dbb magazin 1-2/2025

dbb magazin 1-2 | 2025 Zeitschrift für den öffentlichen Dienst Interview | Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat Reportage | Waldbau in Brandenburg – Ökologie und Ökonomie Hand in Hand dbb Jahrestagung | Deutschland im Wahljahr – Fragen und Erwartungen

STARTER Realpolitik ist Pflicht, nicht Kür Die Politikerinnen und Politiker der demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag wissen, was die Stunde geschlagen hat. Diesen Eindruck haben sie zumindest auf der 66. Jahrestagung des dbb in Köln vermittelt: Die Wirtschaftskrise lösen, die Demokratie gegen Angriffe verteidigen, die Transformation der Arbeitswelt gestalten und den öffentlichen Dienst fit für die Zukunft machen – all das steht auf den Agenden der amtierenden Verantwortlichen und derer in spe. Weniger breit war dagegen das Angebot an konkreten Lösungen, und selbst dort, wo gute Ansätze erkennbar waren, besteht die Gefahr, dass sie über kurz oder lang parteipolitischen Erwägungen zum Opfer fallen. Der Blick für das Wesentliche droht verloren zu gehen, wenn wichtige Entscheidungen mit Blick auf Umfragewerte und den nächsten Wahlkampf getroffen werden. Realpolitik verlangt, Ideologien und Parteidogmen dort zurückzustellen, wo sie einer effektiven Problemlösung im Wege stehen. Ein funktionierender öffentlicher Dienst, nachhaltige Finanzpolitik und ein starkes Bildungssystem sind keine Themen für tagespolitisches Taktieren – sie sind die Grundpfeiler einer stabilen Gesellschaft. Deutschland braucht eine Politik, die nach vorn denkt und auf Substanz setzt. Das erfordert die Bereitschaft zur Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte über Parteigrenzen hinweg, einen offenen Dialog mit der Gesellschaft und die Orientierung an den realen Herausforderungen unserer Zeit. Nur so können wir die Weichen für eine stabile Zukunft stellen – für ein Deutschland, das im Inneren stark und nach außen handlungsfähig bleibt. br 20 6 22 TOPTHEMA dbb Jahrestagung in Köln 36 AKTUELL EINKOMMENSPOLITIK Auftakt EKR 2025 4 66. DBB JAHRESTAGUNG Deutschland im Wahljahr: Fragen und Erwartungen 6 Politischer Schlagabtausch: Der Staat muss Orientierung bieten 8 Paneldiskussion zur Bundestagswahl: Große Koalition für Digitalisierung 9 Vortrag und Diskussion über die Stabilität der Demokratie: Sanierungsplan für die Schlechtwetterphase 10 Streitgespräch: Bürokratieabbau verlangt Aufgabenkritik 14 Zukunft gestalten: Eine klare Vision vorlegen und Vertrauen schaffen 15 FOKUS INTERVIEW Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat: Der öffentliche Dienst duldet keine Extremisten in den eigenen Reihen 20 REPORTAGE Waldbau in Brandenburg: Ökologie und Ökonomie Hand in Hand 22 DBB FORUM Langzeitkonten im Beamtenbereich: Eine ungenutzte Chance? 27 BEAMTE Arbeitszeitkonten: Föderalismus engt die Spielräume ein 29 INTERN FRAUEN, JUGEND UND SENIOREN Bundestagswahl 2025: Ein Pflichtenheft für die Bundesregierung 33 EUROPA CESI-Kongress: Europa ist Garant für Frieden und Wohlstand 36 SERVICE Impressum 42 KOMPAKT GEWERKSCHAFTEN 44 © Rod Long/Unsplash.com AKTUELL 3 dbb magazin | Januar/Februar 2025

EINKOMMENSPOLITIK Einkommensrunde für Beschäftigte von Bund und Kommunen Es geht um die Konkurrenzfähigkeit des Staates Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten von Bund und Kommunen haben am 24. Januar 2025 in Potsdam begonnen. Der Personalmangel im öffentlichen Dienst wird drastisch zunehmen, wenn es keine spürbaren Einkommenszuwächse gibt. Bund und Kommunen stehen vor zukunftsweisenden Verhandlungen. Ein Angebot der Arbeitgebenden gab es nicht. Der Mangel jetzt: 570 000 – altersbedingte Abgänge in den nächsten zehn Jahren: 1,4 Millionen Beschäftigte. Wenn wir die Bezahlung im öffentlichen Dienst nicht deutlich verbessern, riskieren wir eine existenzielle Krise“, erklärte dbb Verhandlungsführer Volker Geyer vor Beginn der Gespräche in Potsdam. Der dbb warnt seit Jahren vor einem sich zuspitzenden Personalnotstand, den selbst KI, Digitalisierung und Bürokratieabbau nicht voll kompensieren können. Geyer: „Wir brauchen aber nicht nur mehr Geld in der Lohntüte, sondern auch zusätzliche freie Tage sowie ein ‚Mehr-Zeit-für-mich-Konto‘, mit dem die Beschäftigten ihre Zeit flexibler einteilen können. Beim Geld allein wird die Privatwirtschaft den Staat immer abhängen, deshalb ist für die Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Dienstes auch ein Faktor wie Arbeitszeitsouveränität entscheidend. Ich hoffe sehr, Bund und Kommunen begreifen den Ernst der Lage und legen schnell ein abschlussorientiertes Angebot vor. Anderenfalls stehen wir vor einem harten Tarifkonflikt.“ Im Interview mit der WirtschaftsWoche hatte Geyer zuvor die Überlastung in weiten Teilen des öffentlichen Dienstes thematisiert und klargestellt, dass die Forderung nach drei zusätzlichen freien Tagen nicht im Widerspruch zum besorgniserregenden Fachkräftemangel steht: „Viele Kolleginnen und Kollegen schieben einen Berg von Überstunden vor sich her. Das kann man den Beschäftigten nicht auf Dauer zumuten. Zusätzliche freie Tage tragen dazu bei, die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für Arbeitnehmer zu erhöhen“, erklärte Geyer am 22. Januar auf wiwo.de. Hinsichtlich der Finanzierung zeigte sich Geyer wenig besorgt: „Der deutsche Staat ist nicht arm; seine Steuereinnahmen haben mittlerweile die Grenze von einer Billion Euro pro Jahr überschritten. Es kommt auf die Prioritätensetzung an. Es ist so viel Geld im Staatssäckel wie nie zuvor.“ Deshalb sei es auch für den dbb ganz klar, dass ein möglicher Tarifabschluss zeitgleich und systemgerecht auf Besoldung und Versorgung des Bundes übertragen werden muss. „Ein Sonderopfer der Beamtinnen und Beamten ist für uns nicht verhandelbar.“ Vom Ausgang der ersten Verhandlungsrunde zeigte sich Geyer enttäuscht und bezeichnete es als inakzeptabel, wenn Bund und Kommunen zielführende Verhandlungen verzögern. „Unsere Forderungen liegen seit dem 9. Oktober vergangenen Jahres vor. Wo bleiben die konkreten Angebote von Bund und Kommunen? Wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser und VKA-Präsidentin Karin Welge uns in den Verhandlungen nur immer wieder die Finanzkrise der Kommunen vorhalten, kommen wir hier keinen Schritt weiter“, kritisierte Geyer nach Ende der Gespräche und unterstrich den Anspruch der Beschäftigten auf spürbare Einkommenszuwächse: „Die Finanzausstattung der Kommunen ist nicht aufgabengerecht. Daran sind aber nicht die Kolleginnen und Kollegen schuld, sondern Bund und Länder. Die Kommunen sollen sich das Geld bei denen holen, die die enorme Aufgabenlast zu verantworten haben. Die Beschäftigten werden aber auf keinen Fall ein ‚Sonderopfer Haushaltssanierung‘ akzeptieren. Es wird deshalb sicher zu Warnstreiks und Protestaktionen kommen, für die ich die Bevölkerung schon jetzt um Verständnis bitte. Bund und Kommunen lassen uns keine andere Wahl.“ _ Auftakt ohne Angebot: Die Gewerkschaften stellen sich auf zähe Verhandlungen ein. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen haben ihren Forderungen vor Verhandlungsbeginn in Potsdam Nachdruck verliehen. Für den dbb führt Tarifchef Volker Geyer die Verhandlungen. © Friedhelm Windmüller (2) Mehr Infos, Bilder und Hintergrundberichte zur Einkommensrunde im Web unter dbb.de/einkommensrunde Webtipp 4 AKTUELL dbb magazin | Januar/Februar 2025

