dbb magazin 4/2019 - page 17

reportage
schen Klasse war das ähnlich.
Hat sich das in den letzten Jah­
ren geändert? Sabine Pekrul:
„Ja, hat es. Es sind noch immer
mehr Frauen, aber Pflege ist für
mich überhaupt nicht mehr der
typische Frauenberuf. Vor zehn
Jahren war das noch anders.
Da hat sich vielleicht mal ein
Zivildienstleistender ins Kran­
kenhaus verirrt und gemerkt,
dass der Beruf des Krankenpfle­
gers so schlecht nicht ist. Ge­
schlechtlich gemischte Teams
sind ohnehin viel besser.“
Und transkulturelle Kompe­
tenz? „Die wird gelehrt, auch
der Umgang mit verschiede­
nen Religionen, das muss auch
sein. Wenn jemand im ersten
halben Jahr zeigt, dass er oder
sie politische Einstellungen
hat, die dazu nicht passen, ist
das ein Ausschlusskriterium.
Das geht gar nicht!“ Aber letzt­
lich ist das hier Brandenburg
an der Havel und nicht Ham­
burg, Stuttgart oder Herne.
Der Migrationsanteil in der
hiesigen Bevölkerung und in
der Schülerschaft hält sich
stark in Grenzen.
Die Schulglocke ertönt schrill.
Es ist die alte mechanische Va­
riante, kleiner Metallkörper,
kleiner Metallhammer, der in
hoher Frequenz die Innensei­
ten des Körpers traktiert. Ein
unerbittlicher Ton. Wenn man
direkt darunter steht, geht die
Hand im Reflex zum der Glocke
zugewandten Ohr, um es zu
schützen. „Die wird ab Oktober
2019 endgültig abgestellt wer­
den“, sagt Sabine Pekrul und
lacht. Das tut sie oft, auch in
der Klasse. Die Arbeit macht
ihr Spaß, das ist ihr deutlich
anzumerken.
Doch genug geplaudert, es hat
geklingelt, wir müssen in die
Klasse. Wir verlassen den Auf­
enthaltsraum, biegen nach links
in Richtung Treppe ab. Der Flur
ist nicht breit, dafür elend lang.
Auch hier das freundliche Gelb
– wie im gesamten Gebäude –,
Bilder von Abschlussklassen in
edler Abendgarderobe hängen
an den Wänden im ersten
Stock. Links und rechts Klassen­
zimmer und Büros. Wenn man
nicht weiß, wo etwas ist, ist es
auch nicht schwer, sich in dem
Gebäude zu verlaufen. Es ist
weder groß noch verwinkelt,
es sind die zwei langen, nahezu
identisch aussehenden Flure,
die dem nicht ortskundigen Be­
sucher ein Gefühl des Verloren­
seins geben. Früher war hier
das Amt für Schule und Sport
und Kultur.
Im unteren Geschoss treffen
wir vor Raum 2 Nadine Wege­
rer. Sie hat die Arme voll mit
Unterrichtsmaterial, ein Kugel­
schreiber rutscht vom Papier
und fällt auf den Boden. „Ich
habe mit den Schülerinnen und
Schülern heute ein Experiment
zu Zusammenarbeit im Team
und beruflicher Handlungs­
kompetenz vor. Das wird span­
nend“, sagt sie, und wir gehen
hinein.
Die Aufgabe: Am Flipchart
hängt eine Zeichnung, im Vor­
dergrund eine kleine Insel, ein
kleiner Berg Sand mit zwei Pal­
men darauf. Im Hintergrund
des Bildes geht ein Schiff unter.
Vier Personen schwimmen zu
der Insel, auf der einige Gegen­
stände liegen: ein Gürtel, eine
Glasflasche mit Korken, ein
Geigenkasten mit Geige und
ein Geigenbogen. „Sie stran­
den nackt auf dieser Insel, ha­
ben nur diese Gegenstände
und müssen Ihr überleben
organisieren. Wie tun Sie das
im Team?“, fragt Wegerer. Ein
Schüler platzt heraus: „Ich neh­
me den Gürtel und erhänge
mich an der Palme.“ Etwas
zynisch, das Gelächter in der
Klasse ist anhaltend. Man
merkt, dass die gut eineinhalb
Dutzend Schülerinnen und
Schüler im dritten gemeinsa­
men Ausbildungsjahr sind. Sie
kennen sich, der Umgang ist
vertraut, Arbeitsgruppen tun
sich schnell zusammen und be­
ginnen in den vorgegebenen
zehn Minuten zu diskutieren.
<<
„Schiffbruch“ mit
Pflegepersonal
Als die Zeit abgelaufen ist,
gehen die Gruppen nachein­
ander vor die Klasse, präsentie­
ren ihre Lösungen. „Aus dem
Bogen eine Angel bauen und
fischen.“ – „Mit dem Gürtel die
Palme hochklettern.“ – „Mit Bo­
gen und Reibungswärme ein
Feuer machen, dafür nehmen
wir das Holz von der Palme.
Und dann können wir mit der
Holzkohle einen Hilferuf auf
Palmblätter schreiben und das
als Flaschenpost verschicken.“
Das sind nur einige der Ergeb­
nisse. Gefragt, was denn nun
die „richtige“ Lösung sei, sagt
Lehrerin Wegerer: „Die gibt es
nicht.“ In zwei, drei Gesichtern
steht Enttäuschung, doch
schnell sehen die Lernenden:
Es geht hier nicht um einen
richtigen Weg zu einem Ziel,
nicht um die eine richtige Lö­
sung. Es geht darum, dass sie im
Teammit ihren unterschiedli<<
Kreativität ist gefragt: Schülerinnen und Schüler suchen mit ihrer Lehrerin Nadine Wegerer nach Lösungsansätzen für ein ungewöhnliches Problem.
Die Ergebnisse spiegeln den Pflegealltag wider.
<<
Steve Moderhak, der Mann für die Praxis.
Er unterrichtet unter anderem die prakti­
sche Anwendung von Pflegetechnik.
17
>
dbb magazin | April 2019
1...,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16 18,19,20,21,22,23,24,25,26,27,...48
Powered by FlippingBook