dbb magazin 10/2024

© John Schnobrich/Unsplash Digitales Lernen Demokratie ist kein Wunschkonzert Mithilfe des aula-Digitaltools können Schülerinnen und Schüler demokratische Mitbestimmungsprozesse einüben und den Schulalltag gestalten. Schülervertretungen vertreten die Interessen ihrer Wählerinnen und Wähler auf Klassen- und Schulebene und sollen auch zwischen Schülern, Eltern und Lehrkörper vermitteln. Auf diese Weise üben Kinder und Jugendliche die Funktionsweise repräsentativer Demokratie mit ein. Für etliche Schülerinnen und Schüler gibt es da aber Hürden: Die Scheu, sich vor „den Großen“, den Älteren, zu artikulieren etwa oder die Angst, vor einer großen Anzahl von Menschen zu sprechen. Die Möglichkeiten der Mitbestimmung bleiben dann ungenutzt. Die Digitalplattform aula schafft hier ein niedrigschwelliges Beteiligungsangebot, mit dem Schüler und Schülerinnen Ideen zur Gestaltung des Schulalltags einbringen: „Sollen wir einen Flohmarkt zugunsten der Ukraine organisieren? Sollen auf den Schultoiletten kostenlose Periodenprodukte ausliegen? Soll die Schuluniform an unserer (Privat-)Schule abgeschafft werden?“, zählt Lisa Wulf auf. Sie ist Projektkoordinatorin bei der aula gGmbH und erklärt, worüber an aula-Schulen in der letzten Zeit so abgestimmt worden ist. Ideen auf der Plattform auszuspinnen, ist das eine. Aber: „Das ist nicht wie ein Wunschkonzert“, betont Dejan Mihajlovic, Referent für Demokratie-Bildung am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung, einer Fortbildungseinrichtung für Lehrkräfte in Baden-Württemberg. Als aula-Botschafter unterstützt er Schulen bei der aula-Einführung. Ein Organisationsteam der Schule, bestehend aus Schülern, Lehrern, aber auch Sozialarbeitern, wird im Rahmen mehrerer Workshops zunächst einmal geschult. Bevor die Plattform startet, muss die Schulkonferenz – Schüler- und Lehrerschaft – einem Rahmenvertrag zustimmen, der zuvor mit Unterstützung durch aula ausgearbeitet worden ist. Welche Regeln sollen auf der Plattform gelten? Wie sollen die Abstimmungsprozesse ablaufen? Ist dies beschlossen, erhält jeder Log-in-Daten und bewegt sich auf der Plattform, die gewisse Parallelen zu sozialen Medien aufweist. Nur die Zahl der Teilnehmer ist eng begrenzt und alle kennen einander vom Schulhof. Posts und Kommentare sind nicht anonym. Alle können Ideen einbringen, müssen die dann aber auch ausarbeiten, auf ihre Durchführbarkeit hin prüfen und online präsentieren. „Auch die Finanzierung muss durchkalkuliert werden“, sagt Lehrer Mihajlovic. Dann kann über einen bestimmten Zeitraum hinweg online frei und geheim abgestimmt werden. Schüler und Schülerinnen können für ihre Ideen werben und so Mehrheiten organisieren. Falls jemand sich mit einem Thema nicht auskennt, vielleicht mit der Installation eines Basketballkorbes auf dem Schulhof, ist es, wenn es der Rahmenvertrag zulässt, möglich, Stimmen an Bevollmächtigte zu übertragen. Zum Beispiel an die Mitschülerin, die Basketball im Verein trainiert. „Die Stimme wird so flexibel“, erzählt Mihajlovic. Wer die Stimme übertragen hat, kann nicht nachvollziehen, wie der oder die Bevollmächtigte sie eingesetzt hat. Während die Abstimmung läuft, häufig zwei bis drei Wochen, kann die weitergegebene Stimme aber jederzeit auch wieder zurückgeholt werden. Das wäre mit analogen Stimmzetteln nicht möglich. „Die Kinder und Jugendlichen lernen, wie Demokratie funktioniert, wie die eigene Stimme wirkt, was mit ihr passiert“, so Mihajlovic. Teil dieser Demokratie-Erfahrung ist nicht nur die Erkenntnis, „dass Ideen ausgehandelt werden müssen“, sondern auch, dass die Person, die den Vorschlag gemacht hat, ihn nach gewonnener Abstimmung auch umsetzt. Das Konzept eignet sich für die Mittel- oder Oberstufe und wird laut Mihajlovic in Baden-Württemberg aktuell an etwa zehn Schulen umgesetzt. Dort geht es um die Aufstellung von Wasserspendern oder um die Einführung eines Smartphone-Unterrichtstages an der Schule. Rund zwei aula-Stunden werden pro Monat allerdings benötigt. „Oft beteiligen sich Gemeinschaftskundelehrkräfte an der Einführung von aula.“ Pro Jahrgangsstufe sollte eine Lehrkraft am Projekt beteiligt sein. Technische Hilfestellung für Einführung und die Einrichtung der Accounts geben oft ein oder zwei Schüler pro Klasse, die dann aber eine Lehrkraft als Ansprechpartner benötigen. Unterstützung erhalten die Lehrkräfte durch Online-Lernplattformen für unterschiedliche User-Level und offene Materialien für die Einführung. Die aula gGmbH finanziert sich neben Honoraren für die aula-Einführungsworkshops durch Spenden und durch das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des Bundesinnenministeriums. Besonders beeindruckt hat Mihajlovic, dass an einer Schule der Wunsch nach Schülerbeteiligung an der Stundenplanplanung zwar keine Mehrheit fand, einige Lehrkräfte die Idee aber dennoch aufgegriffen haben. Und auch Lisa Wulf ist überzeugt: „aula bietet eine Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten.“ ada FOKUS 17 dbb magazin | Oktober 2024

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