Monitor öffentlicher Dienst 2025 Die Attraktivität für junge Fachkräfte steigt Mit dem Anfang Januar erschienenen dbb Monitor öffentlicher Dienst 2025 liegt auch in diesem Jahr wieder eine detaillierte Sammlung zu zentralen Kennzahlen des öffentlichen Sektors in Deutschland vor. Die zusammengestellten Zahlen und Fakten zeigen aktuelle Probleme unserer Gesellschaft. Zentral dabei: Dem öffentlichen Dienst fehlen 570 000 Beschäftigte – etwa 20 000 mehr als im Jahr zuvor“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 9. Januar 2025 zur Veröffentlichung der aktuellen Faktensammlung. „Für Fachkräftemangel, demografischen Wandel, eine herausfordernde innen- und außenpolitische Sicherheitslage und für das – aus Bürgersicht – bürokratische Dickicht, mit dem sich jeder und jede Einzelne auseinanderzusetzen hat, sobald er oder sie es mit dem Staat zu tun bekommt: Für all das können Politik, Dienst- und Arbeitgebende weiterhin keine hinreichenden Lösungen liefern.“ Das spiegelt sich auch im mangelnden Zutrauen der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit des Staates wider: Laut dbb Bürgerbefragung 2024 sind gerade noch 25 Prozent der Befragten überzeugt, dass der Staat handlungsfähig ist und seine Aufgaben angemessen erfüllen kann. „Sie unterscheiden dabei klar zwischen den staatlichen Institutionen und ihren Beschäftigten“, so Silberbach. So belegten auch im Jahr 2024 die Berufe des öffentlichen Dienstes wieder die Topplätze im Beruferanking, allen voran die Feuerwehrmänner und -frauen. Das Vertrauen in Berufsgruppen wie Richter und Richterinnen sowie Soldatinnen und Soldaten stieg im Vergleich zu den Vorjahren sogar sprunghaft um fünf Prozentpunkte an. Polizistinnen und Polizisten sowie Beamte und Beamtinnen legten um jeweils drei Prozentpunkte zu. Andererseits fühlen sich Beschäftigte des öffentlichen Dienstes im Vergleich stärker psychisch belastet. Das Zahlenwerk liefert erneut Informationen zur Situation der Auszubildenden, über einen Trend zur Verjüngung des Personalstammes und die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen. So stieg der Anteil der unter 25-Jährigen in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes stark an. Lag er beispielsweise im Bund 2014 bei 2,3 und bei den Kommunen bei 3,5 Prozent, war er 2022 auf 3,8 (Bund) beziehungsweise 3,9 (Kommunen) Prozent gestiegen. Im vorigen Jahr 2024 erreichte er dann sogar 10,9 (Bund) und 6,7 (Kommunen) Prozent. In den Ländern und bei den Sozialversicherungen waren 2024 jeweils 6,2 Prozent unter 25 Jahre alt. Ihr Anteil hatte sich im Vergleich zum Jahr 2014 in den Ländern mehr als verdreifacht und bei den Sozialversicherungen fast verdoppelt. In den obersten Bundesbehörden (ohne Bundesbank) waren unter den Beschäftigten zum Stichtag 30. Juni 2023 dem Statistischen Bundesamt zufolge 33 856 Personen im höheren Dienst beschäftigt, von denen 55,2 Prozent weiblich waren. Elf der 23 obersten Bundesbehörden beschäftigten jedoch weniger Frauen als Männer im höheren Dienst. Deutlich unterrepräsentiert waren weibliche Beschäftigte im höheren Dienst beispielsweise beim Bundesrechnungshof mit einem Anteil von 38 Prozent sowie im Auswärtigen Amt und beim Bundesverteidigungsministerium mit jeweils 40 Prozent. Besonders hoch war der Frauenanteil im höheren Dienst hingegen im Bundesfamilienministerium mit knapp 72 Prozent, gefolgt von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien mit 64 Prozent. Das Bundesbauministerium erreichte im höheren Dienst ein weitgehend ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern. _ Monitor öffentlicher Dienst 2025 Die Broschüre zum Download im PDF-Format: t1p.de/Monitor_oeffentlicher_Dienst_2025 Webtipp Personal und Entwicklung ■ 25 dbb beamtenbund und tarifunion · Monitor öffentlicher Dienst · 2025 Anteil der über 55-Jährigen – Zeitreihe Anteil der unter 25-Jährigen – Zeitreihe 2014 2016 2018 2020 2022 2024 Bund 94.199 98.280 102.065 105.275 108.815 116.400 % 28,7 30,4 31,1 31,8 31,1 22,2 Länder 605.291 607.450 612.775 618.755 620.800 637.600 % 25,7 25,9 25,7 25,1 24,4 24,3 Kommunen 353.971 386.645 421.355 458.165 493.250 524.400 % 25,2 26,8 28,3 29,4 29,8 30,2 Sozialversicherung 78.606 84.665 89.690 94.950 103.775 111.800 % 21,2 22,9 24,2 25,9 27,7 29,6 insgesamt 1.132.067 1.177.040 1.225.885 1.277.145 1.326.460 1.390.200 % 25,3 26,2 26,8 27,1 26,9 26,4 2014 2016 2018 2020 2022 2024 Bund 7.529 7.390 8.230 9.820 13.305 57.100 % 2,3 2,3 2,5 3 3,8 10,9 Länder 44.786 46.220 53.980 63.335 79.345 163.100 % 1,9 2 2,3 2,6 3,1 6,2 Kommunen 48.774 48.050 49.995 54.725 65.445 117.300 % 3,5 3,3 3,4 3,5 3,9 6,7 Sozialversicherung 12.068 11.125 11.525 11.195 12.170 23.300 % 3,3 3 3,1 3 3,2 6,2 insgesamt 113.168 112.796 123.741 139.087 170.265 360.800 % 2,5 2,5 2,7 2,8 3,5 6,8 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes nach Alter AKTUELL 5 dbb magazin | Januar/Februar 2025

