reportage
druck messen ist für die ange
henden Pflegekräfte ein Teil des
Handwerks, obwohl das in der
Regel das medizinische Perso
nal macht. „Wer will mal bei
mir messen“, ruft Pekrul in die
Klasse. Niemand reagiert. Sie
lacht. „Das ist schon in Ord
nung, morgen müssen sie zei
gen, dass sie es können.“ Dann
werden die erlernten Fähigkei
ten getestet. Sie setzt sich mit
an einen Tisch, lässt sich das
Stethoskop geben und setzt es
auf, gibt Tipps.
<<
Hohe Nachfrage nach
Pflegekräften
„Wir haben 2015 mit der Aus
bildung in der Schule begon
nen“, erzählt Sabine Pekrul
später. Davor gab es keine Al
tenpflegeausbildung in der
Stadt Brandenburg. „Damals
war es so, dass wir die Alten
pflege in Brandenburg nicht ab
gedeckt hatten, das Klinikum
und die lokalen Pflegeeinrich
tungen haben händeringend
ausgebildetes Personal ge
sucht.“ Vielen Beschäftigten,
die schon Jahrzehnte in den Ein
richtungen gearbeitet haben,
waren die Wege nach Berlin,
Potsdam oder Beelitz einfach
zu weit. Für die Einrichtung der
Altenpflegeschule hatten sich
neben der damaligen Oberbür
germeisterin Dietlind Tiemann
das Landesamt für Soziales und
Versorgung, die Arbeitsagentur
sowie die neun Senioren- und
Pflegeeinrichtungen als Träger
beziehungsweise Kooperations
partner starkgemacht. So
„konnte nach anderthalb Jah
ren Antragsverfahren der erste
Ausbildungsgang mit elf Aus
zubildenden und elf Umschü
lern starten“, heißt es auf der
Homepage der Stadt Branden
burg. „Mit der Schule konnten
wir so Schüler rekrutieren, die
die Ausbildung sonst nicht ge
macht hätten“, sagt Pekrul.
Das war auch dringend nötig.
Das Problem, das heute Pflege
krise genannt wird, nämlich
ein immenser Mangel an Fach
kräften, hatte einen Vorlauf
über Jahre. In der Stadt Bran
denburg besteht eine große
Nachfrage an ausgebildeten
Alten- und Krankenpflegekräf
ten sowohl vom kommunalen
Klinikum, zu dem die Schule
gehört, als auch von den priva
ten Pflegeeinrichtungen.
Die Menschen, die hier die Aus
bildung beginnen, kommen
entweder direkt aus der Schule
oder sie haben schon eine an
dere Ausbildung hinter sich. So
auch Andy Haubenreißer. Er ist
gelernter Metallbauer, hat in
dem Job gearbeitet, später auf
dem Bau, nun lernt er Alten
pfleger. „Das war schon immer
mein Berufsziel“, erzählt er.
„Man bekommt von den alten
Menschen auch viel zurück.“
Ein Freiwilliges Soziales Jahr
(FSJ) hat er in dem Bereich hin
ter sich, weiß wovon er spricht.
Wenn er mit der Ausbildung
fertig ist, möchte er beispiels
weise in einer Wohngruppe
mit alten und dementen
Menschen arbeiten.
Franziska Holz hat im Gastge
werbe eine Ausbildung ge
macht, dort gearbeitet, später
in einem Callcenter, seit 2014
in der Pflege und nun ist sie
hier, um den Abschluss als Al
tenpflegerin zu machen. „Die
Ausbildung ist sehr praxisnah“,
erzählt sie. „Wir sind schnell in
die Klinik auf Station gegan
gen.“ Nach dem Schulbeginn
dauerte der erste Praxisturnus
sieben Wochen, von November
bis Januar. Dann gehen die
Auszubildenden in die Klinik
oder in Einrichtungen der pri
vaten Kooperationspartner der
Schule und lernen den Beruf
von der Pike auf kennen.
Die Ausbildung an der Alten
pflegeschule wird derzeit über
Bildungsgutscheine gefördert.
Zudem können Schülerinnen
und Schüler Gelder aus der so
genannten WeGebAU-Förde
rung der Bundesagentur für
Arbeit bekommen. Ausgeschrie
ben heißt das: „Weiterbildung
Geringqualifizierter und be
schäftigter älterer Arbeitneh
mer in Unternehmen“. Die Bun
desagentur hat diese Initiative,
die sich an Menschen über 45
Jahren in Betrieben mit weniger
als 250 Beschäftigten richtet,
im Jahr 2006 ins Leben gerufen.
Sie biete „die Moglichkeit, durch
Weiterbildung Arbeitsplatze zu
sichern und Arbeitslosigkeit/
Entlassungen zu vermeiden.
Das Programm leistet einen
Beitrag zur Deckung des Fach
kraftebedarfs und dient damit
auch der Sicherung und Verbes
serung der Wettbewerbsfahig
keit der Unternehmen“, heißt es
in den Geschäftsanweisungen
der Bundesagentur für Arbeit.
Eine dritte Personengruppe
beginnt klassischerweise nach
dem Schulabschluss die Aus
bildung. „Obwohl es nicht der
klassische Berufswunsch eines
jungen Menschen ist, in die
Altenpflege zu gehen“, sagt
Pekrul, mit der wir im Aufent
haltsraum für Lehrkräfte sit
zen. Ein langer, schmaler in
freundlichem Gelb gestriche
ner Raum. Eine Tischreihe zieht
sich über die ganze Länge, dar
auf Thermoskannen, Teller mit
Teilchen, Kaffeetassen, an bei
den Seiten jeweils knapp zehn
Stühle. Rechts hinter der Tür ist
eine kleine Küchenzeile mit
Hängeschränken, Herd und
Kühlschrank.
<<
Kein typischer
Frauenberuf
Klischeetest: In der Pflege ar
beiten meist Frauen mit einer
ausgeprägten sozialen Ader.
Korrekt? Nein. Sowohl die Al
tenpflegeklasse von vorhin als
auch die medizinische Klasse,
die wir gleich besuchen wer
den, sind sehr gemischt. Bei
Erstgenannter zählten wir stur
nach Aussehen zehn Männer
und 17 Frauen. In der medizini<<
Laura Grüttke und Georgina Schumann arbeiten mit einem Herzmodell.
<<
Sabine Pekrul überwacht eine Übung zum Blutdruckmessen.
16
dbb
>
dbb magazin | April 2019