dbb magazin 11/2024

Kontrolle wie am Flughafen: Ein älterer Herr steht mit breiten Beinen und abgewinkelten Armen im Körperscanner, das grüne Licht blitzt auf, alles in Ordnung. Er darf weitergehen und seine Habseligkeiten wieder aus der Plastikkiste nehmen, darunter zahlreiche Münzen, die er offenbar lose in der Tasche hatte. „Halten Sie mal Ihre Hände auf“, sagt der Sicherheitsmitarbeiter. Dann nimmt er die Kiste und schüttet das Kleingeld in die nun offenen Hände des dankbaren Seniors, der anschließend das neue Besucherzentrum des Bundesnachrichtendienstes betritt. Wenn Thomas an seinen Arbeitsplatz geht, passiert er im Hauptgebäude ebenfalls verschiedene Schleusen und Kontrollen. Sein Smartphone muss draußen bleiben, zu hoch das Sicherheitsrisiko. Ausländische Geheimdienste könnten spionieren. Thomas ist Kartograf, er visualisiert Landschaften, akute Lagen und langfristige Entwicklungen, die für die nachrichtendienstliche Aufklärung eine Rolle spielen. Heute sitzt er im Klubraum des Besucherzentrums und gibt Einblicke in seinen Beruf. Einblicke, die nicht der Geheimhaltung unterliegen. Lizenz zum Töten? Der Bundesnachrichtendienst (BND) sammelt Informationen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind, und stellt sie der Bundesregierung zur Verfügung. Die Mitarbeitenden haben, anders als James Bond, keine Lizenz zum Töten. Sie rennen nicht im Maßanzug durch die Wüste – das wäre unpraktisch. Und sie liefern sich keine wilden Verfolgungsjagden mit edlen Sportwagen – das wäre ungeschickt, weil es Aufmerksamkeit erregt. Operative Kräfte, die im Ausland Quellen erschließen und halten, arbeiten diskret. Waffen tragen sie durchaus, aber nur zur Selbstverteidigung. Thomas trägt ein schlichtes T-Shirt, Chinos und Sneaker. Es gäbe Eigenschaften, die sich näher beschreiben ließen, doch diese würden Rückschlüsse auf seine Person ermöglichen. Insgesamt wirkt er eher still und introvertiert. Passend, denn als Selbstdarsteller wäre er beim BND falsch. Gefragt sind Persönlichkeiten, für die es in Ordnung ist, im Hintergrund zu bleiben. Im LinkedIn-Profil die neuesten Karriereschritte präsentieren? Oder die jüngsten Erfolge anpreisen? Beim BND darf niemand außerhalb des Arbeitsplatzes über den Beruf sprechen – Thomas stellt das vor keine große Herausforderung: „Viele Freunde denken, dass ich noch bei meinem vorherigen Arbeitgeber bin“, erzählt er. „Je langweiliger man seinen Job macht, desto weniger Fragen stellen die Leute.“ Ebenfalls ein Credo, mit dem sich kritische Gespräche umgehen lassen: „Wer will schon in seiner Freizeit über die Arbeit sprechen?“ Dabei findet der Beamte im mittleren Dienst seine Tätigkeit alles andere als langweilig. Für ihn sei ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen, sagt er – und meint damit vor allem die Arbeit mit Karten, die ihn schon immer fasziniert hat. Deshalb hat er vor seiner Zeit beim Bundesnachrichtendienst eine Ausbildung zum Geomatiker gemacht. Geodaten beschaffen, diese in Grafiken setzen, geografische Informationssysteme nutzen, all das hat er von der Pike auf gelernt. „Das Leben ist viel mehr als Google Maps“, schwärmt der BND-Mitarbeiter. „Die Welt ist ständig im Wandel und voller Prozesse, die man abbilden kann.“ Woher kommen die Aufträge? Was genau er kartografisch aufbereiten soll, erfährt Thomas von anderen Abteilungen, die ihn beauftragen. Und die Aufträge wiederum ergeben sich indirekt aus dem sogenannten Auftragsprofil der Bundesregierung. Dessen Inhalt ist streng geheim. Aber: „Wer regelmäßig die Nachrichten verfolgt, wird sich in etwa denken können, welche Themen sicherheitspolitisch von Bedeutung sind.“ So viel darf der Geomatiker verraten, der nur die Inhalte kennt, mit denen er sich befasst. Seine Aufträge erledigt er sehr gewissenhaft. Schludereien kann sich niemand erlauben; im Extremfall kosten Fehler Menschenleben. JOB-PORTRAIT Kartograf beim Bundesnachrichtendienst Wenn der Arbeitgeber geheim bleiben muss Absolutes Stillschweigen über dienstliche Angelegenheiten: Diskretion steht beim Bundesnachrichtendienst an oberster Stelle. Indiskretion kostet schlimmstenfalls Menschenleben. „Die Welt ist ständig im Wandel und voller Prozesse, die man abbilden kann.“ Thomas, Kartograf beim BND Entwicklungen erfassen und Daten aufb ereiten, sie zu visualisieren – das ist der Job von Thomas. © BND 28 INTERN dbb magazin | November 2024

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