JAHRESTAGUNG 66. dbb Jahrestagung Deutschland im Wahljahr – Fragen und Erwartungen © Marco Urban (4) Die Gefährdung der Demokratie durch populistische Kräfte, eine veränderte Sicherheitslage in Europa, angespannte Haushalte und eine alternde Gesellschaft – die Bundesrepublik Deutschland muss mit den größten Disruptionen seit dem Zweiten Weltkrieg umgehen. Politik und Gesellschaft müssen Antworten finden. Im Mittelpunkt der Krisenbewältigung steht der öffentliche Dienst als Garant für rechtsstaatliche und sichere Verhältnisse. Im Vorfeld der Bundestagswahl suchten Gäste aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Gesellschaft auf der 66. Jahrestagung des dbb vom 5. bis 7. Januar 2025 in Köln gangbare Wege aus der Dauerkrise. Für den dbb sind massive Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit des Staates – die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sieht das ähnlich, wie das Meinungsforschungsinstitut forsa für den dbb herausgefunden hat: Investitionen in den Ausbau der staatlichen Daseinsfürsorge, in Bildung, Sicherheit und Infrastruktur halten demnach 67 Prozent der Bevölkerung für sehr wichtig. Demgegenüber halten nur 20 Prozent der Befragten die Beibehaltung der Schuldenbremse und den Abbau von Altschulden oder allgemeine Steuersenkungen für dringend notwendig. Das machte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Volker Geyer in seinem Impulsvortrag auf der dbb Jahrestagung am 6. Januar 2025 in Köln deutlich: „Die Menschen wollen keinen Schuldenfetisch, die Menschen wollen Straßen, Schulen und Schutzpolizei. Schuldenbremse hin oder her: Diese Investitionen müssen Priorität haben!“ Das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit des Staates sei auf einem historischen Tiefstand, erinnerte Geyer an entsprechende Erhebungen aus dem vergangenen Sommer. Die 6 AKTUELL dbb magazin | Januar/Februar 2025

Folgen seien gefährlich. „Wo das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen schwindet, da schwindet auch der Respekt vor seinen Beschäftigten. Und wo der Respekt schwindet, da wird der Weg zur Gewalt immer kürzer“, so der dbb Vize. Das hätten etwa die jüngsten Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht einmal mehr deutlich gemacht. Die Erwartung an die Politik sei daher, für ein funktionierendes Gemeinwesen zu sorgen. Geyer: „Dazu gehört die Stadtbücherei. Das Schwimmbad. Die Schule. Die Polizei. Die Straße. Die Bahn. Kurz: Zu einer Demokratie gehört ein funktionierender Staat!“ Der dbb erwartet erste konkrete Schritte bereits in der Ende Januar beginnenden Einkommensrunde mit Bund und Kommunen und fordert Entgelterhöhungen im Volumen von acht Prozent, mindestens aber 350 Euro monatlich sowie mehr Arbeitszeitsouveränität für die Beschäftigten. Für die Beamtinnen und Beamten des Bundes drängt der dbb weiterhin auf eine verfassungskonforme Besoldung sowie eine Rückführung der Wochenarbeitszeit von 41 auf 39 Stunden. Die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Simone Fleischmann hatte die Tagung zuvor in Vertretung des erkrankten dbb Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach und des ebenfalls erkrankten zweiten Bundesvorsitzenden Waldemar Dombrowski eröffnet und einen breiten politischen und gesellschaftlichen Dialog angeregt: „Die schrecklichen Bilder des vergangenen Jahres beim Anschlag von Magdeburg, Desinformationskampagnen, Angriffe auf die Demokratie und die sich zuspitzende Wirtschaftskrise zeigen, wie verletzlich das Staatswesen ist. Deshalb ist das Forum, das die Jahrestagung des dbb in politisch bewegten Zeiten bietet, wichtiger denn je.“ Vor allem gelte es, Wege zu finden, die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu sichern und die Belastungen für die Beschäftigten abzufedern. 2025 sei ein entscheidendes Jahr für Deutschland und Europa. „Bei der vorgezogenen Bundestagswahl stehen die demokratischen Kräfte in der Verantwortung, die richtigen Weichen zu stellen.“ Die Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, bezeichnete die Bundestagswahl als Stimmungstest, über dem die Sorge um die Demokratie stehe, da populistische und rechte Parteien im Aufwind seien. „Die Keimzellen der Demokratie sind die Kommunen. Dort erleben die Menschen den Staat vor Ort. Was dort nicht funktioniert, kratzt direkt am Vertrauen der Bevölkerung in den Staat.“ Dass auf kommunaler Ebene vieles nicht funktioniert, liege nicht an den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, sondern liege in strukturellen Problemen begründet. Reker forderte in diesem Zusammenhang erneut eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen und kritisierte den steigenden Mehraufwand für Pflicht- und neue kommunale Aufgaben. Vor allem dürfe das Konnexitätsprinzip nicht permanent gebrochen werden. Es soll eigentlich sicherstellen, dass keine kostenintensiven Aufgaben vom Land auf die kommunale Ebene übertragen werden, ohne dass die Kommunen für diese Mehrbelastung vom Land einen entsprechenden Ausgleich erhalten. Weiter plädierte Reker für einen beschleunigten Wohnungsbau: „Hierbei Zeit zu verlieren wäre fatal, denn in Städten wie Köln ist Wohnen mittlerweile zu einer sozialen Frage geworden, die Sprengkraft für den gesellschaftlichen Zusammenhalt besitzt.“ Neues Vertrauen in den Staat könne nur wachsen, wenn Erwartungen und Realisierbarkeit in Einklang stünden. Dazu seien leistungsfähige Verwaltungen nötig, die wettbewerbsfähige Gehälter zahlen und personell wie materiell gut ausgestattet sind. „Die Krisen unserer Zeit dürfen uns nicht lähmen, denn es gibt Lösungen, die umgesetzt werden können.“ Die Kommunen stünden dabei im Mittelpunkt der Daseinsvorsorge und müssten wieder stärker berücksichtigt werden, wenn es um die Umsetzung neuer Gesetze geht. „Dann werden wir unsere Aufgaben als Keimzellen der Demokratie erfüllen können.“ ef, br Henriette Reker Simone Fleischmann Volker Geyer AKTUELL 7 dbb magazin | Januar/Februar 2025

