interview
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
Wir müssen immer die Frage nach der
Finanzierbarkeit beantworten
dbb magazin
Die Rückkehr zur paritätischen
Finanzierung in der gesetzli
chen Krankenversicherung wur
de vollzogen. Trotzdem müssen
etwa Arzneimittelzuzahlungen
oder die Tagessätze bei statio
nären Krankenhausaufenthal
ten immer noch allein von den
Versicherten bezahlt werden.
Der dbb ist dafür, künftig alle
diese Leistungen über den Bei
tragssatz und damit paritätisch
zu finanzieren. Wie stehen Sie
dazu?
Jens Spahn
Die paritätische Finanzierung
auch der Zusatzbeiträge haben
wir, wie im Koalitionsvertrag
vereinbart, zum 1. Januar 2019
umgesetzt. Rund 50 Millionen
Versicherte werden dadurch
spürbar entlastet. Als Gesund
heitsminister muss ich auf der
anderen Seite dafür sorgen,
dass das ganze System in einer
älter werdenden Gesellschaft
auf Dauer finanzierbar bleibt.
Dazu tragen Zuzahlungen und
Eigenanteile bei. Und sie erin
nern die Versicherten ab und
zu daran, dass medizinische
Versorgung Geld kostet.
Andererseits darf die Versor
gung mit Medikamenten oder
anderen medizinischen Leis
tungen in Deutschland keine
Frage der finanziellen Möglich
keiten sein. Insgesamt ist der
Anteil der Zuzahlungen an den
GKV-Ausgaben mit unter zwei
Prozent im internationalen Ver
gleich sehr gering. Das liegt
auch daran, dass sich gesetzlich
Versicherte von Zuzahlungen
befreien lassen können. Mehr
als zwei Prozent seines Brutto
jahreseinkommens muss nie
mand für verschreibungspflich
tige Medikamente ausgeben.
Bei chronisch Kranken – zum
Beispiel Diabetikern oder Men
schen mit rheumatischen Er
krankungen – liegt die Grenze
bei einem Prozent. Knapp sechs
Millionen Mitglieder profitie
ren von diesen Zuzahlungsbe
freiungen. So sorgen wir einer
seits für Stabilität im System,
belasten aber andererseits den
Einzelnen nicht über Gebühr.
Ich halte das für eine faire
Regelung.
Eine Entgeltersatzleistung –
ähnlich wie beim Elterngeld –
wäre aus Sicht des dbb, der
Mitglied im Beirat für die Ver
einbarkeit von Pflege und Beruf
ist, ein probates Mittel, um
pflegende Angehörige zu ent
lasten, die den Umfang ihrer
Arbeitszeit reduzieren oder
temporär aussetzen. Teilen
Sie diese Einschätzung?
Ich habe großen Respekt vor
dem, was pflegende Angehöri
ge leisten. Der größte Pflege
dienst der Nation sind die
Familien. Aus diesem Grund
haben wir in den vergangenen
Jahren viel getan, um pflegen
de Angehörige zu entlasten:
Die Leistungen der Pflegever
sicherung zur Renten- und Ar
beitslosenversicherung wur
den verbessert und es gibt
unter bestimmten Vorausset
zungen einen Rechtsanspruch
auf Familienpflegezeit und
Pflegezeit. Aber auch ganz
praktische Dinge: Wird ein An
gehöriger plötzlich pflegebe
dürftig, muss viel organisiert
werden. Wer aus diesem Grund
kurzzeitig nicht arbeiten kann,
bekommt für maximal zehn
Tage eine Lohnersatzleistung.
Auch den Zugang zu einer sta<<
Jens Spahn
© Schinkel/BMG (2)
4
dbb
>
dbb magazin | April 2019