dbb magazin 11/2024

tion beziehungsweise gegen den Staat“ – aber klar sei auch, dass es etwas mit den Beschäftigten macht, wenn sie ständig Beleidigungen oder Schlimmerem ausgesetzt sind. „Sobald es persönlich wird, muss es Konsequenzen geben. Dass viele Strafanträge keinerlei Konsequenzen haben, stößt bei den Kolleginnen und Kollegen auf Unverständnis.“ Die junge Gewerkschafterin warb für mehr Vernetzung, um Beschäftigte im öffentlichen Dienst besser zu schützen. Beispiel: „Wir von der Polizei können dank unserer Ausbildung viel Know-how weitergeben, was Deeskalation und Selbstverteidigung betrifft. Davon können andere profitieren“ – denn leider sei es so, dass entsprechende Kenntnisse zunehmend auch in Ämtern und Behörden relevant sind, wo es bislang nicht der Fall war. Beispielsweise bei der Arbeitsagentur oder im Finanzamt. Mehr Prävention durch Meldesysteme Vernetzung – das ist auch für Daria Abramov, stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend, ein zentrales Stichwort. Sie arbeitet als Teamleiterin im Sozialamt in Wuppertal. „Wenn jemand im Einwohnermeldeamt randaliert hat, weiß ich davon in der Regel nichts, wenn die Person zu uns kommt“, berichtete Abramov. Dabei wäre die Information hilfreich, um gegebenenfalls Vorkehrungen zu treffen. Sie forderte: „Wir brauchen überall ein behördenübergreifendes Meldesystem, in Köln gibt es das bereits. Als Gegenargument kommt oft, dass es wegen des Datenschutzes nicht geht. Aber es kann doch nicht sein, dass der Datenschutz wichtiger ist als die körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten.“ Ihr Arbeitgeber verfolge eine Nulltoleranzstrategie, erklärte die Gewerkschafterin. Was einen Straftatbestand erfüllt, wird zur Anzeige gebracht. „Das ist noch keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen Führungskräfte so schulen, dass sie ihren Beschäftigten den Rücken stärken. Niemand soll Beleidigungen und Übergriffe hinnehmen müssen.“ Blinde Flecken nicht vergessen Das Netzwerk #sicherimDienst leistet Präventionsarbeit für Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen; mehr als 750 Behörden, Institutionen, Verbände und Organisationen sind beteiligt. „Was Übergriffe betrifft, gibt es immer noch blinde Flecken, die wir uns auch anschauen müssen“, sagte André Niewöhner vom Netzwerk. „Die Bademeister-Debatte ist durch die Medien bekannt, die Situation im Straßenwesen hingegen kaum.“ Was aus Sicht des Netzwerks zu tun ist? „Zentral ist eine ganzheitliche Vorgehensweise, die sich über mehrere Ebenen erstreckt“, erklärte Niewöhner. Zunächst umfasse Prävention bauliche und technische Maßnahmen: „Dazu gehören etwa Alarmknöpfe unter dem Schreibtisch, die Beschäftigte im Notfall drücken können, und ein geregelter Fluchtweg.“ Auch personenbezogene und organisatorische Maßnahmen spielten eine große Rolle: „Damit sind beispielsweise Schulungen gemeint, die vermitteln, was im Ernstfall zu tun ist. Führungskräfte sind in der Verantwortung, alles in die Wege zu leiten. Viele Behörden wissen gar nicht, dass man sich die kriminalpolizeiliche Beratungsstelle für eine Begehung ins Haus holen kann“, berichtete Niewöhner. „Diese hat immer wertvolle Tipps parat.“ Für den Experten sind zwei weitere Aspekte von großer Bedeutung. Erstens: „Machen Sie das Thema zum Thema! Nur so kommen die Dinge ins Rollen.“ Und zweitens: „Tauschen Sie erfolgreiche Konzepte aus. Es müssen nicht alle das Rad neu erfinden!“ Beispiel: In Wuppertal verschickt das Sozialamt blaue Briefe an alle, die durch unangemessenes Verhalten aufgefallen sind. „Das hat tolle Effekte. Manche entschuldigen sich, sagen, sie hätten einen schlechten Tag gehabt, oder kommen sogar mit Blumen vorbei.“ Mehr Personal, mehr Zufriedenheit Die Stadt Kiel verzeichne eine jährlich vierstellige Zahl an Übergriffen auf Beschäftigte, sagte Christian Zierau, Stadtrat für Finanzen, Ordnung und Feuerwehr. Er verwies darauf, dass die Beschäftigten in vielen Behörden unter hohem Druck stehen, unter anderem im Bereich Zuwanderung. „Es ist kaum möglich, die Aufgaben zügig abzuarbeiten und den Menschen schnelle Antworten zu geben“ – das erzeuge mitunter Frust. Deshalb sei es so wichtig, dass Personaldecke und Ausstattung stimmen. „Bei der Feuerwehr habe ich gelernt: Der Löschzug fährt nur vollständig raus und das muss auch so sein, sonst kommt die Hilfe nicht an“ – in der Verwaltung seien die Teams fast nie vollständig. Zierau: „Aber funktionieren muss es trotzdem, da sind die Führungskräfte gefragt, gutes Personalmanagement und innovative Prozesse.“ All das trage dazu bei, dass die Bürgerinnen und Bürger zufriedener sind – und es damit weniger Anlässe für Aggressionen und Übergriffe gibt. cdi Christian Zierau André Niewöhner Daria Abramov © Christoph Dierking (6) INTERN 33 dbb magazin | November 2024

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