JAHRESTAGUNG Politischer Schlagabtausch Der Staat muss Orientierung bieten Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat, lobte in ihrer Rede am 6. Januar 2025 auf der dbb Jahrestagung die Leistungen des öffentlichen Dienstes und sprach sich für mehr Schutz und Investitionen aus. Der öffentliche Dienst ist das Rückgrat der Demokratie und des Rechtsstaates und ist ein Garant für Sicherheit und den Schutz der Freiheiten“, sagte Faeser am 6. Januar 2025 in Köln. „Mein Dank gilt den fünf Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes.“ Auch sie sehe, dass sowohl der öffentliche Dienst als auch die Demokratie unter Druck stehen: „Die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen, ist nicht einfacher geworden. Wir haben auch im öffentlichen Dienst Fachkräftemangel und konkurrieren mit der freien Wirtschaft.“ Damit Deutschland gut aufgestellt ist, bedarf es eines gut aufgestellten öffentlichen Dienstes. Dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit des Staates nachlässt, könne sie im Licht der Zeitenwende nachvollziehen. „Wichtig ist, dass die Politik die Bürgerinnen und Bürger nicht mit ihren Sorgen alleinlässt. Der Staat muss in Krisenzeiten Orientierung bieten.“ Gleichzeitig gehen der Respekt und der positive Umgang immer mehr verloren. Als Beispiel nannte sie die Gewalt an Silvester: „Einsatzkräfte wurden an ihrer Arbeit gehindert und sogar angegriffen. Das ist völlig inakzeptabel und muss harte Konsequenzen haben.“ Gewalt betreffe aber auch die Beschäftigten in der Verwaltung. Der BMI-Gewaltstudie zufolge habe bereits jede beziehungsweise jeder vierte Beschäftigte im öffentlichen Dienst Gewalt erlebt. Um das einzudämmen, müssen unter anderem präventive Strategien entwickelt werden. „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind das Gesicht des Staates und verdienen mehr Schutz.“ Mit Blick auf die bevorstehenden Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaft einerseits sowie Bund und Kommunen andererseits sprach Faeser von herausfordernden Rahmenbedingungen. Es könne aber gelingen, „einen Interessenausgleich zu finden, ohne den Pfad des Konstruktiven zu verlassen“. An ein paar Stellen sei sie sich mit dem dbb sogar einig: „Für einen starken öffentlichen Dienst braucht es ausreichend Geld und Personal. Aber nicht nur das, auch die Arbeitsbedingungen müssen stimmen.“ Eine Zeit lang sei es schick gewesen, im öffentlichen Dienst zu sparen, jetzt aber sei es an der Zeit für Investitionen. Im anschließenden Schlagabtausch mit der Bundesministerin des Innern setzte sich dbb Vize Volker Geyer erneut für die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit der Bundesbeamten von 41 auf 39 Stunden ein: „Uns ist bewusst, dass wir für die Rückführung mehr Personal brauchen. Aber es gibt durchaus gute Beispiele, wie das gelöst werden kann, wie in Hessen, wo Arbeitszeitkonten eingeführt worden sind. Das könnten Sie morgen per Verordnung umsetzen.“ Mit Blick auf die lahmende Digitalisierung in der Verwaltung kritisierte Geyer, dass viele der bisher im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes digitalisierten Prozesse nur teilweise online ablaufen, um am Ende im Analogen zu stranden: „Wenn der OnlineKindergeldantrag zu guter Letzt ausgedruckt und abgeheftet werden muss, ist das nicht das, was ich unter Digitalisierung verstehe. Da müssen wir einfach schneller und besser werden“, besonders im Hinblick auf den sich stetig verschärfenden Personalmangel in der Verwaltung. „Die Beschäftigten wünschten sich technologische Innovationen und sind bereit für die Umsetzung.“ br, dsc, ef Nancy Faeser © Marco Urban (2) Die Fernsehjournalistin Anke Plättner (links) moderierte die Diskussion zwischen Nancy Faeser und Volker Geyer. 8 AKTUELL dbb magazin | Januar/Februar 2025

Paneldiskussion zur Bundestagswahl Große Koalition für Digitalisierung Vertrauen in den Staat zurückgewinnen – die Frage, wie das gelingen kann, bildete den Schwerpunkt der ersten Paneldiskussion der dbb Jahrestagung am 6. Januar 2025 in Köln. Die Frage nach dem Vertrauen in den Staat sei eng damit verknüpft, wie der öffentliche Dienst aufgestellt ist, unterstrich dbb Vize Volker Geyer. Einem pauschalen Stellenabbau erteilte er eine klare Absage. Dies gelte auch für die oft geschmähten Bundesministerien. „Nur weil sie oben Leute wegnehmen, werden es unten ja nicht automatisch mehr“, sagte Geyer. „Bevor wir über Stellenabbau reden, müssen wir über Aufgabenkritik reden. Ein pauschaler Abbau macht keinen Sinn.“ Ein Dorn im Auge ist dem dbb Vize die schleppende Verwaltungsdigitalisierung, die das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates schmälert: „Es kann doch nicht sein, dass wir es nicht schaffen, dieses Land zu digitalisieren. Da brauchen wir mal eine ganz, ganz große Koalition.“ Christian Haase, MdB, CDU/CSU-Fraktion, attestierte, dass der öffentliche Dienst künftig mit weniger Personal auskommen müsse: „Wir werden keine Eins-zu-eins-Nachbesetzung offener Stellen hinbekommen.“ Deshalb seien Digitalisierung und die Einführung von KI so bedeutsam. Auch parallel ausgegebene Leistungen müssten konsequenter vermieden werden, sagte der ehemalige Bürgermeister von Beverungen. Zur Frage der Finanzierbarkeit von Reformen verwies der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag auf die Probleme der Kommunen: „Auf Kommunalebene haben wir ein Ausgabenproblem, aber es ist kein selbst verursachtes.“ Die kommunale Ebene müsse im Gesetzgebungsprozess weit stärker berücksichtigt werden. Mehr Milei und Musk wagen – mit dieser Forderung hatte FDPChef Christian Lindner für Aufsehen gesorgt. „Kettensägen gehören nicht zu meinen Sprachbildern“, sagte Konstantin Kuhle, FDP-Berichterstatter für den öffentlichen Dienst. „Ich bin froh, dass wir nicht die politische Kultur der USA und nicht die dysfunktionale Struktur des öffentlichen Dienstes in Argentinien haben.“ Kuhle betonte, dass – trotz bestehender Probleme – in Deutschland vieles im internationalen Vergleich gut funktioniere, beispielsweise mit Blick auf die kaum ausgeprägte Korruption. Aber: „Wenn der Staat sich etwas Neues ausdenkt, dann darf das nicht geschehen, ohne an die Umsetzung zu denken.“ Es könne nicht sein, dass die Politik Gesetze oder Leistungen beschließt, aber nicht geklärt sei, wer sie umsetzt. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) sah die meisten Menschen darin einig, einen funktionierenden Staat zu präferieren. Wenn etwa Digitalisierung nicht funktioniere, liege das Problem nicht an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern an den Rahmenbedingungen, die verbessert werden müssten. Dabei gab Mihalic zu bedenken, dass sich alle EU-Staaten an dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen halten müssen. Dennoch gelängen Digitalisierungsprojekte in vielen anderen Ländern schneller und umfassender als in Deutschland: „Auch wir als föderaler Staat hätten bis heute viel besser sein müssen.“ Aufgrund demografischer Faktoren müsse zudem die Frage beantwortet werden, wie Deutschland seine Aufgaben auch mit weniger Personal bewältigen kann. „Es wird darum gehen, Effizienzgewinne zu heben. Das muss als Bund-Länder-übergreifende Aufgabe betrachtet und diskutiert werden. Es ist frustrierend, dass die Lösungen bereits lange bekannt sind. Statt sie umzusetzen, werden sie zwischen den Zuständigkeiten zerrieben.“ Als ehemaliger Feuerwehrmann beklagte Ingo Schäfer (SPD), dass viele Kolleginnen und Kollegen am Limit arbeiten. „Wenn sie zum Beispiel über Jahrzehnte mehr als 100 Prozent Leistung bringen, dann krank werden und sich am Ende noch anhören müssen, sie wollten sich der Arbeit entziehen – dann macht das den öffentlichen Dienst nicht gerade attraktiver.“ Ferner könnten Millionen Überstunden nicht abgegolten werden, was zeige, dass nicht nur Besoldung und Tarif entscheidende Faktoren für die Attraktivität eines Arbeitsplatzes seien. „Die Rahmenbedingungen der Beschäftigung im öffentlichen Dienst müssen stimmen, damit er zukunftsfähig wird.“ ada, br, cdi, ef In der Diskussion: Volker Geyer, Christian Haase, Konstantin Kuhle, Ingo Schäfer und Irene Mihalic; moderiert von Anke Plättner (von links). © Marco Urban AKTUELL 9 dbb magazin | Januar/Februar 2025

