Deutschland sein. Das Land leidet jedoch weiterhin unter einer chronischen Investitionsschwäche, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Einkommenserhöhungen sind Investitionen Dem öffentlichen Dienst kommt eine zentrale Rolle bei der Beseitigung des Sanierungsstaus zu. Investitionen in den öffentlichen Dienst gehen dabei über IT-Ausstattung und bessere Arbeitsbedingungen hinaus; sie müssen auch angemessene Lohnerhöhungen umfassen. Der demografische Wandel verschärft den Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Diese dringend erforderlichen Investitionen können jedoch nur dann wirksam umgesetzt werden, wenn die zuständigen Verwaltungen personell ausreichend ausgestattet sind. Für eine leistungsfähige Infrastruktur ist es unerlässlich, genügend gut ausgebildetes und motiviertes Personal zur Verfügung zu haben. Zwar steht die hohe Qualifikation der Beschäftigten, die tagtäglich dafür sorgen, dass das Land funktioniert, außer Frage. Doch es ist ebenso offensichtlich, dass es an vielen Stellen an Personal mangelt. Dies verschlechtert die ohnehin angespannten Arbeitsbedingungen, die infolge unzureichender Investitionen – etwa in die ITInfrastruktur – bestenfalls noch als akzeptabel bezeichnet werden können. Dieser Kreislauf wirkt sich direkt auf die Motivation der Beschäftigten aus. Es ist daher höchste Zeit, in die Mitarbeitenden zu investieren und im Rahmen der kommenden Einkommensrunde ein klares, positives Signal an die Beschäftigten in Bund und Kommunen zu senden. Die Kaufkraft der Beschäftigten im öffentlichen Dienst muss ebenso gesteigert werden wie die der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft. Eine angemessene Lohnerhöhung ist unerlässlich, um den privaten Konsum zu stärken und damit die schwächelnde Konjunktur zu beleben. Andernfalls droht Deutschland in eine lang anhaltende Wirtschaftsflaute abzurutschen, was nicht nur ökonomische, sondern auch gesellschaftliche Verwerfungen zur Folge haben könnte. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, Missverständnisse auszuräumen: Die aktuellen Forderungen im Rahmen der Tarifverhandlungen bei Bund und Kommunen basieren nicht auf überzogenen Ansprüchen oder unangemessener Gier. Der dbb sieht sich zwar regelmäßig mit solchen Vorwürfen konfrontiert, jedoch sind diese nicht zutreffend. Deutlich muss gesagt werden: So kann man die Diskussion nicht führen! Der Verweis auf eine gesunkene Inflationsrate greift zu kurz, da die Preisentwicklung nach wie vor auf einem durch die zweistelligen Steigerungen der vergangenen Jahre stark erhöhten Niveau erfolgt. Zudem stellt die jüngst angekündigte Erhöhung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung durch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach einen weiteren finanziellen Einschnitt für die Bürgerinnen und Bürger dar. Was spricht also gegen eine Investitionsoffensive in Personal und Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst als Teil der umfassenden Erneuerung der Infrastruktur Deutschlands? Schuldenbremse flexibilisieren, Investitionsregel einführen Die seit Monaten andauernde Debatte über eine mögliche Lockerung – nicht Abschaffung – der Schuldenbremse und über eine Erhöhung der Investitionen, beispielsweise durch ein „Sondervermögen Infrastruktur“ oder durch eine Neuausrichtung der Ressorthaushalte, verdeutlicht eindrücklich, wie umstritten das Thema Investitionen derzeit ist. Es ist festzuhalten, dass die Forderung nach einer Lockerung der Schuldenbremse nicht von unverantwortlichen Risikospielern ausgeht. Vielmehr sind es der Sachverständigenrat, führende Wirtschaftsforschungsinstitute sowie die Deutsche Bundesbank, die eine Modifikation der Schuldenbremse für sinnvoll halten. Vor dem Hintergrund der stagnierenden Baukonjunktur erweist sich auch das oft vorgebrachte Argument, öffentliche Investitionen könnten private Investitionen verdrängen, als wenig überzeugend. Die Folgen der aktuellen fiskalpolitischen Regeln sind eindeutig: Sie erschweren sowohl Investitionen in die Transformation als auch den Erhalt der bestehenden Infrastruktur. Deutschland lebt von der Substanz, und der Verschleiß der vorhandenen Infrastruktur wird nur unzureichend aufgehalten. Erforderlich wäre an dieser Stelle etwa die Einführung einer im Grundgesetz verankerten Investitionsregel, um die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu finanzieren. Diese Reform könnte durch eine geringfügige Anpassung der im Grundgesetz festgeschriebenen Schuldenbremse umgesetzt werden, ohne dabei die europäischen Verschuldungsgrenzen zu überschreiten. Dies erfordert jedoch eine koordinierte Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen. Öffentliche Investitionen sind langfristig nicht verloren, sondern entfalten nachhaltige Wirkung. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bundesfinanzministeriums (BMF) haben staatliche Investitionen einen direkten positiven Einfluss auf private Investitionen und damit auf die wirtschaftliche Entwicklung: Die Studie zeigt, dass ein Euro an öffentlichen Investitionen im Durchschnitt 1,50 Euro an privaten Investitionen nach sich zieht. Eines ist klar: Investitionen in den Ausbau von Schienen- und Straßennetzen, eine bessere Ausstattung von Schulen, Behörden und Dienststellen sowie Maßnahmen zur Förderung von Gesundheits- und Sozialberufen werden nur dann von nachhaltigem Nutzen sein, wenn auch das nötige Personal erhalten und aufgestockt wird. Dafür müssen Bund und Kommunen jetzt erhebliche finanzielle Mittel bereitstellen. Andernfalls drohen langfristige Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft, sinkende Steuereinnahmen und weiter schrumpfende finanzielle Spielräume der öffentlichen Haushalte. rh/krz Model Foto: Colourbox.de 8 AKTUELL dbb magazin | November 2024
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