INTERVIEW Lutz Goebel, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Bürokratie und Politikverdrossenheit Ohne moderne Register kann es keine echte digitale Verwaltung geben. Herr Goebel, jedes Jahr werden auf Bundesebene mehrere Hundert Gesetze und Verordnungen verabschiedet. Wo liegen die größten Hürden beim Abbau von Bürokratie in der deutschen Verwaltung? Dass sich Deutschland beim Bürokratieabbau so schwertut, hat viele Gründe. Ein zentrales Hindernis ist die hohe Komplexität unseres Rechtsrahmens. Wir haben ein stark reguliertes System, das über Jahre gewachsen ist. Neue Gesetze und Verordnungen kommen oft hinzu, ohne dass bestehende Regelungen vereinfacht oder abgeschafft werden. Ein weiteres Problem ist die föderale Struktur. Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen sind oft nicht klar abgegrenzt oder werden unterschiedlich interpretiert. Das führt zu uneinheitlichen Verfahren. Hinzu kommt die schlecht ausgeprägte Fehlerkultur der Verwaltung. Alle Entscheidungen müssen in der Regel bis zum letzten Buchstaben rechtlich abgesichert sein. Es bestehen nicht genug Anreize, Bürokratie abzubauen und vor allem gibt es oft zu wenig „Mut zur Lücke“. Von der schleppenden Digitalisierung möchte ich gar nicht erst anfangen. Dabei liegt hier der Schlüssel für deutlich mehr Bürokratieabbau. Unternehmen und Bevölkerung beklagen eine wachsende Bürokratie, die oft in direktem Zusammenhang mit der Qualität der Gesetzgebung steht. Was muss getan werden, um Gesetze praxistauglicher zu gestalten? Mit dem Digitalcheck und dem Praxischeck stehen seit geraumer Zeit vielversprechende Instrumente zur Verfügung, um Gesetze fit für den Vollzug zu machen. Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung macht Hoffnung, dass zumindest eines der Instrumente noch besser genutzt wird und die Gesetzgebungsqualität steigt. Praxischecks sollen zukünftig in allen Ministerien verbindlich eingesetzt werden – ein wahrer Meilenstein für bessere Rechtsetzung und lange eine Forderung des NKR. Wir würden sogar noch einen Schritt weitergehen und Praxischecks auch schon während eines Gesetzgebungsverfahrens durchführen – nicht erst nach Inkrafttreten einer Regelung, wie es momentan der Fall ist. Dadurch könnten Betroffene viel frühzeitiger in die Lösungsfindung und Alternativenabwägung eingebunden werden. Der „Lessons Learned“- Effekt wäre ex ante viel größer als ex post – deshalb ist das beim Digitalcheck auch jetzt schon verpflichtend. © Thomas Trutschel/photothek.de 12 FOKUS dbb magazin | November 2024
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