Kommunale Daseinsvorsorge in den Gemeinden Europas
Grundpfeiler der sozialen
Marktwirtschaft
Die Kommunen sprechen bei
DAWIs von den „Diensten der
Kommunalen Daseinsvorsor-
ge“. Die EU-Kommission hat
diesen Diensten eine eigene
Homepage gewidmet. Ge-
meint sind Dienste, die wir
alle fast täglich in Anspruch
nehmen und wohl auch durch-
weg für ebenso unverzichtbar
wie selbstverständlich halten,
zum Beispiel die Wasserver-
sorgung und die Abwasser
entsorgung, die Abfallentsor-
gung oder der öffentliche
Personennahverkehr. Hinzu
kommen sogenannte nicht
wirtschaftliche Dienstleistun-
gen des Staates wie Polizei,
Justiz und Sozialdienstleis
tungen von allgemeinem
Interesse wie etwa Systeme
der sozialen Sicherheit oder
die Arbeitsvermittlung. Auch
öffentlich-rechtliche Banken-
dienstleistungen können dar-
unterfallen. Und schließlich
bedeutet kommunal erbrach-
te Daseinsvorsorge für die Be-
schäftigten regelmäßig eine
gesicherte tariflich vergütete
Beschäftigung.
Die Abgrenzung und genaue
Begriffsbestimmung der recht-
lichen Grundlagen der europäi-
schen Daseinsvorsorge bereiten
immer wieder Probleme und
haben schon Generationen von
Juristen beschäftigt. Warum
das gerade ein Thema für den
Gemeinsamen Markt der EU ist,
ist im Grunde recht leicht er-
klärt: Der EU-Binnenmarkt ist
prinzipiell das Modell eines frei-
en Marktes ohne Beschränkun-
gen, in dem die Binnenmarkt-
freiheiten wie Waren- und
Dienstleistungsfreiheit gelten.
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Daseinsvorsorge
versus Binnenmarkt?
Für das Ziel eines offenen
Marktes erscheinen öffent-
lich erbrachte Dienstleistun-
gen potenziell problematisch.
Steht hinter ihnen doch der
Staat, der mit seiner Macht
das freie Spiel der Kräfte auf
demMarkt stören könnte oder
sogar vermutete beziehungs-
weise echte Monopole für sich
in Anspruch nehmen und da-
mit einen Marktwettbewerb
behindern oder aushebeln
könnte.
Echte Monopole gibt es tat-
sächlich, zum Beispiel in der
kommunal erbrachten Wasser-
versorgung oder -entsorgung,
die nach der Ausgestaltung in
den Gemeindeordnungen der
Bundesländer einem Anschluss-
und Benutzungszwang unter-
fällt. Und was zu einem freien
EU-Binnenmarkt auf den ersten
Blick nicht zu passen scheint,
sind solche Monopole. Aber nur
auf den ersten Blick, denn der
Markt kann sich auf solche
Dienste als permanente Grund-
lage und Infrastruktursicherung
verlassen. Die Dienste der Da-
seinsvorsorge laufen und funk-
tionieren nicht nur dann, wenn
mit ihnen wirtschaftlich Geld
zu verdienen ist. Sie werden
öffentlich erbracht und garan-
tiert. Diese Maxime prägen
ihre Ausgestaltung: Daseinsvor-
sorgeleistungen dienen dem
Gemeinwohl. Die Gemeinwohl-
verpflichtung wird vom Staat
selbst oder dem Leistungser-
bringer imWege eines Auftrags
auferlegt. Wenn zu normalen
Marktkonditionen die Erfüllung
des Gemeinwohlauftrags wirt-
schaftlich nicht darstellbar ist,
wird diese Erfüllbarkeit von der
öffentlichen Hand sicherge-
stellt. Die öffentliche Hand als
Leistungserbringer garantiert
bei den Daseinsvorsorgeleis-
tungen deren Qualität, Sicher-
heit, Bezahlbarkeit, Diskriminie-
rungsfreiheit.
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Daseinsvorsorge als öf-
fentliche Subventionen
Bei genauerer Betrachtung
wird also deutlich, dass die
Dienste der Daseinsvorsorge
den Gemeinsamen Markt
nicht stören, sondern ergän-
zen, und in vielen Fällen sogar
die unverzichtbare Grundlage
für erfolgreichen Wettbewerb
und Wirtschaften sind. Zu-
dem ist das Ziel der EU seit
dem Vertrag von Lissabon
nicht nur die Errichtung ei-
nes „Gemeinsamen Marktes“,
sondern zielt unter anderem
auf die Etablierung einer so
zialen Marktwirtschaft.
Es ist kein Musterbeispiel einer bürgernahen Rechts- und Verwal-
tungssprache, wenn man in den Verträgen über die Europäische
Union den Begriff der „Dienstleistungen von allgemeinem wirt-
schaftlichen Interesse“, abgekürzt „DAWIs“, liest. Einer von vielen
sperrigen Begriffen – hinter dem sich aber vieles verbirgt, das für
Bürger und Unternehmen von Interesse ist.
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dbb magazin | Juni 2019
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