tionären Reha haben wir er
leichtert. Organisiert ein Pfle
gebedürftiger seine Pflege
selbst – zum Beispiel durch
einen Angehörigen – kann er
außerdem Pflegegeld beziehen
und dieses Geld als Anerken
nung an den Pflegenden wei
tergeben.
Ich weiß, es geht immer noch
mehr. Aber wenn wir über
weitere Leistungen sprechen
wollen, müssen wir immer die
Frage nach der Finanzierung
beantworten. Eine dem Eltern
geld ähnliche Leistung wäre
jedenfalls keine Aufgabe der
Pflegeversicherung. Sie müsste
von der gesamten Gesellschaft
getragen werden.
Die mit den Pflegestärkungs
gesetzen beschlossenen Leis
tungsausweitungen werden –
im Zusammenspiel mit demo-
grafischemWandel und techni
schem Fortschritt – über kurz
oder lang zu steigenden Beiträ
gen in der Pflegeversicherung
führen. Mögliche künftige
Versorgungslücken können
individuell mit geförderten
Pflegezusatzversicherungen
geschlossen werden. Solche
„Riester-Rente“-ähnliche Mo
delle haben in der Vergangen
heit aber überwiegend Gutver
diener genutzt. Wie stellen Sie
sicher, dass künftig alle Bürge
rinnen und Bürger entspre
chend vorsorgen können?
Für die Anhebung des Pflege
beitrags zum Jahresbeginn gab
es eine breite Akzeptanz in der
Gesellschaft. Die Menschen
wissen: Gute Pflege kostet
Geld. Und immer mehr Men
schen werden perspektivisch
auf Hilfe angewiesen sein. Dar
um brauchen wir eine Debatte
darüber, wie wir das als Gesell
schaft in Zukunft stemmen
wollen. Es sind verschiedene
Finanzierungsmodelle denkbar.
Im Kern geht es darum, wie viel
die Familien selbst leisten kön
nen und wo sie Unterstützung
brauchen. Eine Zusatzversiche
rung, die sich auch Menschen
mit kleineren Einkommen leis
ten können, gibt es übrigens
schon. Der Staat unterstützt
sie dabei mit einer Zulage von
60 Euro im Jahr.
Mit dem „Pflegepersonal-Stär
kungsgesetz“ haben Sie die
langjährige dbb Forderung er
füllt, Tarifsteigerungen voll
ständig durch die Krankenkas
sen zu refinanzieren. Allerdings
besteht im Bereich der nicht
tarifgebundenen Beschäftig-
ten noch eine große Regelungs
lücke – also bei einem großen
Teil der stationären Altenpflege
und der ambulanten Pflege.
Was sind Ihre Pläne, um Ab
wanderungen aus diesen
Bereichen zu verhindern?
Das Pflegepersonal-Stärkungs
gesetz ist ein erster wichtiger
Schritt, um die Arbeitsbedin
gungen in der Pflege zu verbes
sern. Ich höre oft, dass das nicht
reicht. Aber irgendwo müssen
wir anfangen. Als nächstes
kümmern wir uns darum, dass
noch mehr Pflegekräfte ausge
bildet werden, dass der Beruf
attraktiver wird, dass die Pflege
endlich ein besseres Image be
kommt. Wenn sich ein junger
Mensch für eine Ausbildung in
der Pflege entscheidet, muss
das den Eltern sofort einleuch
ten. Ich habe mich darum 2018
mit Familienministerin Franzis
ka Giffey und Arbeitsminister
Hubertus Heil zusammenge
setzt und die Konzertierte Ak
tion Pflege ins Leben gerufen.
Ziel ist es, mit vereinten Kräften
mehr Menschen für die Pflege
zu begeistern. 111 konkrete
Maßnahmen haben wir schon
beschlossen, unter anderem
eine groß angelegte Ausbil
dungsoffensive. Ich setze mich
dort auch für einen flächen
deckenden Tarifvertrag in der
Altenpflege ein. Das fertige
Konzept legen wir im Sommer
vor. Für mich ist die Konzertier
te Aktion Pflege ein gutes Bei
spiel dafür, wie die Große Koali
tion funktionieren kann.
Mitte Februar hat der Deutsche
Bundestag abschließend über
neue Strukturen in der Organ
spende beraten. Ein zentraler
Punkt ist die bessere Vergütung
der Krankenhäuser für die Organ
entnahme. Waren die Probleme
bisher also eher finanzieller Na
tur und nicht etwa mangelnde
Spendenbereitschaft? Und wenn
ja, warum kommen diese Ver
besserungen erst jetzt?
Die Zahl der Organspender ist
2018 deutlich gestiegen. Das
ist gut. Aber es ist nicht gut ge
nug. Noch immer warten Tau
sende Menschen in Deutsch
land auf ein Spenderorgan. Mit
dem gerade beschlossenen Ge
setz sorgen wir dafür, dass die
Krankenhäuser mehr Zeit und
mehr Geld für die Organspen
de bekommen. Kliniken dürfen
nicht finanziell auch noch da
für bestraft werden, dass sie
sich um Organspende küm
mern. Wir stärken die Rolle der
Transplantationsbeauftragten.
Sie sollen helfen, mehr Organ
spender zu identifizieren. Und
was mir persönlich ein Anlie
gen ist: Wir haben mit dem Ge
setz die Möglichkeit geschaf
fen, dass sich der Empfänger
eines Organs anonym bei der
Familie des Spenders bedanken
kann.
Unabhängig von diesem Ge
setz brauchen wir eine gesell
schaftliche Debatte darüber,
wie wir in Zukunft mit dem
Thema Organspende umgehen
wollen. Wir diskutieren diese
Frage gerade im Bundestag.
Ich setze mich dort für eine
doppelte Widerspruchslösung
ein. Das heißt: Jeder gilt als Or
ganspender, solange er nicht
ausdrücklich widersprochen
hat. Hat er das nicht getan,
müssen die Angehörigen ge
fragt werden. Auf diese Weise
muss sich jeder mit der Frage
auseinandersetzen, ob er be
reit ist, Organe zu spenden
oder nicht. Mehr als 9400 Men
schen warten auf ein Spender
organ. Vor diesem Hintergrund
halte ich die Pflicht, sich mit
dem Thema auseinander
zusetzen, für zumutbar.
interview
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dbb
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dbb magazin | April 2019