GEWERKSCHAFTEN Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat am 10. Oktober 2024 im Rahmen der Bildungsministerkonferenz Empfehlungen zum Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) in Schulen erörtert. Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), betonte: „Die Schule kann sich der fortschreitenden Digitalisierung nicht entziehen. Umso wichtiger ist es, klare Rahmenbedingungen und Leitlinien zu setzen. Dabei muss das Primat der Pädagogik gewahrt bleiben. Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein, ihr Einsatz muss einen erkennbaren Nutzen für die Schülerinnen und Schüler haben.“ Brand lobte außerdem, dass die Chancengerechtigkeit beim Einsatz von KI umfassend berücksichtigt wurde. In der Empfehlung werde das Potenzial des Einsatzes von künstlicher Intelligenz ausführlich behandelt, die damit verbundenen Herausforderungen kämen jedoch zu kurz, so Brand. „Während KI die Formulierung von Aufgaben für unterschiedliche Kompetenzniveaus erleichtern kann, müssen die Lernwege jedoch weiterhin durch die Lehrkräfte individuell begleitet und nachvollzogen werden“, betonte er. Brand weiter: „Der Einsatz eines breiten Katalogs zeitgemäßer Prüfungsformate ist zwar sinnvoll, um verschiedene Lernniveaus und Kompetenzen zu berücksichtigen, stellt jedoch keine Entlastung für Lehrkräfte dar. Im Gegenteil, er erfordert einen noch differenzierteren Blick auf Lernprozesse, -fortschritte und -ergebnisse. Das Versprechen, dass KI zu einer Entlastung führt, ist keineswegs garantiert!“ Im Vorfeld der Kultusministerkonferenz und angesichts der fortschreitenden Diskussionen über den Ein- satz künstlicher Intelligenz (KI) im Schulbereich hat der Deutsche Philologenverband (DPhV) vor unrealistischen Erwartungen gewarnt. Der Verband plädiert für einen kritischkonstruktiven Umgang mit dieser Technologie. Die DPhV-Bundesvorsitzende Prof. Susanne Lin-Klitzing betonte die Bedeutung der menschlichen Interaktion im Bildungsprozess: „Das Wichtigste in der schulischen Erziehung und Bildung ist der persönliche Austausch zwischen Lehrkräften und Schülern sowie zwischen den Schülerinnen und Schülern selbst. Trotz der vielversprechenden Möglichkeiten, die KI heute und in Zukunft bietet, dürfen wir nicht der Illusion verfallen, dass damit der Lehrkräftemangel über Nacht gelöst wird. Wer glaubt, KI könne kurzfristig den Bedarf an professionellen Lehrkräften verringern oder sie gar ersetzen, irrt sich gewaltig.“ Lin-Klitzing hob außerdem hervor, dass auch der Einsatz von KI die Effizienz des Lernens nicht beliebig steigern könne: „Lernen und Verstehen erfordern Zeit, weil die Schülerinnen und Schüler die Inhalte eigenständig durchdringen und verarbeiten müssen – das kann keine KI übernehmen.“ Nach Auffassung von Lin-Klitzing ist es notwendig, dass die KMK sowie die Bildungsminister der Länder solide Rahmenbedingungen für den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bildungsbereich schaffen: „Es bestehen noch viele Unsicherheiten, vor allem hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben.“ Beim Einsatz von KI müssten sowohl die Persönlichkeitsrechte der Schülerinnen und Schüler als auch die der Lehrkräfte geschützt werden, was ein Identitätsmanagement nach höchsten Sicherheitsstandards erfordere. Zudem stelle sich die Frage, wie Lehrkräfte, die bereits durch zahlreiche vorrangige Themen wie die Demokratiebildung stark belastet sind, KI sinnvoll in ihren Unterricht integrieren sollen. Lehrkräfte bräuchten mehr Fortbildungsangebote und eine Reduzierung ihres Unterrichtspensums. Der Bundesvorsitzende des Verbandes Deutscher Realschullehrer (VDR), Ralf Neugschwender, äußerte sich im Vorfeld der weiterhin ausstehenden Einigung zwischen Bund und Ländern zum „Digitalpakt 2.0“ kritisch: „Es ist beschämend, dass der Digitalpakt 2.0 noch immer nicht verabschiedet wurde. Dieses eklatante Versagen der Bildungspolitik in Deutschland entzieht unseren Schulen die nötige Planungssicherheit und beraubt unsere Schülerinnen und Schüler wichtiger Zukunftschancen.“ Dringend notwendig sei eine langfristige Sicherstellung der finanziellen Mittel. „Durch den ersten Digitalpakt konnten viele Klassenzimmer bereits zu digitalen Lernumgebungen werden. Umso wichtiger ist es, dass dieser Fortschritt 2025 nahtlos fortgesetzt wird.“ Deutschland dürfe im europäischen Vergleich nicht weiter zurückfallen, sondern müsse gerade jetzt mit Nachdruck handeln. Es gehe nicht nur um Chancengerechtigkeit, sondern auch um die beruflichen Perspektiven unserer Jugend. „Alle Schülerinnen und Schüler müssen auf eine vernetzte, digitale Welt vorbereitet werden. Angesichts der Tatsache, dass sich in sozialen Medien sowohl wahre als auch falsche Informationen rasend schnell verbreiten, ist es entscheidend, dass die Schulen Bedingungen schaffen, die eine sinnvolle Nutzung digitaler Werkzeuge und eine kritische Auseinandersetzung damit ermöglichen. Der Digitalpakt 2.0 muss ohne Verzögerung auf den Weg gebracht werden. Bund und Länder sind gefordert, auf der kommenden Bildungsministerkonferenz endlich konkrete Ergebnisse zu liefern.“ dbb Bildungsgewerkschaften Digitalisierung im Fokus Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des DPhV Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des VBE Ralf Neugschwender, Bundesvorsitzender des VDR 42 KOMPAKT dbb magazin | November 2024
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