dbb magazin 11/2024

men (KMU) im betrieblichen Alltag spürbar verringern.“ In einer Stellungnahme im Handwerksblatt wird gleichzeitig vor der Einführung weiterer Berichtspflichten gewarnt. Dabei soll die Wirtschaft laut Bundesregierung, funktioniert das Gesetz wie geplant, um jährlich rund 944 Millionen Euro entlastet werden. Eindämmung der Zettelwirtschaft Sogenannte Schriftformerfordernisse sollen in bestimmten Fällen zu Textformerfordernissen abgesenkt werden. Anders als die Schriftform setzt die Textform keine eigenhändige Unterschrift voraus: Beispielsweise reichen auch eine E-Mail, eine SMS oder eine Messengernachricht aus. Im Alltag vieler Menschen wird dieses Mehr an digitalen Rechtsgeschäften spürbar für Erleichterungen sorgen. Auch voll digitalisierte Arbeitsverträge soll es künftig in Deutschland geben – und weniger „Medienbrüche“, bei denen viel Zeit verstreicht, weil Firmen und Behörden digitale Vorgänge auch auf Papier dokumentieren müssen. Entlastungen für die öffentliche Verwaltung wie für Arbeitgeber finden sich zum Beispiel in der Einrichtung einer zentralen Vollmachtsdatenbank für Steuerberaterinnen und Steuerberater. Träger der sozialen Sicherung müssen dann für ihre Fachverfahren nicht mehr einzeln eine entsprechende analoge Vollmacht bei den Steuerberatern und somit bei den Arbeitgebern abfragen. Sie können stattdessen automatisiert auf eine Generalvollmacht zugreifen, die elektronisch in der Datenbank hinterlegt ist. Ändert sich etwas an der Vollmacht, werden die Behörden direkt benachrichtigt. Auch die Finanzbehörden können sich freuen: Dank der Anhebung der Schwellenwerte auf jeweils 9 000 Euro werden künftig mehr Unternehmen vierteljährlich statt wie bisher monatlich ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeben. Der Arbeitsaufwand reduziert sich. Zukünftig soll es den Steuerbehörden ermöglicht werden, Steuerbescheide und andere Steuerverwaltungsakte digital zum Abruf bereitzustellen. Dadurch kann auf den Versand von 116 Millionen Briefen sowie den Druck von 6,2 Milliarden Blatt Papier verzichtet werden. Streitpunkt Aufbewahrungsfristen Zentral ist sicher die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Rechnungen und Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre. Allein für diesen Punkt rechnet die Bundesregierung mit einer jährlichen Entlastung von rund 626 Millionen Euro. Das spart Platz in den Aktenregalen von Selbstständigen und Kleinunternehmen, aber der Arbeitsaufwand bei der Zusammenstellung der Unterlagen für die Umsatzsteuererklärung wird dadurch nicht geringer. Und die „körperliche Aufbewahrung von Steuerbelegen findet kaum noch statt. Die werden eingescannt und vernichtet. Und Datenspeicherkapazität ist heutzutage kein Problem“, sagt Florian Köbler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG). Aus seiner Sicht verdient das Gesetz den Namen nicht: „Man beschäftigt sich mit Kleinigkeiten.“ Mit der Verkürzung der Aufbewahrungsfristen würden ohne Not Beweismittel für Ermittlungen in komplexen Steuerbetrugsfällen wie etwa Cum-Ex nach acht Jahren aufgegeben – für Köbler ein „Freifahrtschein für Kriminelle“, denn die Straftaten verjähren erst nach 15 Jahren. Im Übrigen rechnet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang mit Steuerausfällen von 200 Millionen Euro, die DSTG hingegen geht von einem Vielfachen aus. Mit ihrer ablehnenden Haltung steht die Gewerkschaft, in der sich die Beschäftigten der Steuer- und Finanzverwaltungen organisieren, nicht allein da. Der Verein Finanzwende beispielsweise, in dem sich die frühere Cum-Ex-Chefermittlerin und ehemalige Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker engagiert, fordert lautstark: „Cum-Cum-Milliarden: Schredderpläne stoppen!“ Der Bundesrat jedoch, der sich zunächst entschieden gegen das Gesetz gewandt hatte, stimmte dem BEG IV am 18. Oktober 2024 zu. Zentrales Projekt Bürgerportal Nach seinem Rezept für einen gelingenden Bürokratieabbau gefragt, empfiehlt Gewerkschaftsboss Köbler, dass jedes Ressort eine ergebnisoffene Portfolioanalyse vornehmen und daraus eine Strategie mit konkreten Zielvorstellungen festlegen solle: „Wo wollen wir wann sein?“ Um sowohl Wirtschaft als auch Verwaltung zu entlasten und dem Fachkräftemangel begegnen zu können, seien eine Komplexitätsreduktion der Gesetzgebung nötig und „Mut zur Pauschalierung von Fällen und zur Automatisierung“. Und natürlich geht nichts ohne Digitalisierung. Zwei Komponenten sieht Köbler als zentral an: ein einheitliches Bürgerportal, auf dem jeder und jede seine Daten nur einmal eingeben muss (Once-Only-Prinzip), und die Entscheidung für ein einheitliches Authentifizierungsverfahren. Köbler favorisiert dafür die Steueridentifikationsnummer. „Weil jeder sie automatisch mit der Geburt bekommt.“ ada © Erdacht mit KI FOKUS 17 dbb magazin | November 2024

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