JAHRESTAGUNG Vortrag und Diskussion über die Stabilität der Demokratie Sanierungsplan für die Schlechtwetterphase Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D., sprach bei der dbb Jahrestagung am 6. Januar 2025 in Köln über die Herausforderungen des Rechtsstaates und die Zukunft der Demokratie. Expertinnen und Experten diskutierten, wie eine wehrhafte Verwaltung die Demokratie schützt. Die Beamtentreue zur Verfassung ist Voraussetzung, um in das Amt berufen zu werden. Mit der Treue zum Dienstherrn geht auch die Treue zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung einher“, erklärte Di Fabio in seinem Impuls. Es falle jedoch sehr schwer, einem AfD- oder BSW-Anhänger nachzuweisen, dass er seine Treuepflicht verletzt. Allerdings: „Eine Partei, die eine deutliche Nähe zu Wladimir Putin aufweist, findet sein politisches System – eine Autokratie – vielleicht auch wünschenswert. Bei jemandem, der das unterstützt, ist die Verfassungstreue fraglich.“ In den starken Demokratien des Westens sei ein Strukturwandel der demokratischen Landschaft sichtbar. Di Fabio bezeichnete dieses Phänomen als „Verfeindlichung der politischen Lager“. Auch in Deutschland habe sich das Parteienspektrum verändert: „Es bekommt radikalere Ränder, insbesondere im rechtspopulistischen Bereich.“ Das Selbstbewusstsein der demokratischen Mitte schwächele. „Das Ansehen der Demokratie leidet. Und dieses Ansehen hängt mit der Handlungsfähigkeit des Staates zusammen.“ Es bedürfe Beschäftigter, die engagiert die Gesetze des Staates vollstrecken. Di Fabio lobte die Änderung des Grundgesetzes zu mehr Schutz für das Bundesverfassungsgericht: „Damit wird dem Blockadepotenzial der radikalen Parteien ein Riegel vorgeschoben.“ Doch das sei in verschachtelten Systemen wie in Deutschland nicht einfach, Stichwort „Gesetzesflut“: „Wenn die Komplexität so hoch wie der Handlungsweg unklar ist, dann ist das ein Problem.“ Der Staat müsse transparenter und kommunikativer sein, sonst entstehe Unruhe. „Wir brauchen den Rechtsstaat, damit Demokratie funktioniert. Umgekehrt kann es keinen Rechtsstaat ohne Demokratie geben. Das ist eine Gelingensvoraussetzung.“ Die Stabilität der Demokratie hänge an der Urteilskraft der Bürgerinnen und Bürger und der Wirkungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. „Wir hatten eine Schönwetterphase, jetzt brauchen wir Antworten auf das aktuell schlechte Wetter.“ Die nächste Bundesregierung müsse deshalb einen Sanierungsplan für Deutschland vorlegen. Dazu gehöre auch, dass der Rechtsstaat Probleme beim Vollzug besser angehen könne: „Der Vollzug des Gesetzes trägt elementar zum Gerechtigkeitsempfinden bei.“ In der anschließenden Diskussion ging es um den Schutz der Demokratie durch eine wehrhafte Verwaltung „in der Schlechtwetterphase“, wie es Anke Plättner in ihrer Moderation ausdrückte. Diskussion mit Heiko Teggatz, Volker Kronenberg, Andrea Römmele, Jörg Hopfe und Udo Di Fabio, moderiert von Anke Plättner (von links). © Marco Urban (3) 10 AKTUELL dbb magazin | Januar/Februar 2025

