dbb magazin 4/2019 - page 13

hintergrund
kosten von den Fallpauscha-
len zu entkoppeln. Der durch
das System der diagnosebezo­
genen Fallpauschalen (DRG)
vom Gesetzgeber ausdrücklich
erwünschte Zwang zu mehr
Wirtschaftlichkeit der Kranken­
häuser wurde in der Vergan­
genheit häufig auf dem Rücken
des Personals ausgetragen.
Grob skizziert funktioniert das
„DRG-System“ wie folgt: Die
Krankenhäuser erhalten in Ab­
hängigkeit vom Vorliegen be­
stimmter Erkrankungen für die
Behandlung einen festen Euro­
betrag von den Krankenkassen.
In einem im Vorfeld festgeleg­
ten Katalog sind die wesent­
lichen Fälle mit den entspre­
chenden Beträgen aufgelistet.
Kommen mehrere Grunder­
krankungen zum Tragen, gibt
es bestimmte Zuschläge. Dies
hat zur Folge, dass dem Kran­
kenhaus beispielsweise für
eine Blinddarmoperation ein
fester Betrag erstattet wird,
unabhängig von der Behand­
lungsdauer und Betreuungsin­
tensität des Patienten. Die Ein­
führung des DRG-Systems war
nicht unumstritten, denn der
damit verbundene Zwang zu
mehr Wirtschaftlichkeit geht
zuletzt klar auf Kosten der
Patienten und Beschäftigten.
Mit der seit 1. Januar 2019 neu
vorgesehenen Entkoppelung
der krankenhausindividuellen
Pflegepersonalkosten von den
Fallpauschalen ist aus Sicht des
dbb ein längst überfälliger Pa­
radigmenwechsel vollzogen
worden: Die nun vorgesehene
Entkoppelung trägt sinnvoll
dazu bei, dass das Pflegeperso­
nal nicht mehr als Kostenfak­
tor gesehen wird und Zeit mit
dem Patienten nicht mehr in
der Fallpauschale abgebildet ist.
Ein weiterer großer Schritt in
die richtige Richtung ist die im
Gesetz geregelte vollständige
Refinanzierung der Tarifstei­
gerungen für das Pflegeperso­
nal in den Krankenhäusern.
Seit dem Aktionsbündnis zur
Rettung der Krankenhäuser,
das auf das Jahr 2008 zurück­
geht, hatte der dbb immer
wieder in Anhörungen, Stel­
lungnahmen und politischen
Gesprächen die vollständige
Refinanzierung der Tarifsteige­
rungen gefordert. Nachdem
zwischenzeitlich zumindest die
hälftige Refinanzierung umge­
setzt worden war, ist der nun
vorgenommene Schritt richtig
und ein großer Erfolg für die
gewerkschaftliche Arbeit und
vor allem für die Beschäftigten.
Einziger Wermutstropfen: Die
Neuregelung zur vollständigen
Refinanzierung der Personal­
kosten bezieht sich nur auf das
reine Pflegepersonal. Verwal­
tung und Service bleiben außen
vor, das könnte zu Verschiebe­
bahnhöfen beziehungsweise
administrativen Aufgabenzu­
wächsen beim pflegerischen
Personal führen.
Ungelöst bleiben nach wie vor
auch die Probleme in der am­
bulanten und stationären Al­
tenpflege. In weiten Bereichen
mangelt es noch an der nöti­
gen Tarifbindung. Hier sieht
der dbb dringenden Hand­
lungsbedarf, auch um Abwan­
derungen aus der Alten- in die
Krankenpflege zu verhindern.
Seit dem 1. Januar 2019 gelten
für insgesamt vier pflegeinten­
sive Krankenhausbereiche Per­
sonaluntergrenzen. Sie werden
als maximale Anzahl von Pati­
enten pro Pflegekraft festge­
legt. Zudem erfolgt eine Unter­
scheidung zwischen Tag- und
Nachtschichten. In der Kardio­
logie, der Intensivmedizin, der
Unfallchirurgie sowie der Geri­
atrie sollte dies künftig zu bes­
serer Personalausstattung füh­
ren. Ab dem Jahr 2020 soll
zudem für jedes Krankenhaus
das Verhältnis zwischen der
Zahl der Pflegekräfte und dem
anfallenden Pflegeaufwand
errechnet und veröffentlicht
werden. Unterschreitet ein
Krankenhaus eine bestimmte
Personalgrenze, drohen Hono­
rarkürzungen.
<<
Personaluntergrenzen
festgelegt
Ein Beispiel: In der Intensivme­
dizin gilt seit 1. Januar 2019 in
der Tagesschicht ein Verhältnis
von 2,5 Patienten pro Pflege­
fachkraft. In der Nachtschicht
erhöht sich dieses auf 3,5 zu 1.
Ab 1. Januar 2021 gilt tagsüber
ein Verhältnis von 2 zu 1, nachts
steigt dieses auf 3 zu 1. Darü­
ber hinaus wird der Anteil der
Pflegehilfskräfte am gesamten
Pflegepersonal festgelegt, da­
mit ausreichend qualifiziertes
Personal zur Verfügung steht.
Die Personaluntergrenzen sind
durch die Personaluntergren­
zenverordnung vom Bundes­
gesundheitsminister festge­
legt worden. Die sogenannte
„Ersatzvornahme“ durch das
Bundesgesundheitsministeri­
um ist Folge des Scheiterns
der Verhandlungen zwischen
Krankenhäusern und Kranken­
kassen. Was sich zunächst gut
anhört, verfehlt jedoch aus
Sicht des dbb das Ziel, ein vali­
des Soll an Personal zu bestim­
men, an dem sich die Mindest­
personalausstattung ausrich-
ten könnte. Vielmehr stellt
sich nach wie vor das Problem,
dass dem Pflegepersonal vor­
behaltene Tätigkeiten noch
nicht einheitlich definiert sind
und ein entsprechender Perso­
nalbedarf schlicht nicht seriös
zu bestimmen ist.
Auch sind noch nicht sämtliche
Krankenhäuser und Kliniken von
den Neuregelungen umfasst:
Justizvollzugskrankenhäuser so­
wie Reha-Kliniken sind bisher
noch nicht in die Neuregelun­
gen eingeschlossen. Hier muss
nachgebessert werden.
Auch wenn es im Pflegebe­
reich weiteren Verbesserungs­
bedarf gibt, was Arbeitsbedin­
gungen und Personal betrifft,
wird der Tarifabschluss vom
3. März 2019 im Bereich der
Länderbeschäftigten dazu bei­
tragen, die Situation zu ent­
spannen. Die Werte und die
Eingruppierungsregelungen
der Pflegeentgelttabelle des
Tarifvertrages für den öffent­
lichen Dienst (TVoD, hier die
sogenannte P-Tabelle) werden
im TV-L ubernommen und
ruckwirkend ab Januar 2019
ebenfalls dynamisiert. Das
wird zu einer erheblichen Auf­
wertung der Vergütung bei­
tragen und die Wertigkeit der
Pflegeberufe betonen: Pflege© Colourbox.de / Kzenon
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