dbb magazin 4/2019 - page 15

reportage
Pflegeausbildung in Brandenburg an der Havel
Pflege mit
Herz
Die Altenpflegeschule in Brandenburg an der Havel bereitet sich auf das
neue Pflegeberufegesetz vor. Nicht nur Pflegeschülerinnen und -schüler
müssen sich umstellen, was Lerninhalte und Rahmenbedingungen der
Ausbildung betrifft. Auch die Schule selbst hat neue Herausforderungen
zu meistern – etwa die, dass es in der Region mehr Bedarf an Pflegekräften
gibt, als die Schule derzeit aubilden kann.
Ist das Herz nun vom Reh oder
von Wildschwein? „Definitiv
Wildschwein“, sagt ein Schüler,
„so dunkel wie das ist.“ „Fragen
Sie noch mal den Jäger, wenn
Sie ihn sehen“, sagt Sabine
Pekrul und zieht sich die Ärmel
ein wenig zurück. Die Schülerin
nickt, das wolle sie tun. Eine
andere reicht Pekrul ein Skal­
pell und sie macht den ersten
Schnitt in das Herz, das sie kurz
vor der Stunde aus der Kühlung
im Schulkeller geholt hat. „Ah!
Jetzt sehen wir auch, hier ist
links, das ist die Aorta. Sie lei­
tet das Blut in den großen Blut­
kreislauf und an die Gefäße
und Organe im ganzen Körper
weiter.“ Im Klassenraum ist es
mucksmäuschenstill. Ein paar
Tropfen Blut fallen aus dem fri­
schen, dunkelroten Organ auf
den Tisch, an dem Pekrul sitzt.
Um sie herum steht die Klasse
mit ihren 27 Schülerinnen und
Schülern und verfolgt auf­
merksam, wie die Lehrerin das
Herz präpariert, die einzelnen
Teile erklärt, mit dem Finger
zeigt, wo die Gefäße sind. Sie
steckt den Finger in die aufge­
schnittene rechte Herzkam­
mer, er kommt oben aus dem
Truncus pulmonalis wieder he­
raus, der sauerstoffarmes Blut
in die Lunge transportiert. Nie­
mand ekelt sich. Als die Lehre­
rin sagt: „Ich gebe das auch
gleich mal rum“, beginnen die
ersten sofort, den Schmuck
an Händen und Handgelenken
abzustreifen.
Ekel vor ein bisschen Blut
wäre für die Berufswahl,
die die überwiegend jungen
Erwachsenen hier getroffen
haben, auch fehl am Platze.
Wir befinden uns in der Medi­
zinischen Schule am Klinikum
in Brandenburg an der Havel.
Es ist die zweite Stunde an ei­
nem Donnerstagmorgen im
Februar. In der Klasse sind an­
gehende Altenpflegerinnen
und -pfleger, die im Oktober
2018 hier ihre dreijährige Aus­
bildung begonnen haben.
Sabine Pekrul ist Leiterin der
Altenpflegeschule und stell­
vertretende Leiterin der Me­
dizinischen Schule, deren Teil
die Altenpflegeschule ist.
Nachdem das Herz teilweise
zerlegt ist und einige Schülerin­
nen und Schüler den Verlauf
der Gefäße mit ihren Händen
und Fingern erkundet haben,
stehen erst Händewaschen und
dann Blutdruckmessen auf dem
Plan. Zu zweit oder zu dritt tun
sich die Schülerinnen und Schü­
ler zusammen, legen sich die
Manschette um den Oberarm,
pumpen, das Stethoskop in den
Ohren, mit dem Gummiball
Luft hinein und gucken auf die
mechanischen Druckmesser.
„Ich höre gar nichts“, heißt es
an einem Tisch. „Ist das nicht zu
doll? Sag Bescheid, wenn’s weh
tut!“, an einem anderen. Blut<<
Franziska Holz analysiert die Struktur eines Wild-Herzens.
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