dbb magazin 6/2019 - page 41

Diese Maxime werden wohl die
meisten unterschreiben. Ihre
Umsetzung geschieht in vielen
Fällen aber nicht ohne den Ein-
satz öffentlicher Finanzmittel
in Form von Subventionen, Bei-
hilfen und Zuschüssen. Wann
und wie diese Beihilfen von der
öffentlichen Hand gewährt
werden dürfen, war und ist im-
mer wieder Gegenstand euro-
parechtlicher Fragestellungen
und institutioneller Klärungen
durch die EU-Kommission oder
die Landesrechnungshöfe, den
Bundesrechnungshof und den
Europäischen Rechnungshof.
Diese sind nicht einfach, geht
es doch um nicht weniger als
ihre Zulässigkeit in einem prin-
zipiell freien Markt zu klären
und damit darum, das Gleich-
gewicht der Kräfte imWettbe-
werb zu wahren und zugleich
Rechtssicherheit für die An-
wender zu erreichen, die in
vielen Fällen Kommunen sind.
Eine öffentliche Beihilfe kann
viele Formen haben. Es geht
nicht nur um direkte Transfer-
zahlungen der öffentlichen
Hand, sondern um jede Ge-
währung eines (geldwerten)
Vorteils an einen Begünstigten
als potenziellen Marktteilneh-
mer. Verursacht die Beihilfe
eine Wettbewerbsverfäl-
schung oder Handelsbeein-
trächtigung, so kann sie im
Bereich der Daseinsvorsorge
gerechtfertigt sein, wenn sie
ein Ausgleich für die Erbrin-
gung der bereits erwähnten
Gemeinwohlverpflichtung
ist. Anwendungsfälle für EU-
beihilfenrechtliche Fragestel-
lungen in der kommunalen
Praxis gibt es einige. Sie betref-
fen zum Beispiel öffentliche
Dienstleistungen, die kommu-
nale Wirtschaftsförderung,
möglicherweise aber auch die
Kultur- oder Sportförderung.
Das kann schwierige Abgren-
zungsfragen erzeugen. Eine
grundlegende Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofes
zur Zulässigkeit dieser Beihilfen
erfolgte im sogenannten Alt-
mark-Trans-Urteil des EuGH.
Nach diesen sogenannten Alt-
mark-Trans-Kriterien des EuGHs
stellt der Ausgleich für eine
Daseinsvorsorgeleistung keine
verbotene Beihilfe dar, wenn:
Das Unternehmen mit der Er­
füllung einer klar definierten
DAWI betraut ist. Die Aus-
gleichsparameter für die Erfül-
lung der Gemeinwohlverpflich-
tung müssen zuvor objektiv und
transparent aufgestellt werden.
Der Ausgleich darf nicht über
das hinausgehen, was erfor­
derlich ist, um die Kosten der
Erfüllung der gemeinwirtschaft-
lichen Verpflichtungen zu de-
cken, bei einem zulässigen an-
gemessenen Gewinn. Erfolgte
die Betrauung nicht imWege
einer öffentlichen Auftrags­
vergabe, ist die Höhe des Aus-
gleichs auf der Grundlage einer
Analyse der Kosten zu bestim-
men, die ein durchschnittliches,
gut geführtes Unternehmen bei
der Erfüllung der Aufgaben hät-
te. Das Unternehmen darf aus
der DAWI keinen wirtschaftli-
chen Vorteil haben. Die Über-
kompensation für die Erfüllung
des Gemeinwohlauftrags muss
anhand klarer Kriterien aus­
geschlossen sein.
Die EU leistet bei Anwen-
dungsfragen selbst Unter­
stützung. Zum Beispiel durch
den Leitfaden zur Anwendung
der Vorschriften der EU über
staatliche Beihilfen, öffentliche
Aufträge und den Binnenmarkt
auf Dienstleistungen von all­
gemeinem wirtschaftlichem
Interesse und insbesondere
auf Sozialdienstleistungen von
allgemeinem Interesse.
Treten Zweifelsfragen auf, liegt
die Entscheidung letztlich auf
der Ebene der EU, das heißt in
den Händen der EU-Kommis­
sion als Wettbewerbshüterin
und beim Europäischen Ge-
richtshof als Judikative. Beihil-
fen zu gewähren kann sich für
die Kommunen als schwierige
rechtliche Frage erweisen und
in vielen Fällen auch zu einer
Genehmigungspflicht, der so-
genannten Notifizierung, durch
die EU-Kommission führen.
Diesen Aufwand für die Kom-
munen so gering wie möglich
zu halten ist ein Spannungs-
feld, dem die EU-Kommission
aber auch nationale Regelungs-
geber (Stichwort „gold plating“)
bislang noch zu wenig Augen-
merk entgegengebracht haben.
Hier gilt es für die Zukunft, Lö-
sungen zu finden, die den Be-
dürfnissen auf beiden Seiten
entsprechen.
<<
Zweifelsfragen bei der
Finanzierung klärt die EU
Öffentliche und kommunale
Daseinsvorsorgeleistungen
haben ihre Stellung und ihren
anerkannten Wert im Binnen-
markt der EU im Sinne einer
sozialen Marktwirtschaft. Die
Europäische Union anerkennt
die Hoheit der Mitgliedstaaten,
diese zu regeln und auszuge-
stalten. Die Klärung von Zwei-
felsfragen, vor allemmit Blick
auf zulässige öffentliche Sub-
ventionen zur Finanzierung
von Daseinsvorsorgeleistungen
liegt allerdings in der Hand der
EU. Diese konnte durch Recht-
sprechung des EuGHs und eu-
ropäische Rechtsetzung nach
und nach weiter konkretisiert
und für die Anwender hand-
habbarer gemacht werden. Die
Komplexität EU-beihilfenrecht-
licher Fragestellungen kann
aber gerade kleinere Kommu-
nen immer noch vor schwieri-
ge Herausforderungen stellen.
Daher ist es wichtig, die Auf­
gaben der Daseinsvorsorge in
einer starken Europäischen
Union dort anzusiedeln und
so auszugestalten, wo bezie-
hungsweise dass sie sinnvoll,
nachhaltig und effizient reali-
sierbar, umsetzbar sind. Keine
Lösung ist es dagegen, wegen
etwaiger „Reibungsverluste“
an der europäischen Idee zu
rütteln.
Claudia Conen,
Uwe Zimmermann
<<
Die Autoren
Claudia Conen ist promovier-
te Juristin und seit 2017 Di-
rektorin und Bereichsleiterin
für Fördergeschäft einschließ-
lich Kommunalfinanzierung
im Bundesverband öffentli-
cher Banken. Seit 2013 ist sie
Mitglied im Präsidium der Eu-
ropa-Union Deutschland und
seit 2019 Landesvorsitzende
des Europa-Union-Landesver-
bands Thüringen.
Uwe Zimmermann ist seit
2012 stellvertretender
Hauptgeschäftsführer des
Deutschen Städte- und Ge-
meindebundes. Zudem ist er
stellvertretender Pressespre-
cher und stellvertretender
Direktor des Europabüros
des Deutschen Städte- und
Gemeindebundes.
Der Beitrag in voller Länge
online in den dbb europa-
themen Ausgabe 4/2019.
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© Colourbox.de/Paulo Vítor Martins
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