dbb magazin 4/2019 - page 25

blickpunkt
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in ihrer Heimat sozialversichert
ist. Bestätigt wird dies über
die „Bescheinigung über die
Rechtsvorschriften der sozialen
Sicherheit (Vordruck A1 der Eu­
ropäischen Union)“, die unter­
schrieben und in Kopie beim
Kunden sein muss.
Die Kosten variieren in Abhän­
gigkeit vom Betreuungsbedarf
und den einzelnen Regelungen
im Vermittlungsvertrag. Es ist
auf jeden Fall sinnvoll, sich vor
Unterzeichnung juristischen
Beistand zu holen, um böse
Überraschungen in unvorher­
gesehenen Fällen zu vermei­
den: Wie sind die beidseitigen
Kündigungsfristen, was ge­
schieht beim Erfordernis ei-
nes Krankenhausaufenthaltes,
gibt es Vertragsstrafen?
<<
Selbstständige
Pflegekräfte
Während Kunden beim Entsen­
demodell rechtlich weitestge­
hend auf der sicheren Seite
sind, ist die Lage bei der eigen­
initiativen Beschäftigung einer
selbstständigen Betreuungs­
kraft aus dem Ausland deutlich
kniffliger. Hier besteht die gro­
ße Gefahr der Förderung der
Scheinselbstständigkeit, die
bei Entdeckung zu Nachzah­
lungen und einem Strafverfah­
ren führen kann. Denn: Für
eine legale Selbstständigkeit
müssen mindestens zwei Auf­
traggeber nachgewiesen wer­
den, was im Falle einer Rund-
um-die-Uhr Betreuung schlicht
nicht möglich ist. Folglich liegt
der Gedanke nahe, gleich eine
ausländische Betreuungskraft
im Angestelltenverhältnis zu
beschäftigen. Also selbst als
Arbeitgeber aufzutreten.
<<
Auftraggeber als
Arbeitgeber
Die pflegebedürftige Person
beziehungsweise der Angehöri­
ge stellt eine ausländische Be­
treuungskraft aus dem EU-Aus­
land mit einem eigenständigen
Arbeitsvertrag ein. Pflegende
werden damit formal zu Arbeit­
gebern und unterliegen den
Vorgaben des deutschen Ar­
beitsrechts und Arbeitsschut­
zes. Außerdemmuss der gelten­
de Mindestlohn gezahlt werden.
Auch die Lohnnebenkosten
sind nicht zu unterschätzen.
Hinzu kommt: Um nicht gegen
die Arbeitszeitregelungen in
Deutschland zu verstoßen,
ist die Beschäftigung einer ein­
zigen 24-Stunden-Pflegekraft
nicht möglich. Urlaub, maximal
tägliche Arbeitszeit oder die
Vertretung im Krankheitsfall
machen die Beschäftigung von
mehreren Betreuungskräften
erforderlich – ohne juristische
Betreuung ein sehr schwieriges
Unterfangen.
Eine rechtlich saubere, wenn
auch nicht die günstigste Mög­
lichkeit ist die Beschäftigung
einer ausländischen Haushalts­
hilfe, die beispielsweise über
die „Zentrale Auslands- und
Fachvermittlung“ (ZAV), einen
Teilbereich der Bundesagentur
für Arbeit, vermittelt wird. Der
Haushaltshilfe sind neben der
Haushaltsführung allerdings
nur pflegerische Hilfstätigkei­
ten gestattet: also etwa Hilfe
bei der Körperpflege, Nah­
rungsaufnahme und Mobilität.
Für rein pflegerische Tätigkei­
ten wie das Setzen von Sprit­
zen oder die Wundversorgung
muss ein ambulanter Pflege­
dienst zugebucht werden. Die­
ser kann beispielsweise über
die ambulante Sachleistung
der deutschen Pflegeversiche­
rung finanziert werden. Ambu­
lante Sachleistung bedeutet,
dass ein ambulanter Pflege­
dienst, der beispielsweise zum
Richten der Medikamente und
zur Wundversorgung zweimal
täglich ins Haus kommt, direkt
mit der Pflegekasse abrechnet.
Die monatlichen Maximal­
beträge, die ausgeschöpft
werden können, bevor der Pfle­
gebedürftige selbst zahlungs­
pflichtig wird, sind abhängig
vom festgestellten Pflegegrad
und liegen zwischen 689 Euro
(Grad 2) und 1 995 Euro (Grad 5).
Alternativ kann auch ein soge­
nanntes monatliches Pflege­
geld in Anspruch genommen
werden. Es muss nicht zwin­
gend für die Pflege, sondern
kann auch für die Betreuung
oder beispielsweise eine Haus­
haltshilfe verwendet werden.
Das Pflegegeld wird im Gegen­
satz zur Sachleistung direkt
ausgezahlt und liegt in Ab­
hängigkeit vom festgestellten
Pflegegrad zwischen 316 Euro
(Grad 2) und 901 Euro (Grad 5).
Wird die ambulante Sachleis­
tung nicht voll ausgeschöpft,
kann eine anteilige Erhöhung
des Pflegegeldes beantragt
werden.
Darüber hinaus sieht die Pfle­
geversicherung Leistungen für
den Fall vor, dass die Haushalts­
hilfe oder die pflegenden Ange­
hörigen in Urlaub gehen. Für
diesen Zeitraum gibt es die
Möglichkeit der sogenannten
Verhinderungspflege. Diese
kann durch einen ambulanten
Pflegedienst, durch Einzelpfle­
gekräfte, ehrenamtlich Pfle­
gende oder nahe Angehörige
erfolgen. Pro Kalenderjahr ist
eine Verhinderungspflege von
bis zu sechs Wochen möglich.
In Kombination mit der Kurz­
zeitpflege kann dieser Zeitraum
sogar auf bis zu acht Wochen
im Jahr ausgeweitet werden.
Pflegebedürftige ab Grad 2 er­
halten hierfür insgesamt maxi­
mal 2418 Euro im Jahr.
Insgesamt zeigt sich bei nähe­
rer Betrachtung, dass die Be­
schäftigung einer ausländi­
schen Betreuungskraft gut
durchdacht sein will. Rechts­
sicher geregelt, muss einiges
an finanziellem Aufwand ein­
kalkuliert werden.
Für die Kombination einer über
die ZAV vermittelten Haus­
haltshilfe mit einem ambulan­
ten Pflegedienst können gut
2000 Euro zuzüglich Lohnne­
benkosten für die Haushaltshil­
fe anfallen. Wenn sich der zuge­
buchte Einsatz des ambulanten
Pflegedienstes auf die rein pfle­
gerischen Tätigkeiten beschrän­
ken lässt, kann die Pflegesach­
leistung der Pflegeversicherung
hierfür ausreichen.
Der Abschluss einer geförder­
ten Pflegetagegeld-Versiche­
rung, der sogenannte „Pflege-
Bahr“, kann sich also durchaus
lohnen.
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