ONLINE Energieversorgung von Rechenzentren KI und Kohle Der weltweite Hunger nach mehr Rechenleistung ist unersättlich. Rechenzentren verschlingen Unmengen Strom und neue Anwendungen beschleunigen den Trend exponentiell. Wird künstliche Intelligenz zum Klimakiller oder kann sie am Ende sogar helfen, Energie zu sparen? Nordrhein-Westfalen hatte unverschämtes Glück: Das Bundesland saß auf dem größten Braunkohlevorkommen in Deutschland und einem der größten in ganz Europa. Das rheinische Kohlerevier brachte der Region zur Zeit der industriellen Revolution den wirtschaftlichen Aufschwung und wurde zu einem der bedeutendsten Industriezentren des Kontinents. Doch die Kohlekrise ab dem Ende der 1950er-Jahre förderte mehr und mehr Probleme ans Tageslicht: Zehntausende Arbeitslose, gesundheitliche und ökologische Schäden und die Suche nach einem neuen Wirtschaftszweig, um einen neuen Phönix aus der Asche aufsteigen zu lassen. 60 Jahre nach dem Höhepunkt der Kohlekrise gibt es wieder einen Hoffnungsschimmer. 3,2 Milliarden Euro will Microsoft in die Region investieren, um drei gigantische Rechenzentren zu bauen. Es ist die größte Summe, die das US-Unternehmen bisher in Deutschland investiert hat. Tausende neue Jobs sollen dadurch entstehen und den Strukturwandel bringen. Wo früher Rauchwolken den Himmel verdeckten, sollen bald Cloud-Computing und KI in neue Höhen steigen. In Bergheim, Bedburg und einem dritten Standort will der Softwareriese sogenannte Hyperscaler-Rechenzentren errichten. Hyperscaler bedeutet, dass die Leistung und Größe der Anlagen weit über die herkömmlichen Werte hinausgehen: Mit mehr als 5 000 Servern auf 1 000 Quadratmetern Nutzfläche stellen sie bisherige Cluster in den Schatten. Der Stromverbrauch ganzer Bundesländer Die große Herausforderung: Rechenzentren brauchen Strom. Unfassbar viel Strom. Schon heute liegt der Stromverbrauch der europäischen Rechenzentren bei etwa 62 Terawattstunden pro Jahr. Das sind zwei Prozent des gesamten europäischen Stromverbrauchs oder die Menge, die Baden-Württemberg jedes Jahr verbraucht. IBM siedelt den Stromverbrauch zwischen 876 Megawattstunden pro Jahr für kleine Rechenzentren mit 100 Quadratmetern Nutzfläche und 26 280 Megawattstunden pro Jahr für Hyperscaler an. Bei gleich drei solcher Riesenrechner ist das eine gewaltige Menge an Energie, die der knapp 500 000 Einwohner große Rhein-Erft-Kreis zusätzlich aufbringen muss – und das nicht unbedingt auf saubere Weise, denn erneuerbare Energien machen in NRW nur ein Viertel der Stromproduktion aus. Der Löwenanteil wird aus Kohle und Erdgas gewonnen. Wie viel Prozent der Stromzufuhr am Ende durch grünen Strom abgedeckt werden soll, ist bisher nicht bekannt. Bei der Wahl der Standorte waren für Microsoft erneut die „Bodenschätze“ der entscheidende Faktor. Diesmal sind es weniger die Kohlenflöze als vielmehr die beiden Datenautobahnen, 26 FOKUS dbb magazin | Dezember 2024
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