chatbots oder KI-­ Systeme zur Plausibilitätsüberprüfung dabei helfen, dass die Menschen schneller und persönlicher Antwort bekommen. Gleichzeitig haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zeit, sich mit komplexen oder vom Standard abweichenden Fällen zu beschäftigen – oder mit jenen, die derzeit noch den persönlichen Kontakt dem digitalen vorziehen. In den kommenden Jahren werden außerdem sehr viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst aus dem Berufsleben ausscheiden. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es schwer werden, alle diese Stellen zu besetzen. Kollege KI verdrängt nicht den Menschen, er sorgt dafür, dass die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Aufgaben weiterhin erledigen können. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund das weltweit erste Gesetz zur Regulierung von KI, das die EU-Mitgliedstaaten verabschiedet haben? Der AI Act gibt einen EU-weiten Regulierungsrahmen für künstliche Intelligenz vor und ist in Deutschland unmittelbar geltendes Recht. Allerdings lässt der AI Act wesentliche Fragen offen. In Deutschland und den anderen EU-Ländern beginnt die Regulierungsarbeit jetzt erst. KI kann in Deutschland und Europa einen Schub erhalten, etwa durch mehr Rechtssicherheit und größeres Vertrauen der Menschen. KI kann aber auch vor neue Hindernisse gestellt werden und wir können bei KI international weiter zurückfallen. Welchen Weg wir einschlagen, hängt entscheidend davon ab, wie der Rahmen ausgestaltet und der AI Act in Deutschland umgesetzt wird. Wir haben seit 14 Jahren einen Personalausweis mit digitaler Ausweisfunktion und App. Benutzen kann man ihn bislang jedoch eher selten. Welche digitale Dienstleistung des Staates haben Sie zuletzt in Anspruch genommen? Meine letzte digitale Dienstleistung war tatsächlich auch eine Online-Terminvereinbarung – um einen Reisepass zu beantragen. Die digitale Ausweisfunktion, die Sie anführen, ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir in Deutschland hervorragende digitale Dienste entwickeln können – und dann zu oft daran scheitern, sie in die breite Anwendung zu bringen. Fragt man nämlich die – leider zu wenigen – Nutzerinnen und Nutzer der digitalen Ausweisfunktion nach ihren Erfahrungen, wie wir das im vergangenen Jahr getan haben, dann fallen diese durchaus positiv aus. Jeweils 61 Prozent würden ihn gerne in Zukunft häufiger nutzen, auch außerhalb der Verwaltung, etwa beim Check-in im Hotel oder beim Gaming. Wie können wir da besser werden? Ich glaube, wir müssen mehr aus der Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer denken. Da würde uns auch in der Verwaltung manchmal ein bisschen Start-upMentalität guttun. _ Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass ihre Verwaltung nicht funktioniert, dann führt auch das zu Politikverdrossenheit. FOKUS 13 dbb magazin | Oktober 2024

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