dbb magazin 6/2019 - page 35

... Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von
Menschen mit Behinderungen
Menschen mit Behinderungen sind
wertvolle Fachkräfte
1
In Ihrer Funktion als Be-
auftragter der Bundesre-
gierung für die Belange von
Menschen mit Behinderungen
haben Sie sich eine Verbesse-
rung der Teilhabe von Men-
schen mit Behinderung am
Arbeitsleben auf die Fahnen
geschrieben. Wäre eine Erhö-
hung der Ausgleichsabgabe,
wie sie auch der dbb seit Jahren
fordert, ein geeignetes Mittel,
um mehr Arbeitgeber zumin-
dest zur Erfüllung der Beschäf-
tigungspflichtquote zu animie-
ren?
Darüber müssen wir zumindest
reden. Ein Viertel aller beschäf­
tigungspflichtigen Arbeitgeber
in Deutschland – das sind un­
gefähr 41000 Unternehmen –
haben nicht einen einzigen
Menschen mit Behinderung
eingestellt. Das ist nicht nach­
zuvollziehen, auch nicht aus
wirtschaftlicher Perspektive.
Denn Menschen mit Behinde­
rungen sind genauso wertvolle
Fachkräfte wie Menschen ohne
Behinderungen. Für die Unter­
nehmen, die auch weiterhin bei
der Quote null bleiben, sollten
wir über eine Erhöhung der
Ausgleichsabgabe nachdenken.
2
Im Hinblick auf die Be-
schäftigungsquote schwer-
behinderter Menschen nimmt
der öffentliche Dienst in den
meisten Bundesländern eine
Vorreiterrolle ein. Allerdings
wird in vielen Bereichen des
ÖD die Schwerbehinderung erst
im Verlauf des Arbeitslebens
erworben. Wie kann man die
einzelnen Dienststellen dabei
unterstützen, die Beschäftigten
auch weiterhin im Arbeitsleben
zu behalten und nicht in den
vorzeitigen Ruhestand entlas-
sen zu müssen?
Zunächst einmal ist die Zusam­
menarbeit mit den Sozialpart­
nern – also den Gewerkschaf­
ten, den Personalräten im
Betrieb, aber auch beispiels­
weise den Schwerbehinderten­
vertretungen – enorm wichtig.
Denn sie verfügen über die
notwendige Expertise und ken­
nen die Bedürfnisse der Kolle­
ginnen und Kollegen. Ein weite­
rer wesentlicher Aspekt ist es,
flexibel zu bleiben und nicht
nach „Schema F“ zu agieren.
Manchmal sind es schon kleine
Erleichterungen, die es einem
Arbeitnehmer oder einer Ar­
beitnehmerin ermöglichen, auf
dem Dienstposten zu verblei­
ben. Die zunehmende Digitali­
sierung eröffnet dabei neue
Möglichkeiten, sie muss nur
barrierefrei gestaltet werden.
Also: Die Zugänge für die mo­
bile Arbeit müssen auch für
Menschen mit Seh- und Hör­
behinderungen barrierefrei
umgesetzt werden. Die Digi­
talisierung des Aktensystems
genauso. Wir brauchen innova­
tive Hard- und Softwarelösun­
gen für Menschen mit Mobi­
litätseinschränkungen. Es
müssen flexible Dienstverein­
barungen getroffen werden
über Arbeitszeit und Arbeits­
ort. Besonders dieser Punkt ist
sowieso für alle Arbeitneh­
merinnen und Arbeitnehmer
relevant, die Privatleben und
Beruf vereinbaren wollen. Für
Menschen mit Behinderungen
ist es jedoch oftmals eine Frage
von Arbeitslosigkeit oder Erhalt
der Beschäftigungsfähigkeit.
Um Erkrankungen und Behin­
derungen im Arbeitsleben vor­
zubeugen, müssen gemeinsam
mit den Betriebs- und Werks­
ärzten Präventionsstrategien
erarbeitet werden – zum Bei­
spiel, um psychischen Erkran­
kungen vorzubeugen. Gerade
in Zeiten von Arbeitsverdich­
tung und ständiger Erreichbar­
keit ein zentrales Thema. Diese
Liste lässt sich noch um viele
Punkte verlängern.
3
Der dbb setzt sich seit Jah-
ren dafür ein, dass der Be-
hindertenpauschbetrag im Ein-
kommensteuerrecht deutlich
angepasst wird. Auf seinem
jüngsten Gewerkschaftstag hat
der dbb diese Forderung noch-
mals mit einem Beschluss be-
kräftigt. Wie stehen Sie zu ei-
ner entsprechenden Anhebung?
Ganz deutliche Zustimmung.
Dieser Pauschbetrag wurde
seit 1975 – seit 44 Jahren –
nicht erhöht. Ich bin aber zu­
versichtlich, dass sich das bald
ändern wird. Entsprechende
Gespräche mit dem Bundesfi­
nanzminister und Vizekanzler
Olaf Scholz habe ich bereits ge­
führt. Ich hoffe auf eine baldi­
ge Anhebung.
drei fragen an
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Jürgen Dusel
© Henning Schacht
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