JAHRESTAGUNG Für den stellvertretenden dbb Bundesvorsitzende Heiko Teggatz beobachten „die Bürger sehr genau, wie der Staat mit Phänomenen umgeht. Warum wird zum Beispiel Falschparken bretthart verfolgt, schwere Straftaten aber nicht? Dann zweifeln Menschen am Rechtsstaat.“ Das Remonstrationsrecht ermögliche es Beamtinnen und Beamten, sich Verfassungsfeinden im Staatsapparat zu widersetzen, unterstrich der Vorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft. Dafür müsse allerdings klar sein, was verfassungskonform ist und was nicht: „Bei der Rechtsanwendung besteht jedoch große Unsicherheit. Bei vielen Kolleginnen und Kollegen führt das in der Praxis zu Irritationen.“ Teggatz betonte: „Verfassungsfeinde haben im öffentlichen Dienst nichts zu suchen.“ Kritik übte er an der Reform des Disziplinarrechts beim Bund. Wer aufgrund von Verfehlungen ausscheide, könne sich im Anschluss wieder einklagen. „Faktisch sind die Verfahren jetzt um die Dauer der Widerrufsfrist verlängert worden.“ Jörg Hopfe, Direktor beim Thüringer Landtag, berichtete von seinen Erfahrungen bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags am 26. September 2024, bei der Alterspräsident Jürgen Treutler (AfD) sich über die Regeln der Geschäftsordnung hinweggesetzt hatte. „Ein Schauspiel, bei dem mir die Worte fehlen.“ In seiner Funktion berät der Jurist die Parlamentarier in Fragen der parlamentarischen Geschäftsordnung. Das Vorgehen des Abgeordneten in der Sitzung sei nicht der erste Versuch der AfD gewesen, die parlamentarische Demokratie vorzuführen, und erinnerte an die Wahl Thomas Kemmerichs. Hopfes dennoch positives Fazit dieses Tages im Landtag: „Die Vorfälle haben die demokratischen Parteien im Thüringer Landtag geeint. Ihnen ist es gelungen, jenen Kräften kein Podium zu bieten, die die Demokratie beseitigen wollen. Die Demokratie ist anfällig ihren Feinden gegenüber.“ Hopfe sieht eine neue Dimension bei Akteuren gegeben, die nicht bereit sind, sich an die demokratischen Regularien zu halten. „Wir als Beamte haben eine entscheidende Rolle im demokratischen Prozess, wir sind auf die Verfassung vereidigt.“ Auch Parlamente können aus Hopfes Sicht einen Beitrag zur politischen Bildung an Schulen leisten. Etwa durch Parlamentsbesuche, aber auch – „das ist ein Appell an uns alle – Politiker wie Beamte: Wir müssen ein gutes Beispiel geben.“ Dr. Andrea Römmele, Dekanin Executive Education und Professorin für Kommunikation in Politik in der Zivilgesellschaft an der Hertie School of Governance Berlin, skizzierte Möglichkeiten, die Demokratie durch eine Stärkung der Verwaltung resilient zu machen: „Bürgerinnen und Bürger vertrauen auf die Verwaltung, weil sie dort Rechtsstaatlichkeit vor Ort erfahren. Um effizienter zu werden, muss sich die Verwaltung verschlanken, sie muss digitaler und schneller werden.“ Dafür dürfe und müsse sie nicht wie in den USA, wo die Spitze der Verwaltung unter der anstehenden Präsidentschaft von Donald Trump komplett ausgetauscht wird, ihr rechtsstaatliches Verständnis aufgeben. Wenn Politik keine positive Geschichte über die Zukunft mehr erzählen könne, habe sie keine Zukunft mehr. Bezüglich der für eine wehrhafte Demokratie unerlässlichen politischen Bildung forderte Römmele einen stärkeren Fokus auf Demokratiebildung in den Schulen. „Dass wir aktuell auffällig viele junge AfD-Wähler sehen, liegt auch daran, dass heutige Schülerinnen und Schüler bislang keine Berührung mit anderen politischen Systemen hatten. Liefert der demokratische Rechtsstaat ihrer Meinung nach nur unzureichend, werden Ventile gesucht.“ Ist die Demokratie den aktuellen Herausforderungen gewachsen? „Grundsätzlich schon“, sagte Dr. Volker Kronenberg, Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn. Was das Rechtliche betrifft, sei die Bundesrepublik mit dem Grundgesetz gut gewappnet. Mit dem Parteienverbot biete es „ein scharfes Schwert“ gegen Extremismus. Der Politologe unterstrich, dass ebenfalls Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen eine Rolle spielen. „Und da ist in der Tat einiges ins Rutschen geraten. Wir alle müssen etwas gegen die Vertrauenskrise tun“, die viele Ebenen berühre. Kronenberg sah die Politik in der Pflicht, gemachte Versprechen auch einzuhalten. Und mit Blick auf sozialen Medien gilt für ihn: Der Staat muss in die Medienkompetenz von Heranwachsenden investieren, damit sie lernen, Informationen richtig einzuordnen. Udo Di Fabio griff seine Wettermetapher nochmals auf: „Wir brauchen eine andere Politik und eine andere Mentalität. Wir sollten uns nicht in eine Untergangsmetaphorik hineinsteigern. Im Sonnenschein können wir uns Regen nicht vorstellen, aber im Regen können wir uns kein Dach über dem Kopf bauen.“ Deutschland komme jetzt in eine robuste Phase, in der die Institutionen auf ihre Belastbarkeit geprüft werden. „In der Schönwetterphase war die Einstellung, dass in einer globalisierten Welt auch die Grenzen offen sein sollen. Aber die Politik hat damals nicht deutlich gemacht, dass sie Migration steuern will.“ ada, br, cdi, dsc, ef Udo Di Fabio Heiko Teggatz 12 AKTUELL dbb magazin | Januar/Februar 2025

NRW-Ministerpräsident Wüst „Müssen unsere Freiheit verteidigen“ Das richtige Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit sei immer eine Frage der Abwägung, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, am 6. Januar 2025 auf der dbb Jahrestagung in Köln. Aktuell stimme das Verhältnis jedoch nicht. Die Anschläge in Solingen und Magdeburg verunsichern die Menschen. Sie wirken sich direkt auf ihr Sicherheitsgefühl aus. „Die Politik muss hingucken, reagieren und Antworten geben“, unterstrich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst in seiner Rede. „Sie muss das Sicherheitsgefühl wieder herstellen. Das ist eine zentrale Aufgabe für das Jahr 2025.“ Diese Aufgabe beziehe sich auf die äußere und innere Sicherheit, unterstrich der Ministerpräsident. Außenpolitisch müsse Deutschland Verantwortung übernehmen und die Interessen in Europa zusammenführen. „Und innenpolitisch müssen wir das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit neu abwägen, damit die Sicherheitsbehörden agieren können. Das erfordert die veränderte Sicherheitslage. Sonst verlieren wir unsere Freiheit.“ Konkret kritisierte Wüst, dass etwa die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung nicht mehr so geführt werden dürfe, als hätte sich die Welt nicht verändert. Datenschutz und Privatsphäre seien hohe Güter – dennoch sei es unterm Strich „Staatsversagen“, wenn der Staat technische und rechtliche Möglichkeiten in der aktuellen Situation nicht ausschöpft. Aber es sei nicht bloß die Sicherheitslage, die das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates schmälert, so Wüst und nannte als Beispiel: „Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern oft zu lange. Das ist nicht nur bei strittigen Projekten der Fall, sondern auch bei unstrittigen. Selbst wenn sich alle einig sind, dauert es einfach zu lange!“ Grundsätzlich sei es gut und richtig, die Dinge gründlich zu machen. Doch jeder Heimwerker wisse, dass nach „fest“ „ab“ kommt – „die Art und Weise, wie wir Deutschland verwalten, muss auf den Prüfstand. Wir müssen darüber reden, wie wir diesen Staat organisieren. Dabei müssen wir nicht bloß über Ausgaben sprechen, sondern in Zeiten knapper Kassen auch Aufgabenkritik üben.“ cdi Zukunftsforschung Von der Wissens- zur Datengesellschaft Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky nahm die Teilnehmenden der dbb Jahrestagung am 7. Januar 2025 in Köln mit auf eine Zeitreise in die Arbeitswelt des Jahres 2035 und skizzierte künftige Entwicklungen und Trends. Jánszky beleuchtete, wie technologische Innovationen und gesellschaftliche Veränderungen die Arbeitswelt transformieren werden. Er leitet 2b AHEAD, das größte Zukunftsforschungsinstitut Europas, und beschäftigt sich in seinem Unternehmen mit der Frage, wie ein planbares Zukunftsbild aussieht. Seine Methodik befasst sich vorwiegend mit Wahrscheinlichkeiten für zukünftige Entwicklungen. „Das Hauptproblem ist, dass uns unser Bauchgefühl kein sinnvolles Zukunftsbild liefert“, erklärte Jánszky. Im „Reality-Gap“, der Lücke zwischen der ungünstigsten und der optimistischsten Annahme über die Zukunft, konzentriert sich der Trendforscher auf die optimistischen Annahmen. Er untersucht etwa Investments von Konzernen, insbesondere des Silicon Valley, in Medizintechnologien und den wahrscheinlichsten Zeitpunkt des Eintritts in den Massenmarkt. In den kommenden fünf Jahren werde es in Deutschland etwa sechs Millionen nicht besetzte Stellen geben. Eine positive Folge sei der Verlust der Angst vor dem Arbeitsplatzwechsel und eine höhere Mobilität der Arbeitskräfte. Weiter werde sich die Wissensgesellschaft hin zu einer Datengesellschaft wandeln. Auch das verändere die Erwartungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Jánzsky: „Traditionell haben Gewerkschaften in Deutschland die Macht, ein Zukunftsbild in die Gesellschaft zu bringen. Bedingung ist, dass Sie Zukunft lieben. Aber wenn Sie sie nicht lieben, kommt sie trotzdem.“ ada Hendrik Wüst Sven Gábor Jánszky © Marco Urban © Marco Urban AKTUELL 13 dbb magazin | Januar/Februar 2025

