dbb magazin 1-2/2025

JAHRESTAGUNG Für den stellvertretenden dbb Bundesvorsitzende Heiko Teggatz beobachten „die Bürger sehr genau, wie der Staat mit Phänomenen umgeht. Warum wird zum Beispiel Falschparken bretthart verfolgt, schwere Straftaten aber nicht? Dann zweifeln Menschen am Rechtsstaat.“ Das Remonstrationsrecht ermögliche es Beamtinnen und Beamten, sich Verfassungsfeinden im Staatsapparat zu widersetzen, unterstrich der Vorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft. Dafür müsse allerdings klar sein, was verfassungskonform ist und was nicht: „Bei der Rechtsanwendung besteht jedoch große Unsicherheit. Bei vielen Kolleginnen und Kollegen führt das in der Praxis zu Irritationen.“ Teggatz betonte: „Verfassungsfeinde haben im öffentlichen Dienst nichts zu suchen.“ Kritik übte er an der Reform des Disziplinarrechts beim Bund. Wer aufgrund von Verfehlungen ausscheide, könne sich im Anschluss wieder einklagen. „Faktisch sind die Verfahren jetzt um die Dauer der Widerrufsfrist verlängert worden.“ Jörg Hopfe, Direktor beim Thüringer Landtag, berichtete von seinen Erfahrungen bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags am 26. September 2024, bei der Alterspräsident Jürgen Treutler (AfD) sich über die Regeln der Geschäftsordnung hinweggesetzt hatte. „Ein Schauspiel, bei dem mir die Worte fehlen.“ In seiner Funktion berät der Jurist die Parlamentarier in Fragen der parlamentarischen Geschäftsordnung. Das Vorgehen des Abgeordneten in der Sitzung sei nicht der erste Versuch der AfD gewesen, die parlamentarische Demokratie vorzuführen, und erinnerte an die Wahl Thomas Kemmerichs. Hopfes dennoch positives Fazit dieses Tages im Landtag: „Die Vorfälle haben die demokratischen Parteien im Thüringer Landtag geeint. Ihnen ist es gelungen, jenen Kräften kein Podium zu bieten, die die Demokratie beseitigen wollen. Die Demokratie ist anfällig ihren Feinden gegenüber.“ Hopfe sieht eine neue Dimension bei Akteuren gegeben, die nicht bereit sind, sich an die demokratischen Regularien zu halten. „Wir als Beamte haben eine entscheidende Rolle im demokratischen Prozess, wir sind auf die Verfassung vereidigt.“ Auch Parlamente können aus Hopfes Sicht einen Beitrag zur politischen Bildung an Schulen leisten. Etwa durch Parlamentsbesuche, aber auch – „das ist ein Appell an uns alle – Politiker wie Beamte: Wir müssen ein gutes Beispiel geben.“ Dr. Andrea Römmele, Dekanin Executive Education und Professorin für Kommunikation in Politik in der Zivilgesellschaft an der Hertie School of Governance Berlin, skizzierte Möglichkeiten, die Demokratie durch eine Stärkung der Verwaltung resilient zu machen: „Bürgerinnen und Bürger vertrauen auf die Verwaltung, weil sie dort Rechtsstaatlichkeit vor Ort erfahren. Um effizienter zu werden, muss sich die Verwaltung verschlanken, sie muss digitaler und schneller werden.“ Dafür dürfe und müsse sie nicht wie in den USA, wo die Spitze der Verwaltung unter der anstehenden Präsidentschaft von Donald Trump komplett ausgetauscht wird, ihr rechtsstaatliches Verständnis aufgeben. Wenn Politik keine positive Geschichte über die Zukunft mehr erzählen könne, habe sie keine Zukunft mehr. Bezüglich der für eine wehrhafte Demokratie unerlässlichen politischen Bildung forderte Römmele einen stärkeren Fokus auf Demokratiebildung in den Schulen. „Dass wir aktuell auffällig viele junge AfD-Wähler sehen, liegt auch daran, dass heutige Schülerinnen und Schüler bislang keine Berührung mit anderen politischen Systemen hatten. Liefert der demokratische Rechtsstaat ihrer Meinung nach nur unzureichend, werden Ventile gesucht.“ Ist die Demokratie den aktuellen Herausforderungen gewachsen? „Grundsätzlich schon“, sagte Dr. Volker Kronenberg, Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn. Was das Rechtliche betrifft, sei die Bundesrepublik mit dem Grundgesetz gut gewappnet. Mit dem Parteienverbot biete es „ein scharfes Schwert“ gegen Extremismus. Der Politologe unterstrich, dass ebenfalls Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen eine Rolle spielen. „Und da ist in der Tat einiges ins Rutschen geraten. Wir alle müssen etwas gegen die Vertrauenskrise tun“, die viele Ebenen berühre. Kronenberg sah die Politik in der Pflicht, gemachte Versprechen auch einzuhalten. Und mit Blick auf sozialen Medien gilt für ihn: Der Staat muss in die Medienkompetenz von Heranwachsenden investieren, damit sie lernen, Informationen richtig einzuordnen. Udo Di Fabio griff seine Wettermetapher nochmals auf: „Wir brauchen eine andere Politik und eine andere Mentalität. Wir sollten uns nicht in eine Untergangsmetaphorik hineinsteigern. Im Sonnenschein können wir uns Regen nicht vorstellen, aber im Regen können wir uns kein Dach über dem Kopf bauen.“ Deutschland komme jetzt in eine robuste Phase, in der die Institutionen auf ihre Belastbarkeit geprüft werden. „In der Schönwetterphase war die Einstellung, dass in einer globalisierten Welt auch die Grenzen offen sein sollen. Aber die Politik hat damals nicht deutlich gemacht, dass sie Migration steuern will.“ ada, br, cdi, dsc, ef Udo Di Fabio Heiko Teggatz 12 AKTUELL dbb magazin | Januar/Februar 2025

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