dbb magazin 12/2024

Bürgergesellschaft Unabhängiges Engagement Dass Bürger freiwillig für Bürger einstehen, festigt unser Zusammenleben. Initiativen und Vereine brauchen dafür unabhängig vom Staat Austausch und Vernetzung. Was haben dbb, Deutsche Bank, Bundesjugendring und Deutscher Kinderhospizverein gemeinsam? Sie alle sind Mitglieder im Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Seit über 20 Jahren ist das BBE die Plattform, auf der sich zivilgesellschaftliche Akteure selbst organisieren, sich miteinander vernetzen, gemeinsam Lobbyarbeit betreiben. Der Begriff Zivilgesellschaft ist dabei bewusst weit gefasst: Landeshauptstädte und Mitglieder der Paritätischen Wohlfahrtsverbände sind dabei, große private Stiftungen wie Bertelsmann oder Körber, Sportverbände von DFB bis DOSB, Dachorganisationen wie die BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen), kirchliche Organisationen, Parteistiftungen. Die Gründung des Netzwerkes 2003 geht allerdings aus einer Empfehlung der Enquetekommission des Bundestages zur „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ zurück. Die Geschäftsstelle in Berlin wird aus Mitteln des Bundesfamilienministeriums finanziert. Sonst aber ist der Staat draußen. Er soll den Stiftungen und Vereinen nicht, zum Beispiel auf dem Umweg über Bundesstiftungen, „hineinregieren“. Vereinsland Deutschland Bürgerschaftliches Engagement ist in der Demokratie unverzichtbar, die Arbeit Freiwilliger eine Art Kitt der Gesellschaft. Deswegen kommt den 619 759 Vereinen (Stand: Juli 2022) in Deutschland eine zentrale Bedeutung zu. Dass laut Stifterverband die Zahl der Neueintragungen von Jahr zu Jahr abnimmt, ist in einer Gesellschaft mit immer weniger jungen Menschen noch kein wirklicher Grund zur Sorge. Derzeit sind laut vereinsplaner.de in Deutschland knapp 34 Millionen Menschen Mitglieder von Vereinen. Das entspricht mehr als 37 Prozent der deutschen Bevölkerung. Das könnte sich in Zukunft aber ändern. Wegen des demografischen Wandels wachsen einfach nicht mehr genug Mitglieder nach, um den natürlichen Mitgliederschwund auszugleichen. Bald weniger Ehrenamtliche? „Die Zahl der Menschen in unserer Stadt, die ihr Engagement und ihre Zeit unentgeltlich einbringen, nimmt ab“, sagt Evelyn Müller. Sie muss es wissen. Sie betreut die Ehrenamtsarbeit in Sprockhövel im südlichen Ruhrgebiet. Die Neigung des Einzelnen, die persönliche Freizeit weitgehend in den Dienst für die Nächsten zu investieren und Verantwortung zu übernehmen, sei spürbar gesunken, fasst Müller ihre Erfahrungen in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung zusammen. „Die Älteren, die mitunter schon seit Jahrzehnten ehrenamtlich im Einsatz sind, bleiben bei der Stange.“ Aber der notwendige Generationenwechsel gestalte sich schwierig, sodass Vorstände in vielen Vereinen mangels Ablösung immer älter werden, so Müller. Auch die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) bestätigt den Befund: Es falle Jüngeren schwerer, sich aufs Vereinsleben festzulegen. Jugendliche und junge Erwachsene zögen für Ausbildung und Berufsstart aus ihrer Heimatgegend fort. Erst ab 30 kämen einige wieder zurück. Das reiße deutliche Lücken in die Mitgliederlisten und erschwere eine kontinuierliche Vereinsarbeit. So verschwinden nicht nur Vereine mit jahrzehntelanger Tradition. Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) beklagt den Mangel an ehrenamtlich Engagierten, Trainerinnen und Übungsleitern. Zudem befänden sich viele Sportstätten in einem schlechten Zustand und warteten „seit Jahrzehnten“ auf Modernisierung. Neue Formen des Engagements Freiwilliges und ehrenamtliches Engagement findet vielleicht einfach andere Wege als noch vor 20 Jahren. So ist man beim BBE stolz darauf, dass das Netzwerkprogramm „Engagierte Stadt“, das seit seiner Gründung 2015 nachhaltige Engagementsstrukturen aufbaut und weiterentwickelt, inzwischen 112 Städte miteinander vernetzt. Die können von erprobten Praxislösungen und der Vielfalt lokaler Konzepte profitieren. Ob die Freiwilligenarbeit aus Vereinen oder anderen Organisationsformen heraus geleistet wird, ist dabei nachrangig. Problematisch ist, dass diese Strukturen teils auffangen sollen, was von staatlicher Ebene nicht mehr geleistet werden kann, weil vor allem auf kommunaler Ebene die Mittel fehlen. Eine gute Nachricht zum Schluss: Ende Oktober teilte der DOSB mit, dass über 28 Millionen Menschen Mitglieder in den rund 86 000 deutschen Sportvereinen sind. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung von 890 000 Mitgliedschaften und der höchste Wert seit der ersten Bestandserhebung im Jahr 1954. Besonders häufig sind der Erhebung des DSOB zufolge junge und alte Menschen Sportvereinen beigetreten. In der Altersgruppe bis 14 Jahre stieg die Anzahl der Mitgliedschaften bei Jungen und Mädchen um 455 178 und damit mehr als doppelt so stark wie im Gesamtdurchschnitt aller Altersklassen. Damit ist jedes zweite Kind in Deutschland Mitglied in einem Sportverein. Im Bereich Ü60 kamen mehr als 230 000 neue Mitgliedschaften hinzu. Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung in Deutschland ist es laut DOSB wichtig, insbesondere diese Zielgruppe in Zukunft noch stärker zu binden. ada Foto: Colourbox.de 20 FOKUS dbb magazin | Dezember 2024

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