JAHRESTAGUNG Streitgespräch Bürokratieabbau verlangt Aufgabenkritik In einem Streitgespräch diskutierte dbb Vize Volker Geyer am 7. Januar 2025 auf der dbb Jahrestagung in Köln mit dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Christian Dürr, über die Zukunft der öffentlichen Verwaltung. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der steigenden Aufgabenlast in der öffentlichen Verwaltung forderte Geyer ein klares Bekenntnis der Politik zu Bürokratieabbau mit korrespondierender Aufgabenkritik: „Wer Bürokratie abbauen will, muss auch eine ehrliche Aufgabenkritik machen. Der muss den Bürgerinnen und Bürgern klar sagen, was geht – und was nicht.“ Das von Dürr ins Feld geführte Beispiel einer angeblich zu üppig mit Personal ausgestatteten Bundesverwaltung wies Geyer zurück. „Die Bundestagsverwaltung ist ein kleiner Bereich, die ist bestimmt nicht unser Problem in Deutschland. Den nach vorn zu stellen beim Abbau von Personal, ist doch absurd.“ Ebenso sei es nicht zielführend, in den Bundesinnenministerien einen pauschalen Stellenabbau von zehn Prozent anzustreben. Auch dort gelte: „Am Anfang muss eine Aufgabenkritik stehen. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung – und damit auch von der FDP, wenn sie dabei ist – zum Beispiel für die Beamtinnen und Beamten des Bundes endlich eine verfassungskonforme Besoldung sowie die Rückführung der Wochenarbeitszeit von 41 auf 39 Stunden.“ Weiter gelte es, bereits beim Beschluss von Gesetzen die Umsetzung zu berücksichtigen und gegebenenfalls sogar die dafür notwendige Technologie bereitzustellen. Weiterhin stehen für Geyer Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge ganz oben auf der Prioritätenliste. Dürr warnte davor, in einer alternden Gesellschaft nur noch über Verteilung zu sprechen, statt neues Wachstum zu schaf- fen. „Für Wachstum braucht es Rahmenbedingungen, und diese stellt ein starker Staat sicher, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert.“ Die Rezession in ehemals erfolgreichen Branchen wie der Automobilindustrie spiegele als Grundproblem, wie eine Gesellschaft nicht hinreichend auf Zukunftsentwicklungen und Disruption eingestellt werde. Das führe zu Vertrauensverlust, und „wenn der Gesellschaft die Zukunftszuversicht verloren geht, profitieren die politischen Ränder“. Der Fraktionschef plädierte für echten Bürokratieabbau abseits von Sonntagsreden, um neue Innovationskraft zu schaffen: „Unser Land wächst nicht mehr, weil wir die Rahmenbedingungen so eng gesteckt haben, dass Zukunft und Wachstum nicht mehr möglich sind.“ Im öffentlichen Planungsrecht habe es etwa Änderungen gegeben, die zu beschleunigten Bauverfahren führen. „Der Beweis ist angetreten, dass es geht, aber was wir beim Bürokratieabbau bisher geschafft haben, ist mir zu wenig.“ Dürr forderte mehr Mut, der Überregulierung entgegenzutreten, damit auch diejenigen im öffentlichen Dienst, die Vorschriften umsetzen müssen, entlastet werden. „Es gibt keine Vollkaskomentalität für die Zukunft, das gilt besonders für ein überbordendes Sicherheitsversprechen in allen Lebensbereichen.“ Unabdingbar seien Aufgabenkritik und Prioritätensetzung im Verwaltungshandeln. Für den öffentlichen Dienst wünschte sich Dürr besonders im Beamtenbereich bessere Aufstiegschancen, um den Beamtenstatus wieder attraktiver für junge Menschen zu gestalten. br, ef Christian Dürr Volker Geyer © Marco Urban (3) 14 AKTUELL dbb magazin | Januar/Februar 2025

Zukunft gestalten Eine klare Vision vorlegen und Vertrauen schaffen Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist bei Weitem nicht so schlecht wie die Stimmung“, sagte Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in seinem Impulsvortrag. Die Situation sei nicht mit der von vor 20 Jahren vergleichbar. „Was aktuell fehlt, ist Vertrauen. Unternehmen investieren nicht, Menschen konsumieren nicht. Die Politik muss eine klare Vision vorlegen und Vertrauen schaffen.“ Ganz entscheidend sei, dass die nächste Bundesregierung es schafft, Investitionen zu mobilisieren. „Der Staat lebt von der Substanz, die Nettoinvestitionen sind negativ. Und das ist ein Problem“, unterstrich Fratzscher, der sich selbst zu den Kritikern der Schuldenbremse zählt. Ihm ist jedoch wichtig, dass die Politik eine Brücke zwischen den Befürwortern und Kritikern baut. Sein Vorschlag: die Einführung einer sogenannten generationengerechten Schuldenbremse. „Erstens müssen Investitionen in Krisenzeiten flexibler möglich sein, der Staat muss kontrazyklisch agieren können“, sagte der DIW-Präsident. Erforderlich sei eine nominale Ausgabenregel. Heißt: Die Staatsschulden sollen sich nicht in Richtung Null orientieren, sondern sie sollen idealerweise nicht stärker wachsen als das nominale Potenzialwachstum der Wirtschaft. Zweitens dürfe sich der Staat nicht bloß an der Verschuldung orientieren, sondern auch an den öffentlichen Vermögenswerten. „Aktuell verfallen die öffentlichen Vermögenswerte. Deshalb muss der Staat Transparenz herstellen und mindestens das investieren, was an Werteverfall da ist“, sagte Fratzscher. Drittens sei es von zentraler Bedeutung, Generationengerechtigkeit zu gewährleisten: „Wir schauen nur auf die explizite Staatsverschuldung, dabei ist die implizite Staatsverschuldung das Problem. Sie ergeben sich aus den Verpflichtungen für die Zukunft, die der Staat eingeht.“ „Der Investitionsstau in der Infrastruktur trifft in allererster Linie die Kommunen“, betonte Andreas Hemsing, stellvertretender dbb Bundesvorsitzender, in der anschließenden Diskussion. „Es ist unabdingbar, in Infrastruktur zu investieren. Altschulden sind Die Fernsehjournalistin Anke Plättner führte das Publikum durch die 66. Jahrestagung des dbb. Gute Schulden, schlechte Schulden? DIW-Präsident Marcel Fratzscher sprach mit Experten aus Kommunalpolitik und Wirtschaft über die deutsche Haushaltspolitik. In der Diskussionsrunde zum Thema loteten Experten am 7. Januar 2025 in Köln die Grenzen der Finanzpolitik aus. © Marco Urban (7) AKTUELL 15 dbb magazin | Januar/Februar 2025

