dbb magazin 4/2019 - page 16

reportage
druck messen ist für die ange­
henden Pflegekräfte ein Teil des
Handwerks, obwohl das in der
Regel das medizinische Perso­
nal macht. „Wer will mal bei
mir messen“, ruft Pekrul in die
Klasse. Niemand reagiert. Sie
lacht. „Das ist schon in Ord­
nung, morgen müssen sie zei­
gen, dass sie es können.“ Dann
werden die erlernten Fähigkei­
ten getestet. Sie setzt sich mit
an einen Tisch, lässt sich das
Stethoskop geben und setzt es
auf, gibt Tipps.
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Hohe Nachfrage nach
Pflegekräften
„Wir haben 2015 mit der Aus­
bildung in der Schule begon­
nen“, erzählt Sabine Pekrul
später. Davor gab es keine Al­
tenpflegeausbildung in der
Stadt Brandenburg. „Damals
war es so, dass wir die Alten­
pflege in Brandenburg nicht ab­
gedeckt hatten, das Klinikum
und die lokalen Pflegeeinrich­
tungen haben händeringend
ausgebildetes Personal ge­
sucht.“ Vielen Beschäftigten,
die schon Jahrzehnte in den Ein­
richtungen gearbeitet haben,
waren die Wege nach Berlin,
Potsdam oder Beelitz einfach
zu weit. Für die Einrichtung der
Altenpflegeschule hatten sich
neben der damaligen Oberbür­
germeisterin Dietlind Tiemann
das Landesamt für Soziales und
Versorgung, die Arbeitsagentur
sowie die neun Senioren- und
Pflegeeinrichtungen als Träger
beziehungsweise Kooperations­
partner starkgemacht. So
„konnte nach anderthalb Jah­
ren Antragsverfahren der erste
Ausbildungsgang mit elf Aus­
zubildenden und elf Umschü­
lern starten“, heißt es auf der
Homepage der Stadt Branden­
burg. „Mit der Schule konnten
wir so Schüler rekrutieren, die
die Ausbildung sonst nicht ge­
macht hätten“, sagt Pekrul.
Das war auch dringend nötig.
Das Problem, das heute Pflege­
krise genannt wird, nämlich
ein immenser Mangel an Fach­
kräften, hatte einen Vorlauf
über Jahre. In der Stadt Bran­
denburg besteht eine große
Nachfrage an ausgebildeten
Alten- und Krankenpflegekräf­
ten sowohl vom kommunalen
Klinikum, zu dem die Schule
gehört, als auch von den priva­
ten Pflegeeinrichtungen.
Die Menschen, die hier die Aus­
bildung beginnen, kommen
entweder direkt aus der Schule
oder sie haben schon eine an­
dere Ausbildung hinter sich. So
auch Andy Haubenreißer. Er ist
gelernter Metallbauer, hat in
dem Job gearbeitet, später auf
dem Bau, nun lernt er Alten­
pfleger. „Das war schon immer
mein Berufsziel“, erzählt er.
„Man bekommt von den alten
Menschen auch viel zurück.“
Ein Freiwilliges Soziales Jahr
(FSJ) hat er in dem Bereich hin­
ter sich, weiß wovon er spricht.
Wenn er mit der Ausbildung
fertig ist, möchte er beispiels­
weise in einer Wohngruppe
mit alten und dementen
Menschen arbeiten.
Franziska Holz hat im Gastge­
werbe eine Ausbildung ge­
macht, dort gearbeitet, später
in einem Callcenter, seit 2014
in der Pflege und nun ist sie
hier, um den Abschluss als Al­
tenpflegerin zu machen. „Die
Ausbildung ist sehr praxisnah“,
erzählt sie. „Wir sind schnell in
die Klinik auf Station gegan­
gen.“ Nach dem Schulbeginn
dauerte der erste Praxisturnus
sieben Wochen, von November
bis Januar. Dann gehen die
Auszubildenden in die Klinik
oder in Einrichtungen der pri­
vaten Kooperationspartner der
Schule und lernen den Beruf
von der Pike auf kennen.
Die Ausbildung an der Alten­
pflegeschule wird derzeit über
Bildungsgutscheine gefördert.
Zudem können Schülerinnen
und Schüler Gelder aus der so­
genannten WeGebAU-Förde­
rung der Bundesagentur für
Arbeit bekommen. Ausgeschrie­
ben heißt das: „Weiterbildung
Geringqualifizierter und be­
schäftigter älterer Arbeitneh­
mer in Unternehmen“. Die Bun­
desagentur hat diese Initiative,
die sich an Menschen über 45
Jahren in Betrieben mit weniger
als 250 Beschäftigten richtet,
im Jahr 2006 ins Leben gerufen.
Sie biete „die Moglichkeit, durch
Weiterbildung Arbeitsplatze zu
sichern und Arbeitslosigkeit/
Entlassungen zu vermeiden.
Das Programm leistet einen
Beitrag zur Deckung des Fach­
kraftebedarfs und dient damit
auch der Sicherung und Verbes­
serung der Wettbewerbsfahig­
keit der Unternehmen“, heißt es
in den Geschäftsanweisungen
der Bundesagentur für Arbeit.
Eine dritte Personengruppe
beginnt klassischerweise nach
dem Schulabschluss die Aus­
bildung. „Obwohl es nicht der
klassische Berufswunsch eines
jungen Menschen ist, in die
Altenpflege zu gehen“, sagt
Pekrul, mit der wir im Aufent­
haltsraum für Lehrkräfte sit­
zen. Ein langer, schmaler in
freundlichem Gelb gestriche­
ner Raum. Eine Tischreihe zieht
sich über die ganze Länge, dar­
auf Thermoskannen, Teller mit
Teilchen, Kaffeetassen, an bei­
den Seiten jeweils knapp zehn
Stühle. Rechts hinter der Tür ist
eine kleine Küchenzeile mit
Hängeschränken, Herd und
Kühlschrank.
<<
Kein typischer
Frauenberuf
Klischeetest: In der Pflege ar­
beiten meist Frauen mit einer
ausgeprägten sozialen Ader.
Korrekt? Nein. Sowohl die Al­
tenpflegeklasse von vorhin als
auch die medizinische Klasse,
die wir gleich besuchen wer­
den, sind sehr gemischt. Bei
Erstgenannter zählten wir stur
nach Aussehen zehn Männer
und 17 Frauen. In der medizini<<
Laura Grüttke und Georgina Schumann arbeiten mit einem Herzmodell.
<<
Sabine Pekrul überwacht eine Übung zum Blutdruckmessen.
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