dbb magazin 11/2024

NACHGEFRAGT Nachgefragt bei Manfred Pentz, hessischer Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Entbürokratisierung Bürokratieabbau ist eine Teamleistung Bits, Bytes und Bembel“ – Hessen ist mit seiner Digitalstrategie auf dem Weg, die Service- und Nutzenorientierung seiner Dienstleistungen und Verwaltungsprozesse zu erhöhen und die Verwaltungsleistungen online anzubieten. Welche Chancen zur Entbürokratisierung stecken in dem Digitalisierungsprojekt? Bürokratieabbau und Digitalisierung sind politische Schlagworte, die immer dann herhalten müssen, wenn etwas beim Staat nicht funktioniert, zu langsam geht oder ein unerwünschtes Ergebnis herauskommt. Die politische Aufladung der Begriffe macht eine unvoreingenommene Problemanalyse und die entsprechende Priorisierung der Lösungsansätze nicht einfacher. Klar ist: Die Überregulierung ist einer der wichtigsten Kritikpunkte am staatlichen Handeln und gleichzeitig traut man der Politik in kaum einem anderen Bereich weniger zu als beim Bürokratieabbau. Die neue christlich-soziale Landesregierung in Hessen hat das Thema deshalb zu einem ihrer Schwerpunkte erklärt. Doch wie nähert man sich einem Berg an Regeln, den Politik und Gesellschaft über Jahrzehnte aufgetürmt haben? Genau so! Wir müssen den Berg genau so abtragen, wie wir ihn aufgeschichtet haben. Regel für Regel und jeweils mit einer guten Begründung. Denn schnell wird in den Debatten deutlich, dass zu jedem Gesetz, jeder Verordnung oder auch nur zu jedem Erlass eine einstmals gute Begründung und eine gesellschaftliche Lobbygruppe gehört, gegen die man argumentieren und sich letztlich durchsetzen muss. Bürokratieabbau ist deshalb eine Teamleistung. Die Politik ist darauf angewiesen, mit gesellschaftlichen Akteuren zusammenzuarbeiten. Nicht nur, weil sie auf praktische Hinweise angewiesen ist, sondern weil sie auch die politische Unterstützung im Einzelfall braucht. Wir haben deshalb das Bündnis gegen Bürokratie (www. bessereinfach.hessen.de) gegründet, in dem Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft ebenso einbezogen sind wie die Kommunen, Gewerkschaften oder die Landwirtschaft. Zusätzlich haben wir Deutschlands ersten Bürokratie-Melder eingerichtet, bei dem bereits in den ersten Wochen mehrere Hundert konkrete Meldungen von Bürgerinnen und Bürgern eingegangen sind. Umdenken erforderlich Dieser breit gefächerte Input hat dazu beigetragen, das Bild einer überregulierten Gesellschaft etwas geradezurücken. Vieles, was insbesondere über den Bürokratie-Melder an uns herangetragen wird, liegt gar nicht an zu vielen Regeln, sondern an deren Komplexität. Nicht selten hat es aber auch mit tradiertem, unflexiblem Verwaltungshandeln oder mit politischen Entscheidungen der Vergangenheit zu tun. So wurde etwa über Jahre die Attraktivität der öffentlichen Verwaltung reduziert und gleichzeitig Berichts- und Informationspflichten für Unternehmen, mithin Bearbeitungsanforderungen der Verwaltung, in die Höhe getrieben. Zur Wahrheit gehört, dass die politischen Weichenstellungen der Vergangenheit die Probleme der Gegenwart mitzuverantworten haben. Anders ist es nicht zu erklären, warum Bürgermeister selbst kleine Vorhaben, wie die Anschaffung einer Holzbank für die Gemeinde, lieber über eine Spende eines örtlichen Handwerkers realisieren, als den komplizierten und langen Weg der öffentlichen Förderung zu gehen. Und was im Kleinen schon nicht funktioniert, gelingt auch nicht bei großen Infrastrukturprojekten mit mehreren beteiligten Behörden. Leidtragende dieser Entwicklung sind nicht nur die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen, sondern auch die Kommunen, die Ehrenamtler sowie die Bediensteten im öffentlichen Dienst selbst. Beim Thema Entbürokratisierung sitzen wir alle im selben Boot! Die Digitalisierung wird oft als Lösung versprochen. Ich möchte da einen Tropfen Wasser in den Wein schütten. Sicherlich ist die Digitalisierung Teil der Lösung. Aber eben nur ein Teil. Die Annahme, man müsse sich nicht ändern, es reiche ein neues Gewand, hat noch niemandem die Beziehung gerettet. Und so ist es auch nicht, wenn es um die Gesellschaft geht. Wir müssen uns ändern. Wir brauchen ein neues Mindset, also ein Umdenken, das bei der (Ent-)Regulierung beginnt und erst mit der Zufriedenheit unserer Bürgerinnen und Bürger endet. Die digitale Strategie Hessens ist dazu ein Baustein und ja, es gibt da bereits bemerkenswerte Erfolge. Ich denke zum Beispiel an die elektronische Akte in Asylverfahren. Da war Hessen Pionier! Als die Verwaltungsgerichte die BAMF-Akten inmitten der Migrationskrise plötzlich in digitaler Manfred Pentz © Salome Roesler 22 FOKUS dbb magazin | November 2024

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