hintergrund
kosten von den Fallpauscha-
len zu entkoppeln. Der durch
das System der diagnosebezo
genen Fallpauschalen (DRG)
vom Gesetzgeber ausdrücklich
erwünschte Zwang zu mehr
Wirtschaftlichkeit der Kranken
häuser wurde in der Vergan
genheit häufig auf dem Rücken
des Personals ausgetragen.
Grob skizziert funktioniert das
„DRG-System“ wie folgt: Die
Krankenhäuser erhalten in Ab
hängigkeit vom Vorliegen be
stimmter Erkrankungen für die
Behandlung einen festen Euro
betrag von den Krankenkassen.
In einem im Vorfeld festgeleg
ten Katalog sind die wesent
lichen Fälle mit den entspre
chenden Beträgen aufgelistet.
Kommen mehrere Grunder
krankungen zum Tragen, gibt
es bestimmte Zuschläge. Dies
hat zur Folge, dass dem Kran
kenhaus beispielsweise für
eine Blinddarmoperation ein
fester Betrag erstattet wird,
unabhängig von der Behand
lungsdauer und Betreuungsin
tensität des Patienten. Die Ein
führung des DRG-Systems war
nicht unumstritten, denn der
damit verbundene Zwang zu
mehr Wirtschaftlichkeit geht
zuletzt klar auf Kosten der
Patienten und Beschäftigten.
Mit der seit 1. Januar 2019 neu
vorgesehenen Entkoppelung
der krankenhausindividuellen
Pflegepersonalkosten von den
Fallpauschalen ist aus Sicht des
dbb ein längst überfälliger Pa
radigmenwechsel vollzogen
worden: Die nun vorgesehene
Entkoppelung trägt sinnvoll
dazu bei, dass das Pflegeperso
nal nicht mehr als Kostenfak
tor gesehen wird und Zeit mit
dem Patienten nicht mehr in
der Fallpauschale abgebildet ist.
Ein weiterer großer Schritt in
die richtige Richtung ist die im
Gesetz geregelte vollständige
Refinanzierung der Tarifstei
gerungen für das Pflegeperso
nal in den Krankenhäusern.
Seit dem Aktionsbündnis zur
Rettung der Krankenhäuser,
das auf das Jahr 2008 zurück
geht, hatte der dbb immer
wieder in Anhörungen, Stel
lungnahmen und politischen
Gesprächen die vollständige
Refinanzierung der Tarifsteige
rungen gefordert. Nachdem
zwischenzeitlich zumindest die
hälftige Refinanzierung umge
setzt worden war, ist der nun
vorgenommene Schritt richtig
und ein großer Erfolg für die
gewerkschaftliche Arbeit und
vor allem für die Beschäftigten.
Einziger Wermutstropfen: Die
Neuregelung zur vollständigen
Refinanzierung der Personal
kosten bezieht sich nur auf das
reine Pflegepersonal. Verwal
tung und Service bleiben außen
vor, das könnte zu Verschiebe
bahnhöfen beziehungsweise
administrativen Aufgabenzu
wächsen beim pflegerischen
Personal führen.
Ungelöst bleiben nach wie vor
auch die Probleme in der am
bulanten und stationären Al
tenpflege. In weiten Bereichen
mangelt es noch an der nöti
gen Tarifbindung. Hier sieht
der dbb dringenden Hand
lungsbedarf, auch um Abwan
derungen aus der Alten- in die
Krankenpflege zu verhindern.
Seit dem 1. Januar 2019 gelten
für insgesamt vier pflegeinten
sive Krankenhausbereiche Per
sonaluntergrenzen. Sie werden
als maximale Anzahl von Pati
enten pro Pflegekraft festge
legt. Zudem erfolgt eine Unter
scheidung zwischen Tag- und
Nachtschichten. In der Kardio
logie, der Intensivmedizin, der
Unfallchirurgie sowie der Geri
atrie sollte dies künftig zu bes
serer Personalausstattung füh
ren. Ab dem Jahr 2020 soll
zudem für jedes Krankenhaus
das Verhältnis zwischen der
Zahl der Pflegekräfte und dem
anfallenden Pflegeaufwand
errechnet und veröffentlicht
werden. Unterschreitet ein
Krankenhaus eine bestimmte
Personalgrenze, drohen Hono
rarkürzungen.
<<
Personaluntergrenzen
festgelegt
Ein Beispiel: In der Intensivme
dizin gilt seit 1. Januar 2019 in
der Tagesschicht ein Verhältnis
von 2,5 Patienten pro Pflege
fachkraft. In der Nachtschicht
erhöht sich dieses auf 3,5 zu 1.
Ab 1. Januar 2021 gilt tagsüber
ein Verhältnis von 2 zu 1, nachts
steigt dieses auf 3 zu 1. Darü
ber hinaus wird der Anteil der
Pflegehilfskräfte am gesamten
Pflegepersonal festgelegt, da
mit ausreichend qualifiziertes
Personal zur Verfügung steht.
Die Personaluntergrenzen sind
durch die Personaluntergren
zenverordnung vom Bundes
gesundheitsminister festge
legt worden. Die sogenannte
„Ersatzvornahme“ durch das
Bundesgesundheitsministeri
um ist Folge des Scheiterns
der Verhandlungen zwischen
Krankenhäusern und Kranken
kassen. Was sich zunächst gut
anhört, verfehlt jedoch aus
Sicht des dbb das Ziel, ein vali
des Soll an Personal zu bestim
men, an dem sich die Mindest
personalausstattung ausrich-
ten könnte. Vielmehr stellt
sich nach wie vor das Problem,
dass dem Pflegepersonal vor
behaltene Tätigkeiten noch
nicht einheitlich definiert sind
und ein entsprechender Perso
nalbedarf schlicht nicht seriös
zu bestimmen ist.
Auch sind noch nicht sämtliche
Krankenhäuser und Kliniken von
den Neuregelungen umfasst:
Justizvollzugskrankenhäuser so
wie Reha-Kliniken sind bisher
noch nicht in die Neuregelun
gen eingeschlossen. Hier muss
nachgebessert werden.
Auch wenn es im Pflegebe
reich weiteren Verbesserungs
bedarf gibt, was Arbeitsbedin
gungen und Personal betrifft,
wird der Tarifabschluss vom
3. März 2019 im Bereich der
Länderbeschäftigten dazu bei
tragen, die Situation zu ent
spannen. Die Werte und die
Eingruppierungsregelungen
der Pflegeentgelttabelle des
Tarifvertrages für den öffent
lichen Dienst (TVoD, hier die
sogenannte P-Tabelle) werden
im TV-L ubernommen und
ruckwirkend ab Januar 2019
ebenfalls dynamisiert. Das
wird zu einer erheblichen Auf
wertung der Vergütung bei
tragen und die Wertigkeit der
Pflegeberufe betonen: Pflege© Colourbox.de / Kzenon
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dbb magazin | April 2019