dabei ein Problem, ebenso wie die grundsätzliche Finanzierung der Kommunen durch Länder und Bund.“ Die Wirtschaft werde nur wachsen, wenn die Infrastruktur funktioniert. „Wir haben kein grundsätzliches Problem mit der Schuldenbremse beim dbb. Aber wir müssen so oder so modernisieren, müssen so oder so investieren.“ Hemsing warnte davor, Personal der Verwaltung nur als Kostenfaktor zu sehen. „Gutes Personal zu holen, ist eine Investition in die Zukunft.“ Marcel Fratzscher unterstrich in der Diskussion, dass es seiner Meinung nach auch gute Schulden gebe: „Wenn Sie zu lange an Bildung und Infrastruktur sparen, dann führt das langfristig zu weniger Wachstum und weniger Steuereinnahmen.“ Was er von der nächsten Bundesregierung erwarte? „Ich wünsche mir, dass sie nicht bloß an den Symptomen herumdoktert, sondern einen großen Wurf für Reformen wagt.“ Thorsten Rudolph (SPD), Mitglied im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, stritt für eine bessere Finanzierung der Kommunen, um die zwischen Finanzausstattung und Aufgaben klaffende Investitionslücke zu schließen. „Wir müssen jedes Jahr zusätzlich mindestens 50 Milliarden in die Kommunen investieren.“ Diese Aufgabe könne nur bewältigt werden, wenn die Schuldenbremse um eine Investitionsklausel erweitert werde. Ferner dürften Bürokratieabbau und Aufgabenkritik keine Nebelkerzen zur Verschleierung der Aufgaben sein, die der Staat zu erfüllen und zu finanzieren hat. Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, bekannte sich klar zur Schuldenbremse. „Wir müssen nun die Aufgabenkritik in den Blick nehmen. Wir müssen den Mut haben, über staatliche Standards zu sprechen. Was können wir uns überhaupt leisten?“ So sei beispielsweise der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung nicht ausfinanziert gewesen. Es müsse auch um die zurückzuzahlenden Schulden gehen. Das werde eine Kernaufgabe der kommenden Regierung sein. „Bei der Schuldenbremse bin ich kein Dogmatiker“, stellte Marcus Optendrenk, MdL, Minister der Finanzen des Landes NordrheinWestfalen, klar. Die Schuldenbremse sei ein Beispiel, an der man ein Problem orientieren könne, „aber in Deutschland machen wir eine Dogmatik daraus. Und das ist falsch.“ Als Beispiele für fehlgeleitete Dogmatik nannte er die frühkindliche Bildung und die Mobilitätswende. „Es gibt gute Ausgaben, das ist unbestritten. Aber die Frage, ob es Schulden sein müssen, ist damit nicht beantwortet.“ Die deutsche Politik habe sich nicht darauf eingestellt, zu priorisieren. ada, br, cdi, dsc, ef Andreas Hemsing Prof. Marcel Fratzscher Thorsten Rudolph Marcus Optendrenk Christian Haase JAHRESTAGUNG 16 AKTUELL dbb magazin | Januar/Februar 2025

WAHLJAHR 2025 Videokampagne Wir mischen uns ein Der Ausgang der kommenden Bundestagswahl kann entscheidend für die Zukunft des öffentlichen Dienstes sein. Ob Arbeitsbelastung, Bezahlung, Digitalisierung oder Ressourcen – in allen Bereichen besteht dringender Handlungsbedarf. Die Wahl bietet die Chance, Weichen für positive Veränderungen zu stellen, birgt jedoch auch das Risiko von Rückschritten. „Der dbb mischt sich in den Wahlkampf ein, vertritt seine Positionen und nutzt soziale Medien. Sein zentrales Anliegen ist eine klare Wahlempfehlung: Ihre Stimme zählt, gehen Sie wählen!“, sagt der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach. In einer Reihe kurzer Videos legen die Mitglieder der dbb Bundesleitung ihre Erwartungen an die kommende Bundesregierung dar und heben die Bedeutung der Bundestagswahl für die Zukunft des öffentlichen Dienstes hervor. Denn die Politik der kommenden Bundesregierung wird wichtige Weichen für die Entwicklung des öffentlichen Dienstes und seiner Beschäftigten stellen. Die Videos werden vor der Wahl über die Social-Media-Kanäle des dbb – darunter Facebook, Instagram, Bluesky und LinkedIn – sowie auf der dbb Website veröffentlicht. Auf die Kanäle gelangen Sie über linktr.ee/dbb.online oder den QR-Code auf dieser Seite. Leserinnen und Leser sind eingeladen, die Videos zu teilen. _ Bundestagswahl Regierung muss öffentlichen Dienst stärken Im Vorfeld der Bundestagswahl sprach dbb Vize Volker Geyer mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages, um Kernforderungen des dbb zur Wahl vorzustellen. In den Gesprächen am 19. Dezember 2024 in Berlin unterstrich Geyer den Stellenwert des öffentlichen Dienstes: „Er ist Garant für rechtsstaatliche und sichere Verhältnisse in Deutschland. Er ist Dienstleister und Multiplikator für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir fordern daher von der Politik ein klares Bekenntnis zum öffentlichen Dienst.“ Das beinhalte auch ein Bekenntnis zum Berufsbeamtentum sowie zu einem verlässlichen, leistungsfähigen und modernen Staat. „Damit gehen eine attraktive Ausgestaltung und Fortentwicklung der verfassungsrechtlich gebotenen Alimentation einher“, machte Geyer deutlich. Das gelte auch für Besoldung, Versorgung und Beihilfe. Geyer kritisierte die Ampelkoalition, die bislang nichts dazu beigetragen habe, die zeitnahe Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Gewährung einer jeweils amtsangemessenen Alimentation voranzubringen. Auch der zuletzt vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Besoldungsangemessenheit versuche faktisch nur, die unterste Grenze der Sicherstellung einer verfassungskonformen Alimentation von Beamtinnen und Beamten zu erreichen. „Das geplante Gesetz missachtet in vielen Aspekten den Leistungsgrundsatz und den Grundsatz einer funktionsgerechten Besoldung. Zudem ist es höchst verwaltungsaufwendig, unstimmig und intransparent“, erklärte Geyer. Der dbb Vize forderte ein Umdenken bei der Arbeitszeit: „Die Wochenarbeitszeit der Beamtinnen und Beamten muss mit sofortiger Wirkung von 41 auf 39 Wochenstunden zurückgeführt werden.“ Die Erhöhung der Arbeitszeit auf 41 Stunden war vor 18 Jahren ursprünglich als temporäre Maßnahme beschlossen worden. „Wir sehen hier seither keine Bewegung“, kritisierte Geyer. Ebenso müssten flexible Arbeitszeitmodelle und mobiles Arbeiten, wie sie in der freien Wirtschaft weitverbreitet seien, auch im öffentlichen Dienst stärker Fuß fassen. „Das erleichtert die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege. Zudem steigern solche Modelle die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber, gerade für junge Menschen.“ Der Austausch fand mit Petra Nicolaisen MdB, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingo Schäfer MdB (SPD), ordentliches Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat, sowie Marcel Emmerich MdB (Bündnis 90/Die Grünen), Obmann im Ausschuss für Inneres und Heimat, statt. _ AKTUELL 17 dbb magazin | Januar/Februar 2025

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