dbb magazin 1-2/2025

genommen werden. Da ab dem 60. Lebensjahr die 40-StundenWoche greift, können Beamtinnen und Beamte ab diesem Zeitpunkt freiwillig weiter sparen. „Wenn keine dienstlichen Belange entgegenstehen, kann die Zeit auch vorher in Anspruch genommen werden, sofern dies rechtzeitig beantragt wird. Das wird von den Kolleginnen und Kollegen gerne in Anspruch genommen, etwa dann, wenn Angehörige gepflegt werden müssen, ein Haus gebaut werden soll oder auch für eine längere Reise.“ Ausgezahlt werden könne das angesparte Guthaben allerdings nicht. Bei Dienstunfähigkeit –„ein Störfall, den der Dienstherr mitgedacht hat“ – gibt es einen monetären Ausgleich. Zum Hintergrund: In Hessen galt im Jahr 2007 auch aus Gründen der Haushaltskonsolidierung noch die 42-Stunden-Woche. „Die Idee war, den Beamten zum Ende ihrer Dienstzeit etwas zurückzugeben“, erklärte Behr. Für die Attraktivität der Arbeitsplätze im Beamtenbereich attestierte Behr dem hessischen Modell große Anziehungskraft. Weiterhin biete das Land Hessen flexible Teilzeitmöglichkeiten, mobiles Arbeiten und Gleitzeit, die je nach Lebensphase helfen, auch gegenüber der Konkurrenz aus der Wirtschaft Personal zu binden. „Künftig werden wir natürlich darüber nachdenken müssen, wie wir unser Langzeitmodell zukunftsfest machen. Wenn das Gesamtpaket stimmt, kommen auch junge qualifizierte Nachwuchskräfte in die vielfältigen Berufe des öffentlichen Dienstes.“ Karen Siwonia, Vorsitzende des Bezirkspersonalrates beim Landesamt für Steuern und Finanzen Dresden und stellvertretende Vorsitzende des SBB Beamtenbund und Tarifunion Sachsen, betonte, dass das Thema Arbeitssouveränität im Freistaat sehr viel Raum einnehme, und das seit Jahren. „Viele Beschäftigte hegen den Wunsch, langfristig oder kurzfristig weniger zu arbeiten“, sagte sie. In Sachsen gebe es bereits die Möglichkeit für Behörden, Langzeitkonten zu erproben – die Pilotphase dauere noch bis 2026 an. „Leider ist bis jetzt kaum etwas passiert, de facto handelt es sich um einen Papiertiger“, sagte Siwonia. „Wenn wir nichts ausprobieren, können wir auch nicht feststellen, was sich bewährt.“ Das sei bedauerlich, von den Verantwortlichen wünsche sie sich mehr Mut. Der Dienstherr sei mit der Frage konfrontiert, ob er dem Wunsch nach mehr Arbeitszeitsouveränität angesichts des demografischen Wandels überhaupt gerecht werden kann, so Siwonia weiter. „Natürlich steht die Frage im Raum, ob sich das kompensieren lässt. Meine Antwort lautet: Der öffentliche Dienst muss dem Wunsch gerecht werden, weil es das ist, was ihn attraktiv macht!“ Es sei keine Seltenheit, dass junge Menschen in Teilzeit ins Berufsleben starten wollen. Mit Blick auf Arbeitszeitkonten unterstrich die Gewerkschafterin: „Gerade in Projektarbeiten gibt es Arbeitsspitzen, die Teilzeitbeschäftigte in eine Arbeitszeit-Bredouille bringen. Unter anderem für diese Fälle sind Arbeitszeitkonten ein sinnvoller Baustein.“ In Bayern gebe es keine Einsparkonten, weder für Langzeit noch für Lebensarbeitszeit, erklärte Dr. Julia Uckelmann, Ministerialrätin im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. „Dafür haben wir sehr flexible Arbeitszeitmodelle, um die Gestaltung in verschiedenen Lebensphasen anzupassen.“ Es gebe etwa im Urlaubsrecht flexible Möglichkeiten der Einsparung. Uckelmann betonte: „Wir können die Arbeitszeitkonten nicht als Lösung aller Probleme aufschreiben.“ Stattdessen sollten die Dienstherren auf bereits vorhandene Möglichkeiten setzen. Uckelmann sieht keinen Bedarf für andere Modelle. Auch die bisherigen Erfahrungsberichte über Langzeitkonten sprachen nicht wirklich von Erfolgsmodellen. Für die bayerische Referatsleiterin seien dafür zwei Gründe ausschlaggebend: „Zum einen haben wir einen erheblichen Anteil an Teilzeitbeschäftigten bei den Beamtinnen und Beamten in Bayern. Bei den neuen Generationen, für die die Work-Life-Balance viel mehr im Vordergrund steht, besteht eher der Wunsch, einfach weniger zu arbeiten.“ Zum anderen sehe sie die Fürsorgepflicht gefährdet: „Wenn wir Beschäftigte dazu ermutigen, über eine längere Phase deutlich mehr zu arbeiten, halte ich das für gesundheitsgefährdend. Im Angesicht des demografischen Wandels müssen wir die Arbeitsfähigkeit der Kolleginnen und Kollegen schützen.“ Was spricht also für den Freistaat Bayern als Arbeitgeber? „Ganz wichtig ist die sinnstiftende Arbeit“, antwortete Uckelmann. „Dass ich weiß, dass ich mich an meiner Stelle für das Gemeinwohl engagiere.“ Ein weiterer Faktor sei die Jobsicherheit, die gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und im Vergleich zur freien Wirtschaft sehr attraktiv ist. Dies sei hinsichtlich der Arbeitszeit aber beidseitig: „Wir bieten unseren Beschäftigten Verlässlichkeit, fordern sie aber auch von unseren Beschäftigten“, hob Uckelmann hervor. An der Forderung nach einer Öffnung der Langzeitkonten für alle Beamtinnen und Beamten beim Bund wolle der dbb trotz unterschiedlicher Erfahrungen in den Ländern festhalten, machte Waldemar Dombrowski als Fachvorstand Beamtenpolitik des gewerkschaftlichen Dachverbands in seinem Fazit deutlich. Dabei gehe es nicht nur darum, dass der Bund als Dienstherr endlich sein Versprechen hinsichtlich der Arbeitszeit einlöse. Es gehe auch um grundsätzliche Fragen. Dombrowski: „Das Beamtentum hat sich immer wieder bewährt. Aber es muss in die Zeit gestellt werden, damit es weiterhin attraktiv bleibt. Attraktivität durch Flexibilität kann der Dienstherr durch Langzeitkonten sogar ohne große Mehrkosten erreichen. Diese Chance darf nicht vertan werden, dafür wird der dbb entschlossen eintreten.“ br, cdi, dsc, ef Dr. Julia Uckelmann Karen Siwonia Mechthild Behr © HMdI © SBB © Karen Meißner 28 FOKUS dbb magazin | Januar/Februar 2025

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